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P.T. MAGAZIN 05/2013

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Magazin für Wirtschaft und Gesellschaft. Offizielles Informationsmagazin des Wettbewerbs "Großer Preis des Mittelstandes" der Oskar-Patzelt-Stiftung

German Mittelstand Was

German Mittelstand Was Reichsten-Listen von Erfolgreichsten-Listen unterscheidet (Foto: www.vorbildsein.de) (Foto: Wikimedia/CC-2.0/Financial Times) (Foto: Gemeinfrei) (Foto:Wikimedia/CC-2.0/Mark Scott Johnson) Wirtschaft Er ist DER „Mr. Mittelstand“: Reinhold Würth, mit 14 Jahren Lehrling im 2-Mann-Betrieb seines Vaters, den er zu einem internationalen Unternehmen mit 65.000 Mitarbeitern ausbaute. US-Milliardär Stephen Rattner während einer Financial-Times- Konferenz. Der Vermögensverwalter berät den US-Finanzminister und sagt: „Wir müssen uns Deutschland zum Vorbild nehmen.“ Noch vor 30 Jahren war die chinesische 12-Millionen-Metropole Shenzhen nur halb so groß wie das oberbayerische Rosenheim. In dieser Zeit hat sich die Einwohnerzahl vervierhundertfacht. Als Che Guevara 1963 die reine Planwirtschaft als Industrieminister umsetzen durfte, wurde auf der Zuckerinsel prompt der Zucker knapp. „Heilig“ gesprochen wurde er dennoch. Es geschah zwar im vorigen Jahrhundert, aber das ist erst 15 Jahre her. Die rasante amerikanische Verwandlung von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft faszinierte damals die ganze Welt. Keiner wollte zurückstehen. Alle glaubten an eine nahe Zukunft mit einem Minimum an industriellen Arbeitsplätzen. Niemanden störte, dass in den USA seit den 80er Jahren jährlich – noch mal langsam: j ä h r l i c h - 200.000 produzierende Arbeitsplätze verloren gingen. Stattdessen boomten das Geldgewerbe und andere Dienstleistungen. Wertschöpfung war nur ein Begriff aus dem Lexikon. Wertschöpfung wurde virtuell. Finanzdienstleistungen bewirkten zeitweilig mehr als 40 Prozent der Gewinne der gesamten US-Wirtschaft. Erst mit der Lehman-Pleite 2008 platzte diese Blase. Damals galt Deutschland als „kranker Mann Europas“. Deutschlands Wirtschaft und Politik waren international „Auslaufmodelle“. Das hat sich radikal geändert. Die Deutsche Angela Merkel stieg vom ursprünglich unscheinbaren „Mädchen“ des Helmut Kohl zur „Frau des Jahrhunderts“ auf. Dieses Deutschland gibt Rätsel auf. Wie konnte es dieser Staat schaffen, als nahezu einziges Land die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise fast ohne Blessuren zu überstehen? Prophet im eigenen Land Bereits die Bibel spricht davon, dass der Prophet im eigenen Lande wenig gilt. Hierzulande gilt das für den unternehmerischen Mittelstand. Er steht nicht im Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit. Die Titelseiten der Mainstream-Medien berichten über alles Mögliche. Der unternehmerische Mittelstand gehört nicht dazu, obwohl die allermeisten Unternehmen in Deutschland mittelständisch sind und dort die meisten Arbeits- und Ausbildungsplätze geschaffen werden. „Mittelstand!“ winkte der Wirtschaftsredakteur einer großen Tageszeitung ab, „ich bitte Sie! Alles was unter DAX 30 ist, kann ich meiner Redaktionsleitung nicht verkaufen!“ Das ist nicht nur schade. Das ist jammerschade. Es gibt kein DAX-Unternehmen, dass nicht Wurzeln im Mittelstand hätte. Dort, im Kleinen, wächst der Kern des Großen. In den 80er Jahren blieb Helmut Kohl in Westdeutschland bei der Herbeiführung einer Wende ebenso erfolglos wie Erich Honecker bei der Verhinderung der Wende in Ostdeutschland. Der Mauerfall lastete auf einen Schlag die Kapazitätsreserven der westdeutschen Industrie in Höhe von 20 bis 25 Prozent vollständig aus. Die ostdeutsche Konkurrenz war weitgehend chancenlos und nach der Währungsreform endgültig dem Untergang geweiht. Den politischen Lohn dieser Sonderkonjunktur erntete Helmut Kohl. Zweimal wurde er in West wie Ost wiedergewählt. „Wir müssen uns Deutschland zum Vorbild nehmen.“ In West wie Ost ist damals wie heute der Mittelstand gut für Sonntagsreden und für Wahlkampfauftritte der lokalen Landtags- und Bundestagsabgeordneten. Im Fokus der öffentlichen Betrachtung steht er nicht. Dabei werden praktisch alle wirklich neuen Arbeitsplätze im Mittelstand geschaffen. Der „German Mittelstand“ ist in den englischen Sprachgebrauch aufgenommen worden und wird sogar von den Amerikanern bewundert. Vor wenigen Jahren faszinierte die rasante amerikanische Verwandlung von der Industrie- zur Dienstleistungsgesellschaft die ganze Welt. Alle wollten das nachmachen. Alle glaubten an eine nahe Zukunft mit einem Minimum an industriellen Arbeitsplätzen. Niemanden störte in den USA, dass seit den 80er Jahren jährlich 200.000 produzierende Arbeitsplätze verloren gingen. In 2012 sprach Thomas Schulz für den Spiegel mit dem US-amerikanischen Vermögensverwalter Steven Rattner. Dem vertraut sogar New Yorks Bürgermeister Michael Bloomberg seine eigenen Milliarden an. Bill Clinton ließ sich von ihm beraten. Im Kabinett von Barack Obama sollte er eigentlich selbst Minister werden, berät aber nun den amerikanischen Finanzminister Timothy Geithner. Und was sagt der Amerikaner Rattner dem deutschen SPIEGEL? „Wir müssen uns Deutschland zum Vorbild nehmen.“ Mehr „echte“ Ingenieure Natürlich meint der Milliardär Rattner staatspolitische Aktivitäten wie Kurzarbeit, duale Facharbeiterausbildung, Industriepolitik, Agenda 2010. Für Rattner steht fest, dass speziell diese Wirtschaftsund Sozialreform unter Gerhard Schröder dafür gesorgt hat, dass in Deutschland „eine entwickelte Wirtschaft auch in einer Welt neuer Giganten wie China und Indien wettbewerbsfähig bleiben kann“. „Amerika wird einen ähnlichen Prozess durchlaufen müssen wie Deutschland“ zitiert Schulz den Wirtschafts- Nobelpreisträger Michael Spence. Selbst Jeffrey Immelt, der Chef von General Electric, ist voll Demut: „Wir müssen mehr wie Deutschland werden“. Auch Obama-Berater Paul Volcker wünschte sich statt Finanzingenieuren mehr „echte“ Ingenieure, beispielsweise im Maschinenbau. „Warum ist das in Ihrem Land möglich und nicht bei uns?“ fragte er. Steven Rattner favorisiert daher den deutschen unternehmerischen Mittelstand: „Es sind Unternehmen, die familiengeführt sind, einen langen Zeithorizont haben, nicht auf den nächsten Quartalsprofit schauen müssen und sich so Wettbewerbsvorteile erarbeiten“. Linke Berufsskeptiker Das mag jeden überzeugen, aber nicht den deutschen Berufsskeptiker vom linken Meinungsmacher SPIEGEL. Der bleibt skeptisch: „Beruht das deutsche Wunder nicht zu guten Teilen auf dem Glück, genau das zu produzieren, was die aufstrebenden asiatischen Nationen besonders gern haben wollen, wie es manche Kritiker sehen? Hinter dem deutschen Modell steckt ja nicht wirklich ein Masterplan, sondern auch eine gehörige Portion Zufall.“ Nein, Herr Schulz. Es ist eben kein Zufall! Es scheint nur aus Ihrer Perspek 28 P.T. MAGAZIN 5/2013 5/2013 P.T. MAGAZIN 29

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