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PT-Magazin 06 2020

Offizielles Magazin der Oskar-Patzelt-Stiftung. Titelthema: Ausgezeichnet.

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08 Gesellschaft © www.piqsels.com Probanden trainiert. Und dies sehr erfolgreich: Firmen setzen diese Software bereits in Bewerbungsverfahren ein. Man braucht nicht viel Phantasie um sich vorzustellen, welch mächtiges Tool diese Software in den Händen totalitärer Systeme ist. Hyperintelligente Computer wiederum werden die Wissenschaft selbst noch schneller vorantreiben. Dies wiederum könnte dann weitere künstliche Systeme schaffen, die noch intelligenter sind. Solch eine Rückkopplung würde dafür sorgen, dass Menschen intellektuell schon bald nicht mehr mithalten können. KI-Experten sprechen in diesem Zusammenhang von einer „Superintelligenz“. Bereits 1993 veröffentlichte der Mathematiker und Computerpionier Vernor Vinge die Prognose, dass wir „innerhalb von 30 Jahren über die technologischen Mittel verfügen werden, um übermenschliche Intelligenz zu schaffen.“ Wir sind auf dem besten Wege, diese Voraussage für das Jahr 2023 zu erfüllen. Sorge sollte uns der gleich anschließende Satz Vinges machen: „Wenig später ist die Ära der Menschen beendet.“ Doch bei aller Zukunftsmusik dieser Art drohen mit den Entwicklungen auf dem Gebiet der KI bereits heute dramatische gesellschaftliche und politische Verschiebungen und Verwerfungen mit dem Potential für massive soziale Krisen. Hochrangige Ökonomen warnen bereits vor großer sozialer Ungleichheit zwischen wenigen Gewinnern und vielen Verlierern in der „Winner takes it all“-Ökonomie der digitalen Welt. Einer großen Anzahl von Menschen drohen Job- und sozialer Bedeutungsverlust. Und dies nicht nur im unteren Lohnsegment: Auch Akademiker wie Ärzte, Juristen und Lehrer werden betroffen sein. Bereits in 25 Jahren könnten bis zu 50 Prozent der heutigen Berufe überflüssig geworden sein. In Zukunft entsteht soziale Ungleichheit also nicht mehr durch Ausbeutung von Menschen, sondern schlicht durch die soziale Bedeutungslosigkeit vieler Berufsgruppen. Zudem wird das Land mit der am weitesten entwickelten KI mit hoher Wahrscheinlichkeit zur dominierenden wirtschaftlichen und militärischen Macht auf diesem Planeten aufsteigen. Zurzeit kämpfen bzgl. KI zwei Länder um die globale Vormachtstellung: Die USA und China. China hat dabei in den letzten Jahren stark aufgeholt und setzt unterdessen sogar zum Sprung auf Platz 1 an. Die Europäer wurden in diesen Rennen längst abgehängt und zu Statisten degradiert. Die Grundlage des Vorsprungs der Amerikaner und Chinesen sind nicht schlauere Forscher, bessere KI-Algorithmen oder bessere Computer- Programmierer, sondern schlicht und einfach die Verfügbarkeit von Daten. Daten gelten als „das Öl des 21. Jahrhunderts“. Dass die großen Datensammler („Big Data“) große Macht haben, zeigt bereits der gewaltige kommerzielle Erfolg von Firmen wie Facebook und Google, oder Tencent und Baidu. Diese Unternehmen verdienen mit personalisierter Digital- Werbung Dutzende von Milliarden Dollar und sind längst zu bestimmenden Kräften in Wahlkämpfen und anderen politischen Auseinandersetzungen geworden. Unternehmen wie Google, Microsoft und Apple sowie Staaten selbst, sammeln ohne unser Wissen Daten über uns, teilweise an Orten und von Geräten die völlig unverdächtig erscheinen wie Fernseher oder Xbox-Konsolen. So verklagte 2016 eine Verbraucherin den Hersteller eines vernetzten Vibrators, der höchst intime Daten über die Verwendung des Gerätes gesammelt und an den Hersteller weitergegeben hatte. In einer Welt der totalen Vernetzung verschwindet unsere Privatsphäre zunehmend. Längst ist mit entsprechender Software für Gesichts- und Bilderkennung und einem dichten Netz von Kameras die Erstellung von Bewegungsprofilen einzelner Menschen in Echtzeit kein Problem mehr. Wir können also schon bald kaum mehr etwas tun, ohne dass jemand davon erfährt. Eric Schmidt, der Chef von Google, hat es so ausgedrückt: „Wenn es etwas gibt, von dem Sie nicht wollen, dass es irgendjemand erfährt, sollten Sie es vielleicht ohnehin nicht tun.“ Dies alles findet innerhalb demokratischer Strukturen statt. Was uns blüht, wenn es keine demokratische Kontrolle des Staates gibt, und wie weit vollständig unkontrollierte manipulative Datenverwendung und der Fütterung von KI-Algorithmen gehen kann, zeigt das Beispiel China. Wir sollten auf der Hut sein. ó Über den Autor Lars Jaeger hat Physik, Mathematik, Philosophie und Geschichte studiert und mehrere Jahre in der Quantenphysik sowie Chaostheorie geforscht. Er lebt in der Nähe von Zürich, wo er – als umtriebiger Querdenker – zwei eigene Unternehmen aufgebaut hat, die institutionelle Finanzanleger beraten, und zugleich regelmäßige Blogs zum Thema Wissenschaft und Zeitgeschehen unterhält. Überdies unterrichtet er unter anderem an der European Business School im Rheingau. Die Begeisterung für die Naturwissenschaften und die Philosophie hat ihn nie losgelassen. Sein Denken und Schreiben kreist immer wieder um die Einflüsse der Naturwissenschaften auf unser Denken und Leben. Sein neuestes Buch „Sternstunden der Wissenschaft“ ist im Suedverlag erschienen. PT-MAGAZIN 6 2020

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