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PT-Magazin - Ausgabe 1•2 | 2024

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06 Gesellschaft Wo die

06 Gesellschaft Wo die klugen Köpfe wachsen Während die Digitalisierung das Arbeiten und Leben grundlegend verändert, findet Schule und Lernen meist wie vor 100 Jahren statt. „Wir müssen uns von der Fabrikschule des 20. Jahrhunderts verabschieden“, fordert Dr. Peter Rösner. Der Physiker und Leiter der Stiftung Louisenlund packt den Bildungs-Aufbruch in Schleswig-Holstein an. PT-MAGAZIN 1•2 2024 © MADLEN KRIPPENDORF

07 PT-MAGAZIN 1•2 2024 Frischer Wind weht von der Schlei über den Park alter Buchen. Neben der strahlend weißen Schloss-Fassade zeigt sich ein moderner Bau, der aus der Ferne an klassische Gewächshäuser erinnert. Hier, wo der echte Norden Schleswig- Holsteins beginnt, liegt die Stiftung Louisenlund und zeigt: der Bildungsaufbruch in Deutschland beginnt. „Wir müssen uns von der Fabrikschule des 20. Jahrhunderts verabschieden,“ lautet die Botschaft des Physikers und Stiftungsleiter Dr. Peter Rösner. „Wir sollten aufhören, Kinder, nur weil sie zufällig gleich alt sind, in Klassen einzuteilen, in einen viereckigen Raum zu sperren mit einer Tafel und einem Lehrer. Jedes Kind ist einzigartig. Ich fordere daher, so verstandenen Unterricht nicht nur zu verändern, sondern zu lassen.“ Es ist neun Uhr morgens auf dem Campus Louisenlund. Aus der Mensa duftet es nach Kaffee. Die Bohnen stammen aus einer kleinen Plantage am Kivu-See in Ruanda. Ein Sechzehnjähriger hat gerade alle Produktionsetappen vor Ort begleitet. Anbau, Ernte, Sortierung. Er klingt stolz. Heute rösten er und seine Mitschüler und -schülerinnen die Bohnen, verpacken und verkaufen sie, sogar an Sternerestaurants. Seit 2015 existiert das Projekt. Mit dem Gewinn aus dem Kaffeeverkauf unterstützt Louisenlund eine Grundschule in Ruanda. Dr. Peter Rösner führt weiter über das Gelände. Als Leiter der Stiftung Louisenlund, einer Internatsschule, die aus einer Grundschule, einem Gymnasium mit plus-MINT Talentförderung und einer IB World School besteht, forcierte er in den letzten zehn Jahren einen ungewöhnlichen Transformationsprozess. Sein Ziel: ein leistungsfähiges, offenes und menschenfreundliches Schulsystem zu schaffen, das Empathie, Vielfalt und selbstwirksames Lernen ermöglicht. Schon während Corona-Zeiten managte er den Bildungsdampfer mit 450 Tages- und Internats-Lernenden geschickt durch die Krise. Weitermachen wie bisher, das war allen klar, würde nicht © MADLEN KRIPPENDORF reichen. Man entschied sich für einen Aufbruch in der Pädagogik und der Bildungsarchitektur: Während der Coronazeit wurde der komplette Neubau eines Lern- und Forschungszentrums geplant, durchgezogen, 2023 die ersten Gebäude eingeweiht. Eigenverantwortung lernen LH-Architekten aus Hamburg entwickelten einen Typus aus Scheune und Treibhaus für Rösners Credo, die Schule im Gleichschritt abzuschaffen. Die Neubauten zeichnen sich durch viel Licht, Glas und natürliche Materialien aus. In einer Kette aus vier Gebäuden pulsiert das Herz des Lern- und Forschungszentrums auf einer Nutzfläche von 5.200 Quadratmetern. Eine Schülerin führt eine junge Besuchergruppe durch die neuen Lernräume: Whiteboardflächen, die von einer Wand zur anderen reichen, bodentiefe Fenster mit Blick in den Wald. Alles ist neu, Tische und Stühle rollen, schwingen, bewegen sich. Die kleine Besuchsgruppe chauffiert ausgelassen durch den Raum und lauscht der Louisenlunderin, die von ihrem Schulalltag berichtet. Ihre Lernziele hat sie mit ihrer Mentorin individuell abgesprochen, ihren Stundenplan spezifisch aus Seminaren und Selbstlernzeiten zusammengestellt. „Eigenverantwortung muss man lernen“, erzählt sie den erstaunten Zuhörern. „Das klappt nicht sofort, aber später ist es wie eine gut bestandene Challenge und macht Freude: man hat den Stoff verstanden und kann ihn in neuen Situationen an- wenden.“ Freude ist ein Wort, das man oft hört in Louisenlund. Freude erleben Schülerinnen und Schüler auch in den vielen unterschiedlichen Gilden. Neben dem Lernen im Schulgebäude sind die Gilden eine wichtige ergänzende Dimension des praktischen Lernens die sich um Projekte wie Naturschutz, Sport oder Ehrenämter drehen. Lachen ist ebenfalls auf dem Campus zu hören und der fröhliche Gruß, der Besuchenden zugerufen wird. Und von denen gibt es viele, denn das Louisenlunder Konzept schlägt Wogen. Wissen, Fähigkeit, Kompetenz „Lernen und kritisches Denken sind die Grundlagen für ein selbstbestimmtes Leben. Erworbenes Wissen, Fähigkeiten und Kompetenzen die Rohstoffe für die Zukunft unseres Landes“, erklärt Thomas Laqua und öffnet Interessierten die Tür zu den neuen lichtdurchfluteten Lernbereichen. Laqua ist Fachmann für Bildungsarchitektur und mit seinem gemeinnützigen Unternehmen „wonderlabz“ Spezialist für projektorientierte Lernräume, zugleich Umsetzer der Stiftungs-Visionen. Seit fünf Jahren ist er am Transformationsprozess beteiligt und sorgt mit der Innenarchitektur für die Balance zwischen Identität und Aufbruch. Wandelbare Seminarräume mit flexiblen Möbeln laden zur Vertiefung bereits vorbereiteter digitaler Unterrichtsinhalte in kleinen Lerngruppen ein. Die angrenzenden offenen Lernlandstudios mit jeweils mehr als 300 Quadratmetern Fläche sind für das „Deeper Learning“ konzipiert. Sie lassen sich mit farbigen Akustikvorhängen, ähnlich einer Theaterbühne, in Sekunden verwandeln. Der Wunsch nach Offenheit und Interaktion der Lernenden wird genauso erfüllt, wie der nach temporärer Fokussierung und Abgrenzung für konzentriertes Lernen im eigenen Tempo. Warmes Eichenholz, feuchtigkeitsregulierende Wollstoffe, angenehme Filzoberflächen, weiche Polsterstoffe und haptisch ansprechende Schrank-, Tischund Stuhloberflächen bieten eine u

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