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PT-Magazin 06 2018

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Magazin für Wirtschaft und Gesellschaft. Offizielles Informationsmagazin des Wettbewerbs "Großer Preis des Mittelstandes" der Oskar-Patzelt-Stiftung

Goethe und Schiller als

Goethe und Schiller als Sterngucker Goethes Tagebuch 12. Februar 1800. „Nachts G.R.Voigt und Hofrat Schiller. Den Mond betrachtet.“ PT-MAGAZIN 6/2018 Wirtschaft 50 11. Februar 1800. Über Weimar strahlte ein herrlicher Wintervormittag. Man darf annehmen, dass Friedrich Schiller in seiner vom Geruch fauliger Äpfel durchzogenen, gut geheizten Stube am Schreibtisch hockte; in diese Zeit fiel die Bühnenbearbeitung von Shakespeares „Macbeth“. Da klopfte ein Bote an die Pforte seiner Mietwohnung in der Windischengasse Nr. A 71. Schiller wurde eine kurze Note seines Freundes Goethe überbracht: „um sieben Uhr, da der Mond aufgeht, sind Sie zu einer astronomischen Partie eingeladen, den Mond und den Saturn zu betrachten; denn es finden sich heute Abend drei Teleskope in meinem Hause“. Eines dieser Teleskope, vermutlich das leistungsfähigste, war ein „siebenfüßiger Newtonspiegel nach Herschelscher Bauart“. Drei Tage zuvor hatte es Goethe von seinem Freund Karl Ludwig von Knebel in Kommission genommen und in seinem Gartenhaus aufgestellt. Goethe hielt am 11. Februar fest: „Das Teleskop ist nun aufgestellt und sein schönes äußeres Ansehen ist lockend, so dass man auch seine inneren Tugenden wünscht kennenzulernen“. Mit Astronomie wird der „Dichterfürst“ kaum in Verbindung gebracht. Eine Äußerung gegenüber Johann Peter Eckermann bestätigt dies scheinbar: „Ich habe mich in den Naturwissenschaften ziemlich nach allen Seiten hin versucht; jedoch gingen meine Richtungen immer nur auf solche Gegenstände, die mich irdisch umgaben und die unmittelbar © hajotthu durch die Sinne wahrgenommen werden konnten; weshalb ich mich denn auch nie mit Astronomie beschäftigt habe“. Sind Goethes Worte im Licht der hohen Ansprüche an sich zu sehen? Denn zahlreiche Zeugnisse belegen, dass Goethe sich zeitlebens gerne mit Himmelskunde befasst hat. Goethe war seit 1799 von den Landschaften des Mondes angetan. Immer wieder stand er nachts am Teleskop und schwenkte es über Maare und Krater. Am 10.August 1799 schrieb er an Schiller:“ Durch das Steinische Spiegelteleskop habe ich einen Besuch im Monde gemacht (möglicherweise handelte es sich hier um ein vom Hofmechanikus Auch im Gartenhaus aufgestelltes Gerät). Die Klarheit mit welcher man die Teile sieht ist unglaublich; man muss ihn im Wachsen und Abnehmen beobachten wodurch das Relief sehr deutlich wird.“ Für den 13. September 1799 hielt Goethe im Tagebuch fest: „Machte ich mich mit dem Monde, so viel es die Witterung zuliess, bekannt mit Hilfe des Auchischen Teleskops und der Schröderischen Selentopographie“ (die zu dieser Zeit genaueste Mondkarte). Auch am 18. September steht im Tagebuch: „Den Mond beschaut“. In den „Annalen“ gibt er auch ein Motiv preis: „Im August und September bezog ich meinen Garten am Stern, um einen ganzen Mondswechsel durch ein gutes Spiegel-Teleskop zu betrachten, und so ward ich denn mit diesem, so lange geliebten und bewunderten Nachbar endlich näher bekannt. Bei allem diesem lag ein grosses Naturgedicht, das mir vor der Seele schwebte, durchaus im Hintergrund“. “An Ihren Mondbetrachtungen wünschte ich wohl auch teilzunehmen“, antwortete Schiller am 24.August 1799 an Goethe. „Mir hat dieser Gegenstand immer einen gewissen Respekt abgenötigt und mich nie ohne eine sehr ernste Stimmung entlassen. Bei einem guten Teleskop wird das Körperliche der Oberfläche sehr deutlich, und es hat mir immer etwas Furchtbares, dass ich diesen entfernten Fremdling auch mit einem anderen Sinn als dem Aug zu erfassen glaubte“. Ob Schiller am 11.Februar 1800 Goethes Einladung angenommen hat und beide Dichterfürsten in jener Nacht tat-

alle drei Bilder: © Christian Wolter Wirtschaft PT-MAGAZIN 6/2018 sächlich gemeinsam unter dem Sternenzelt gestanden haben, ist nicht überliefert. Einen Hinweis gibt der Brief Goethes am nächsten Tag, denn am 12.Februar 1800 lud er Schiller erneut ein: „Mögen Sie heute abend, nach geendigtem Schauspiel, sich zu mir verfügen, so sollen Sie, nach einer kalten Viertelstunde, einen deutlichern Begriff von den Mondshöhen und Tiefen mit hinwegnehmen, so wie es mich sehr freuen wird Sie nach einer so langen Pause wieder bei mir zu sehen“. Für dieses Datum enthält Goethes Tagebuch: „Nachts G.R.Voigt und Hofrat Schiller. Den Mond betrachtet.“. War die schwere Erkrankung des Dichters Mitte Februar 1800 die Folge einer Unterkühlung während der späten Partie mit Goethe? Noch bis Ende März kämpfte Schiller mit Fieber und Husten. Im Frühjahr und Sommer 1800 stand Goethe mehr als einmal in seinem Garten und schaute durchs Okular. Es war ihm ersichtlich ein Anliegen, auch andere in den Mond einzuführen. Goethe berichtet: „Das Teleskop hat mir und Freunden schon manchen vergnügten Abend gemacht. Es erregt die würdigsten Gefühle, wenn man einen so weit entfernten Gegenstand sich so nahe gerückt sieht, wenn es uns möglich wird, den Zustand eines 50.000 Meilen von uns entfernten Körpers mit so viel Klarheit einzusehen Schillers Krankheit dürfte seine Bereitschaft, sich frische Nächte um die Ohren zu schlagen nicht gefördert haben. Goethe versuchte nun, ihn nach seiner Genesung mit der Idee einer „Starparty“ zu ködern. Am 10.April 1800 schrieb er Schiller: „Es war eine Zeit, wo man den Mond nur empfinden wollte, jetzt will man ihn sehen. Ich wünsche, dass es recht viele Neugierige geben möge, damit wir die schönen Damen nach und nach in unser Observatorium locken“. Bereits beim jungen Goethe findet sich Anteilnahme an den astronomischen Erkenntnissen seiner Zeit. Für den 8.Dezember 1769 war ein Vorbeiziehen (Durchgang) der Venus vor der Sonne vorhergesagt. In einem Brief an A.F. Oeser schrieb Goethe am 14.Februar 1769:“Frankreich und Spanien schicken Astronomen nach Kalifornien, den Spaziergang der Venus zu beobachten“. Um 1780 will er einen „Roman über das Weltall“ verfassen. Charlotte von Stein lässt er wissen: “einige Brief des grossen Romans geschrieben“. Doch das Werk bleibt ein Fragment. Und am 19. November 1784 in einem Brief an Charlotte: „Ich bringe...eine Astronomie die sich gut lesen lässt“ (für Frau von Stein verwendete Goethe in seinen Aufzeichnungen das astronomische Zeichen der Sonne, für den Herzog das des Jupiters). Spätestens ab 1799 verstärkte sich sein himmelskundliches Interesse anhaltend. Es ist anzunehmen, dass hier auch der Gedankenaustausch mit dem Herzog eine motivierende Rolle spielte. Über Jahrzehnte hinweg war Astronomie ein verbindendes Thema zwischen dem Landesherren und seinem Minister. Am 6. Oktober 1820 schrieb Goethe an Carl August „..so muss ich doch gestehen, dass ich meinen langen Abenden und Nächten gar sehr wieder die Erscheinung eines geistig-leuchtenden Gestirns wünsche. Der Mond hat mich diesmal, mit allen seinen Phasen bis zuletzt, gar sehr unterhalten, da er immer noch als der späte Freund hinter den Bergrücken hervortritt; Jupitern mit seinen Trabanten begrüss ich nächtlich, mit meinem Fernrohr, die Plejaden glaube ich niemals schöner gesehen zu haben. Ich denke, durch den Kometensucher (ein lichtstarkes Teleskop mit geringer Vergrösserung) müssten sie sich ganz unschätzbar zeigen. So kommt alles auf die Umstände an, die freie Aussicht auf den Morgenhimmel ist zu solchen Nacht-Beschauungen höchst anlockend“. ˘ 51

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