Freunde für den gelben Engel Laut aktuellen Zufriedenheits-Studien haben ADAC und Umweltorganisationen die meisten Fans. Kirchen und Kammern liegen hier auf den hinteren Rängen Wirtschaft 40 Deutschland gilt als „Verbändestaat“, fast jeder Deutsche ist im Laufe seines Lebens mindestens Mitglied in einem Verband, sei es ein Sportverein, ein Arbeitgeberverband oder eine Gewerkschaft. Seit Jahren kämpfen deutsche Verbände, Vereine, Parteien und Kammern verzweifelt gegen Mitgliederaustritte an, und auch der Wettbewerb innerhalb der verschiedenen Organisationen wird immer härter. Die Benchmarkstudie „Fanfocus Deutschland: Verbände 2014“ der forum! Marktforschung GmbH in Mainz hat nun den Einfluss der emotionalen Bindung auf das Mitgliederverhalten untersucht und die Fanquoten einzelner Verbände ermittelt. Besonders gut schnitt dabei überraschenderweise ein Verband ab, der in den letzten Monaten eher für Negativschlagzeilen gesorgt hat: der ADAC. 60 Prozent der Befragten hatten bereits Austrittsgedanken In der Studie wurden 1.772 Mitglieder aus 15 übergeordneten Organisationstypen repräsentativ befragt, darunter Umwelt-, Sozial- und Verbraucherschutzverbände, Arbeitgeberverbände, Gewerkschaften, Automobilclubs, Kirchen und Sportvereine. Das erschreckende Ergebnis: 60 Prozent der Befragten hatten schon einmal Austrittsgedanken, darunter auch Mitglieder, die mit den Leistungen des Verbandes per se zufrieden sind. Vor diesem Hintergrund hat forum! Marktforschung das herkömmliche Modell der Beziehungsanalyse, welches nur auf der Säule der Mitgliederzufriedenheit aufbaut, weiterentwickelt und um emotionale Faktoren der Mitgliederbindung wie Weiterempfehlungsbereitschaft, Vertrauen und dauerhafte Mitgliederbindung erweitert. Nach diesem Schema lassen sich Mitglieder nun in eine Typologie übertragen, über die Mitgliederverhalten zuverlässig vorausgesagt werden kann. Fans sind die wertvollsten Werbebotschafter des Verbandes Die attraktivste Mitgliedergruppe für Verbände sind „Fans“, die gleichzeitig hochzufrieden und sehr emotional gebunden sind. Sie gestalten Prozesse aktiv mit, engagieren sich häufiger ehrenamtlich und sind bereit, höhere Mitgliedsbei- Der ADAC im Aufwind. Trotz schlechter Presse hat der Verein reichlich Zulauf. 600.000 Vereine existieren in Deutschland. Größter Verein des Landes ist der ADAC mit etwa 18 Millionen Mitgliedern. träge zu zahlen. Jeder zweite Fan gibt an, seinem Verband selbst dann treu zu bleiben, wenn hohe Repräsentanten der Organisation wegen Fehlverhalten massiv in der öffentlichen Kritik stehen würden. Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal, das den enormen Wert der Fans unterstreicht, ist ihre hohe Weiterempfehlungsbereitschaft. Auf diese Weise fungieren sie quasi als unbezahlte Werbebotschafter und Promotoren im Rahmen einer effektiven Neumitgliedergewinnung und ermöglichen es dem Verband, als Interessenvertretung zu wachsen und dadurch mehr politisches Gewicht zu bekommen. „Gerade vor dem Hintergrund dieses positiven Effekts sind Investitionen in die emotionale Bindung der Bestandsmitglieder deutlich effektiver als kostspielige und wenig Erfolg versprechende Werbekampagnen, die in der Verbandswelt leider häufiger vorzufinden sind“, führt Stefan Eser, Bereichsleiter Mitgliederforschung bei forum! Marktforschung und wissenschaftlicher Leiter der neuen Benchmarkstudie, aus. Dem Idealtypus „Fan“ und den Sympathisanten, die in der Studie 36 Prozent Mitgliederanteil ausmachen, und auf etwas niedrigerem Niveau als die Fans zufrieden und gebunden sind, stehen die sehr unzufriedenen und ungebundenen „Terroristen“ gegenüber, zu denen in der Studie insgesamt 13 Pro- Foto: ADAC P.T. MAGAZIN 5/2014
P.T. MAGAZIN 5/2014 zent der Mitglieder gehören. Mit dieser provokativen Bezeichnung wolle man diese Mitglieder keinesfalls diskreditieren, stellt Eser klar. Es handele sich vielmehr um einen Hinweis auf den erheblichen Imageschaden, den diese Gruppe anrichten kann: 41 Prozent der in der Studie identifizierten „Terroristen“ haben schon mindestens einmal jemandem aktiv von einer Organisation abgeraten. ADAC meistert Krise dank guter Fanquote Die Studie belegt deutlich, dass insbesondere die Verbände gut abschneiden, die sich für das „Schöne“ und „Positive“ einsetzen. So verfügen die Umwelt- und Naturschutzorganisationen wie Greenpeace, NABU oder WWF und auch die ideellen bzw. gesellschaftspolitischen Vereinigungen wie amnesty international oder die Welthungerhilfe mit 44 bzw. 35 Prozent Fans insgesamt über sehr stabile Mitgliederbeziehungen. Auch Sportvereine und Automobil- und Verkehrsclubs wie der ADAC sind mit 41 bzw. 45 Prozent Fan-Anteil gut aufgestellt und punkten vor allem mit ihrem Service- und Dienstleistungsangebot. „Nur so lässt es sich auch erklären, warum der ADAC Medienberichten zufolge aufgrund der jüngsten Krise netto nur ca. „Die Pflichtmitgliedschaft per Gesetz steigert bereits deutlich die Erwartungshaltung und führt natürlich dazu, dass gegebenenfalls sogar gute Leistungen schlicht kritischer bewertet werden“ 15.000 Mitglieder verloren hat. Denn auf ca. 385.000 Menschen, die dem ADAC in der ersten Hälfte des Jahres den Rücken gekehrt haben, kamen im gleichen Zeitraum ca. 370.000 Menschen, die den Weg zum ADAC als Neumitglied gefun- „Echte Liebe“ – die „gelbe Wand“ in Dortmund ist ein Sinnbild für Vereinstreue und Fan-Leidenschaft. den haben“, so Eser. „Dadurch ist der erste Netto-Mitgliederverlust seit 15 Jahren für den ADAC zwar schmerzlich, aber nicht existenzbedrohend.“ Kirchen und Kammern haben kaum Fans Viele Verbände scheinen den Dienstleistungscharakter allerdings immer noch zu vernachlässigen. Ein schlechtes Zeugnis stellen die Mitglieder den Verbänden dabei insbesondere bezüglich ihrer Kernkompetenz, der Interessenvertretung, aus: Fast die Hälfte der Mitglieder fühlt sich nicht genug in Entscheidungsprozesse involviert, 4 von 10 Befragten bemängeln die interne Kommunikation. Auch bei der Beschwerdebearbeitung lassen Organisationen stark zu wünschen übrig: Gerade einmal 44 von 100 Punkten vergeben die Beschwerdeführer im Verbandsschnitt bei der Zufriedenheit mit der Beschwerdebearbeitung. Am schlechtesten schnitten in der Studie die Organisationen ab, bei denen man qua Geburt beziehungsweise durch gesetzlichen Auftrag Mitglied ist. Sie schaffen es laut Mitgliederurteil nicht, ihre Existenz durch Leistung zu legitimieren. Dies ist der Grund dafür, dass die Kirche und die Kammern mit Pflichtmitgliedschaften, wie die Industrie- und Handelskammern und die Handwerkskammern, nicht einmal zweistellige Werte beim Fan-Anteil erreichen. „Die Pflichtmitgliedschaft per Gesetz steigert bereits deutlich die Erwartungshaltung und führt natürlich dazu, dass gegebenenfalls sogar gute Leistungen schlicht kritischer bewertet werden“, kommentiert Eser diese verheerenden Ergebnisse. ■ Info Foto: © Christopher Neundorf/ Wikimedia Commons n forum! Marktforschung wurde 1996 als inhabergeführtes Marktforschungsund Beratungsunternehmen mit Sitz in Mainz gegründet. forum! Marktforschung ist spezialisiert auf die Analyse und Optimierung des Beziehungsmanagements. Typische Studien sind Mitglieder-, Kunden- und Mitarbeiterbefragungen, Markenstudien und Zielgruppenanalysen. Weitere Informationen rund um die Studie finden Sie unter www.forum-mainz.de/erfolgswissen/ fanfocus-deutschland-verbaende
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