Aufrufe
vor 2 Jahren

PT-Magazin 3 2021

Offizielles Magazin der Oskar-Patzelt-Stiftung. Titelthema: Bange machen gilt nicht!

16 Gesellschaft greifen.

16 Gesellschaft greifen. Führungskräfte brauchen also eine gewisse Medienkompetenz. Sie müssen die Stärken und Schwächen der verschiedenen Kommunikations- und Informationskanäle kennen, um diese gezielt zu nutzen. These 6: Influencer interagieren mit ihren Followern. Influencer sind nur so lange Influencer wie sie Follower haben. Verweigern Letztere ihnen die Gefolgschaft sind sie keine Influencer mehr. Ähnlich verhält es sich bei Führungskräften. Sie sind nur solange Führungskräfte wie ihnen ihre Mitarbeiter folgen. Influencer wissen um diese Abhängigkeit. Deshalb versuchen sie möglichst viel mit ihren Followern zu kommunizieren, zum Beispiel in Chatforen, um unter anderem zu erfahren: • Wie zufrieden sind sie mit meiner „Performance“? • Welche Themen beschäftigen sie? • Welche Interessen haben sie? • Wie bewerten sie bestimmte Sachverhalte/Produkte? Diese Infos nutzen sie, um ihren Online- Auftritt zu verbessern und dafür zu sorgen, dass sie keine Eintagsfliegen sind. Sie lassen zudem das „Feedback“ ihrer Follower erkennbar in ihre Posts einfließen, um ihnen zu signalisieren: Ich nehme Euch und Eure Interessen wahr; Ihr seid mir wichtig. Ähnlich sollten Führungskräfte agieren. These 7: Influencer zeigen sich auch als Mensch mit Gefühlen. Fast alle Influencer nicht nur im Netz gewähren ihren Followern auch wohldosierte Einblicke in ihr Privat- und Gefühlsleben – primär um auch als Mensch für diese erfahrbar zu sein und eine emotionale Beziehung zu ihnen aufzubauen. Auch Führungskräfte, die eine partnerschaftlich-kooperative Beziehung zu ihren Mitarbeitern anstreben, tun dies in der Kommunikation mit ihren Mitarbeitern oft – zum Beispiel, indem sie in das Gespräch auch mal Infos über ihre Hobbies einfließen lassen. Oder indem sie aktuell im Gespräch auch mal gezielt erwähnen, dass die Corona-Situation auch sie verunsichert. © adonis/flickr.com PT-MAGAZIN 3 2021

17 PT-MAGAZIN 3 2021 Diese Aussagen sind für ihre Mitarbeiter oft der Anstoß, sich ebenfalls sie öffnen und ihrer Führungskraft einen Einblick in ihr Gefühlsleben zu geben. Insofern sind solche „Offenbarungen“ seitens der Führungskräfte gerade in der aktuellen Corona-Situation wichtig, in der ihre Mitarbeiter oft hochgradig verunsichert sind. Und wenn die Mitarbeitern im Homeoffice oder in Kurzarbeit sind und deshalb viele normale Gesprächsanlässe entfallen? Dann sollten Führungskräfte überlegen, inwieweit sie mit Hilfe der Social Media einen partiellen Ausgleich hierfür schaffen können, damit die emotionale Beziehung zwischen ihnen und ihren Mitarbeitern nicht abreißt. These 8: Influencer reagieren gelassen auf Kritik. Auch Influencer begehen (aus Sicht ihrer Follower) Fehler – zum Beispiel, weil sie die Stimmungs- oder Interessenlage bei ihren Followern falsch eingeschätzt haben. Dann ernten sie oft harsche Kritik, die zuweilen in einem Shitstorm mündet. Doch hierauf reagieren erfahrene Influencer – zumindest nach außen erkennbar – nie beleidigt und ziehen sich aus der Kommunikation zurück. Sie nutzen dies vielmehr als Chance, um mit ihren Followern in einen noch intensiveren Dialog zu treten und ihnen die Gründe für ihr Handeln darzulegen. Sie gestehen zudem Fehler gemäß der Maxime „Shit happens, auch ich bin nur ein Mensch“ ein, entschuldigen sich hierfür und lernen hieraus. Ähnlich sollten Führungskräfte auf Kritik reagieren, denn diese zeigt letztlich das „Involvement“ der Mitarbeiter und eröffnet ihnen die Chance, bei Bedarf gegenzusteuern. These 9: Influencer sind bereit, neue Wege zu gehen. Auch Influencer müssen oft neue Wege gehen – zum Beispiel, • weil ihre Zielgruppe zunehmend von Facebook zu Instagram abwandert, • weil sie einem Trend folgend, neue Vorlieben entwickelt, • weil gewisse Posts weniger Zugriffe haben oder • weil sie sich selbst weiterentwickelt haben. Dann stehen auch Influencer vor der Herausforderung, die Weichen neu zu stellen, zumindest wenn sie auch mittel- und langfristig erfolgreiche Influencer sein möchten. Solche „Strategiewechsel“ stoßen bei ihren Followern oft auf Widerstände und zum Teil kündigen sie sogar ihre Gefolgschaft. Trotzdem beschreiten Influencer, wenn übergeordnete Ziele dies erfordern, immer wieder diesen Weg. Ein entsprechendes Rückgrat müssen auch Führungskräfte haben. Bei aller Empathie, Kompromissbereitschaft und Loyalität, die sie im Kontakt mit ihren Mitarbeitern zeigen, muss stets deutlich bleiben: Gewisse Ziele wie „Unser Unternehmen muss Gewinn erzielen“ oder „Es darf nicht in Liquiditätsprobleme geraten“ sind nicht verhandelbar. Dies ist aufgrund ihrer Funktion in der Organisation unabdingbar. Influencing ist das Führen von morgen Aufgrund der veränderten Rahmenbedingungen in Wirtschaft und Gesellschaft ist Influencing das Führen von morgen. Denn nur wenn es Führungskräften gelingt, andere Menschen für sich und ihre Ideen zu begeistern, können sie in der von rascher Veränderung und sinkender Planbarkeit geprägten VUKA-Welt ihre komplexer werdende Führungsaufgabe noch erfolgreich wahrnehmen. Als Einzelkämpfer bzw. „lonely heroes“ ohne Mitstreiter bzw. Follower schaffen sie dies nicht. Also sollten sie von den Influencern im Netz lernen. ó Barbara Liebermeister Über die Autorin leitet das Institut für Führungskultur im digitalen Zeitalter (IFIDZ), Frankfurt (www.ifidz.de). Anfang August erschien im Gabal- Verlag das neuste Buch der Managementberaterin und Vortragsrednerin „Die Führungskraft als Influencer: In Zukunft führt, wer Follower gewinnt“.

Jahrgänge