Purpose: der „höhere Sinn und Zweck“ PT-MAGAZIN 5/2019 Wirtschaft 50 Angeblich genügt es heute nicht mehr, herausragend funktionale und langlebige Produkte herzustellen, exzellenten Kundenservice zu betreiben und Arbeitsplätze zu bieten. Der USP eines Unternehmens müsse erweitert werden um ganzheitliche Fairness und Nachhaltigkeit und die Auskunft darüber, was das Unternehmen dazu tut, „die Welt besser zu machen“. Daher brauche es Purpose: einen höheren Sinn und Zweck. Gutes Tun und Gutes bewirken. Purpose deklamiert neben der Daseinsberechtigung eines Unternehmens das Zusammenlaufen individueller, kollektiver, unternehmerischer und gesellschaftlicher, wahlweise globaler Interessen. Antworten auf die Frage: „Welchen Nutzen stiftet das Unternehmen?“ überschreiten den betriebs- und gar volkwirtschaftlichen Wirkungsraum. Nach außen betont Purpose eine wesentliche Komponente von Image und Reputation. Purpose wird zu einem „Narrativ“, einer Erzählung oder Geschichte. Das Narrativ sorgt dafür, dass dasjenige in den Vordergrund rückt, was Konzepte gesellschaftlicher Verantwortung von Unternehmen bis dato angeblich vernachlässigen, nämlich die „Verpflich- Purpose als Container Purpose dient als Container für ideologisch eingebettete ethische, sozioökonomische, soziale, ökologische Überzeugungen und Ambitionen, die das Unternehmen „antreiben“ und als „gutes Unternehmen“ profilieren. Purpose wird nicht einfach als notwendige Bedingung für unternehmerischen Erfolg verpackt, sondern verkündet einen „höheren Sinn und Zweck“ des Unternehmens. Unternehmen werden zu gesellschaftspolitischen Akteuren mit ethischem Anspruch. Adressaten und Nutznießer von Purpose sind Stakeholder aller Provenienz bis zum Konsumenten, sind Gesellschaft, Umwelt und Natur. Purpose umschließt ein breites Repertoire an Facetten, etwa individuelles Wohlbefinden angestellter und freier Mitarbeiter, als gerecht, fair und menschenrechtskompatible, wertschätzende Arbeitskonditionen, ökologische, klimaverträgliche, idealerweise friedenstiftende Produktentwicklung, Produktion, Logistik, Wartung und Services aller Art. Purpose wird weltanschaulich zeitgeistharmonisch eingebettet und normativ eingesetzt. Nach innen markiert Purpose eine semantische und sinnstiftende Klammer und übernimmt orientierende und motivationale Funktionen von Leitbild, Vision, Mission, Sinn. Wie diese dient Purpose als Referenz für sämtliche unternehmerischen Aktivitäten in- und extern sowie als Identifikationsquelle für Mitarbeiter, Zulieferer, Kunden. © anja schindler auf Pixabay tung“, „diese Welt besser zu machen“. Neben bekannten Regelwerken kursieren neue. Stichworte: Corporate Social Responsibility, Environmental, Social and Governance Critieria für nachhaltige Unternehmensführung, neuerdings: Sustainable, Responsible and Impact-Investing, das Anlege-, Investitions-, Beteiligungsentscheidungen abhängig davon macht, inwiefern sie Erwünschtes erhalten bzw. dazu beitragen, Erwünschtes zu schaffen.
Warum bezweifelt werden muss, dass der Modebegriff „Purpose“ Neues transportiert. Purpose-Penetranz Die moralische Aufladung von Wirtschaften fließt zunehmend in Anlageentscheidungen ein, da Anleger „zunehmend nicht nur nach dem wirtschaftlichen Erfolg“ schauen, sondern sie „achten auch auf verantwortungsvolle Unternehmensführung“. Diese meint: „unternehmerisches Handeln im Einklang mit Gesetzen, Richtlinien, Kodizes und Satzungen (neudeutsch Compliance) und moralischen Werten“, in dessen Zentrum „Verantwortung gegenüber Mitarbeiter und Gesellschaft, einschließlich Umwelt- und Klimaschutz – zusammenfassend auch Nachhaltigkeit genannt“, auszuüben, einschließlich der Bedürfnisse „aller Interessengruppen (Kunden, Mitarbeiter, Gesellschaft)“ (Schoppen, Willi: Werte schaffen Wert. In: Die Zeit 4.4.2019, S. 29). Purpose soll das Unternehmen durchdringen und erfasst neben Strategischem „Führungspersonal“, „Werte“ und deren Harmonisierung. Selbst die Persönlichkeit von (maßgeblichen) Akteuren soll auf Passung durchleuchtet werden. Zu den einschlägigen Bemühungen, ein „gutes“ Unternehmen zu schaffen, passt die Ausweitung der „Kampfzone“ rund um Compliance. So bewegen sich etwa Marcel Schütz und Richard Beckmann in einem Artikel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (Ein bisschen geflunkert wird immer. In: FAZ 23.4.2019, S. 18) im Sog etwa von Stefan Kühl, Organisationssoziologe, und Oswald Neuberger, Organisationspsychologe, die aus theoretischen und praktischen Gesichtspunkten zeigen, dass und inwiefern es einem guten Zweck dienen und für das Überleben einer Organisation notwendig sein, von offiziellen Regeln und Normen abzuweichen, sie zu dehnen, gegen sie zu verstoßen. Inwiefern sich Unternehmen dieser Allinklusivität von Verantwortung auch justiziabel verpflichten wollen, ist durchaus fraglich. Die umgreifende und das Wirtschaftssystem transzendierende Verantwortungszuschreibung von Unternehmen und Managern hat durchaus Unerwünschtes und praktisch nicht Leistbares im Gepäck. Dies mag man exemplarisch an den Argumenten ablesen, die angeführt werden, um sich etwa gegen eine zunehmende Instrumentalisierung für politische Zwecke und Ambitionen zu wehren. Sichtbar auch aktuell an einem Gesetzesentwurf, der Unternehmen haftbar machen will dafür, dass sämtliche Akteure und Prozesse im Rahmen der gesamten Lieferkette politisch vorgegebene ethisch fundierte Normen einhalten. Diese Gesetzesinitiative stößt auf breitere Ablehnung in grundsätzlich wohlwollenden („Purpose“!) Wirtschaftskreisen aus diversen Gründen und nicht zuletzt, weil weder Kontrollierbarkeit noch Zugriffsbefugnisse garantiert werden können und Manager für etwas haftbar gemacht werden sollen, das sich außerhalb ihrer Gestaltungsmacht befindet. Ist Purpose notwendig und neu? Georg Merck bringt es auf www.faz.net am 11.03.2019 auf den Punkt: „Aber keine Frage, ohne „Purpose“ geht es nicht. Ob bei Henkel mit seinem Klebstoff, bei Continental mit den Bremsen oder RWE mit dem Strom – stets wird ein höherer Sinn mitgeliefert. Thyssen-Krupp holt gar Ahnherr Alfred Krupp hervor: „Zweck der Arbeit soll das Gemeinwohl sein.“ Der Pharmakonzern Merck preist sich als Diener am medizinischen Fortschritt, Adidas als Förderer der Gesundheit: „Durch Sport das Leben verändern“, heißt in Herzogenaurach der „Purpose“. Schwerer haben es Konzerne mit weniger ansehnlichen Produkten. Wie sollen Rohstoff-, Röhren- oder Chemieproduzenten die Welt beglücken? Auch das gelingt, wie die Bayer-Abspaltung Covestro beweist. Der Frischling im Dax hat noch am Tag der Gründung seinen „Purpose“ festgelegt: „Wir wollen die Welt lebenswerter machen.“ Polymere sind eine feine Sache, gewiss, und der Chemiekonzern BASF preist sich schließlich auch dafür, eine „bessere Lebensqualität für alle“ zu schaffen. Selbst der Lufthansa genügt es nicht mehr, Leute von A nach B zu fliegen. Nein, der wahre „Purpose“ besteht darin, „die Länder Europas miteinander zu verbinden und Europa mit der Welt“. Bringt Purpose etwas Neues, oder ist es nur ein Marketingbegriff, der scheinbar Neues transportiert, alte Begrifflichkeit lediglich ersetzt? Mit dem sich die Hoffnung auf neue Attraktivität bzw. Attraktoren verbindet? Ein Begriff, der Image und Reputation eines Unternehmens intern und extern steigern und schlussendlich Kunden und Investoren anlocken soll? Um etwas Neues zu sein, müsste sich Purpose von bisherigen Varianten und Kriterien nachhaltiger Unternehmensführung und Investitionsstrategie qualitativ unterscheiden bzw. fundamental, kategorial Neues einführen. Da Unternehmen „gesellschaftliche“ Verantwortung in einem expansiven Sinn und damit Verantwortung für „Gemeinwohl“ bereits seit Jahrzehnten zugeschrieben werden und sich Unternehmen dem Anforderungskatalog durch diverse Regelwerke stellen, kann der Rhetorik um das Weltverbessertum keine grundsätzliche Neuartigkeit attestiert werden. Purpose ist ein Mittel zum Zweck, ist ein unternehmerisches Instrument oder „Tool“, um langlebige Erfolgswahrscheinlichkeit in Aussicht zu stellen. In der Verfolgung dieses unternehmerischen Primärziels bemühen sich Unternehmen darum, betriebs- und volkswirtschaftliche, ökologische, klimarelevante und am Gemeinwohl entlang laufende Parameter einzubeziehen. Sollte Purpose kategorial Neues transportieren, ist es tief im Container verborgen. ó (gekürzte Version. Der vollständige Beitrag steht unter www.pt-magazin.de/purpose Über die Autorin Dr. Regina Mahlmann bietet Unternehmen Führungs- und HR-Unterstützung, damit diese nachhaltig erfolgreich sein können. Ferner ist sie aktiv als Coach, Speaker und Textcoach/ Ghostwriter sowie Autorin zahlreicher Bücher. www.dr-mahlmann.de 51 PT-MAGAZIN 5/2019 Wirtschaft
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