Gesellschaft Gesellschaft Rettet Europa vor der EU! Warum jetzt die wahren Europäer gefordert sind Es ist noch nicht lange her, da konnten Politiker in Europa ihre Völker mit wenig propagandistischem Aufwand aufeinanderhetzen und die entsetzlichsten Kriege auslösen. Meinen Großvater, einen friedfertigen Kaufmann, zwangen sie, mit dem Bajonett nach Frankreich zu ziehen, und meinen Vater, einen sanftmütigen Schöngeist, mit der Infanterie nach Russland. Große Teile meiner engsten Familie habe ich nie persönlich kennengelernt, weil der Krieg und seine Folgen sie hinwegrafften, weil sie starben, mitten in Europa, noch bevor ich geboren wurde. Der Geist von Europa Kluge und besonnene Menschen haben nach dem Toben vieler Kriege in Europa vor nur wenigen Jahrzehnten beschlossen, endlich kooperativ miteinander umzugehen. Die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts hat uns diese Perspektive tatsächlich eröffnet. Meine Generation ist in dem Geist eines friedlichen und offenen Europa geboren und groß geworden. Die Strände von Holland und Belgien wurden uns auf Reisen ebenso vertraut wie die von Spanien und Portugal. Wir spazierten an österreichischen Seen und durch italienische Berge. Als Schüler besuchten wir Schulen in vielen Nachbarländern, als Jugendliche zogen wir durch Paris und Athen. Heute sprechen wir mehrere Sprachen unseres Kontinents und besuchen alte Freunde, die in den unterschiedlichsten Ländern leben und arbeiten. Europa ist uns eine Heimat geworden, größer zwar als das eigene Land, aber deswegen nicht unvertrauter. Friedliches Miteinander ist Realität Wie absurd wäre es, heute einem Deutschen ein Gewehr in die Hand zu drücken und ihm zu erklären, er müsse einen Erbfeind in Verdun erschießen! Solche zwei Männer stünden sich auf einem Schlachtfeld nicht, wie ehedem, unausgebildet sprachlos als Fremde gegenüber. Sie wären weithin in der Lage, in der einen oder anderen Sprache miteinander zu reden. Sie würden dabei bald feststellen, dass sie beide über das gleiche Mobiltelefon oder den gleichen MP3-Player verfügen. Sie würden feststellen, dass sie dieselbe Musik hören, das gleiche Auto fahren, Hemden und Hosen von derselben Marke tragen und beide am Wochenende das gleiche trinken und rauchen. Ein Europa in friedlichem Miteinander ist keine Vision mehr, kein ferner Zukunftstraum und keine blasse Perspektive. Ein solches Europa ist gegenwärtige Realität. Wer Europa wirklich gestaltet hat So großartig und positiv all dies ist, so bitter ist aber auch der Blick auf die (Foto: Gerd Altmann/AllSilhouettes.com/pixelio.de) andere Realität, dass nämlich genau dieser Zustand von einigen Menschen derzeit in erhebliche Gefahr gebracht wird. Für gewöhnlich heißt es, Europa erlebe eine lange Phase des Friedens und der ausbleibenden nationalen Konflikte deswegen, weil Politik dies klug herbeigeführt habe. Richtiger ist aber wohl, dass Politik dieser Entwicklung allenfalls nicht allzu hemmend entgegengestanden hat. Denn der wahre Klebstoff für internationale Beziehungen sind nicht politischadministrative Verflechtungen, selbst wenn das dazu tätige Personal sich ersichtlich alle Mühe gibt, in möglichst großer Mannstärke und mit möglichst großem Aufwand entsprechende Aktivitäten vorzuschützen. Das wahre Bindeglied zwischen Ländern und Völkern sind die ungezählten und unzählbaren persönlichen Kontakte und Vertrauensverhältnisse quer über den Kontinent. Diese Menschen haben jene Welt konkret gestaltet, nicht ihre Politiker. Und weil sie emsig miteinander kooperieren, schaffen sie denjenigen Wohlstand, der es überflüssig macht, hungrig und aggressiv über einen vielleicht satteren Nachbarn herzufallen. Im Zentrum der Gefahr Ingenieurskunst, Fleiß und Handel haben diejenigen Ressourcen geschaffen, auf denen die Friedfertigkeit des Kontinents beruht. Und maßgeblich die Technik hat möglich gemacht, Menschen und Kulturen medial oder gar persönlich so aneinander zu führen, dass sie einander nicht fremd geblieben sind. Diese im besten Sinne internationale und multikulturelle Leis tung wird nun allerdings wiederum durch politische Tat gefährdet. Im Zentrum der Gefahr steht das unglückliche Projekt einer Einheitswährung für die Staaten der EU. Weil manche Altväter der europäischen Einigung sich offenbar tief in ihrem Herzen nicht vorstellen konnten, dass die Menschen einer kommenden Generation ein wirkliches Interesse an aggressionslosem Mit- einander haben würden, zwangen sie dem europäischen Embryo eine Zwangseinheitswährung auf. Ihrem Weltbild lag die Perspektive zu nahe, ein wirtschaftlich starkes Deutschland inmitten des Kontinents könne andere, wirtschaftlich schwächere Regionen dereinst wieder unterjochen wollen. Doch dieses als Schutz der Gemeinsamkeit gedachte Instrument wendet sich jetzt, unmittelbar vor unseren Augen, zu ihrer schwächsten Stelle. Todgeweihter Euro grüßt seine Schöpfer Die Warnungen weitsichtiger Experten, dass der Euro miteinander verbinde, was nicht zusammenpasst, waren politisch in den Wind geschlagen worden. Nun rächt sich die Tat und scheitert an Realität und Mathematik. Der todgeweihte Euro grüßt seine Schöpfer. Doch die politische Klasse hält nach wie vor unbeirrt an der Währungsleiche fest. Zu groß ist offenbar die Verlockung, mit immer neuen Rettungspaketen Zeit zu erkaufen, damit sich während der Verzögerung doch noch wundersame Lösungen ergäben. Wie aber der Friede in Europa auf Dauer sichergestellt bleiben soll, wenn namentlich schwächere Länder finanz- und währungspolitisch in den Schraubstock gedreht werden, bleibt völlig unklar. Die Wahl zwischen radikalen Leistungskürzungen einerseits und zentralstaatlicher Haushaltsfernsteuerung andererseits ist augenscheinlich keine, die den kooperativen Gemeinschaftsgeist in ärmeren Ländern stärkt. „Gib-mir-Geld-ich-kauf-Dir-was!“ Über die intellektuelle Qualität der Euro-Rettungs-Rhetorik lässt sich folgerichtig nur noch staunen. Die populäre nationalökonomische Masturbationstheorie (Griechenland brauche deutsches Geld, um deutsche Produkte zu kaufen, was wiederum dem deutschen Arbeitsmarkt diene) kommt über das flache Niveau eines „Gib-mir- Geld-ich-kauf-Dir-was!“ greifbar nicht Sorgte mit seinen Vorschlägen zur griechischen Schuldenproblematik für Kopfschütteln: Jorgo Chatzimarkakis, energiepolitischer Sprecher der FDP im Europa-Parlament hinaus. Henrik Enderlein von der Hertie School of Governance erklärte dem Fernsehsender BR3 anlässlich der „Münchner Runde“ sogar, ohne feste Wechselkurse seien Exportgeschäfte unmöglich (!), und Alexander Graf Lambsdorff meinte gegenüber dem Sender Phoenix am Rande des Rostocker Parteitages im Mai 2011, angesichts eines Bruttoinlandsproduktes von „mehreren tausend Milliarden“ fielen derartige Rettungsschirme für Deutschland im Grunde gar nicht ins Gewicht. Griechenland Weltmarktführer für Sonnenenergie? Einen vorläufigen Höhepunkt der Kopfschüttel-Debatte lieferte vor einigen Wochen der EU-Parlamentarier Jorgo Chatzimarkakis bei einem Vortrag in Duisburg: Er will Griechenland Über den Autor ■ Carlos A. Gebauer (geb. 1964) studierte Philosophie, Geschichte, Sprach-, Rechts- und Musikwissenschaften. ■ Seit 1994 ist er als Rechtsanwalt tätig, publiziert seit 1995. ■ Von 2002 bis zur Absetzung der Sendung 2008 wirkte er für RTL in mehreren hundert Folgen als TV-Verteidiger in der Gerichtssendung „Das Strafgericht“ mit. ■ Seit 2009 ist er Mitglied im wissenschaftlichen Beirat des Ärztemagazins „DER KASSENARZT“. (Foto: FDP) gegen dessen Überschuldung gezielt weitere 20 Mrd. Euro zur Verfügung stellen, damit alle 3,7 Millionen Einwohner im Großraum Athen von gewöhnlichen Pkw auf Elektrofahrzeuge umsteigen können. Diese sollen dann mit Strom von Sonnenkollektoren auf griechischen Inseln betrieben werden. Das werde Griechenland kurzfristig zum Weltmarktführer für Sonnenenergie machen, weswegen das Land dann alle erdenklichen Kredite effektiv zurückzahlen könne. Die großartige Idee Europas hat nicht verdient, auf diesem Niveau wieder demontiert zu werden. Wir müssen unser europäisches Zuhause gegen solcherlei Einfalt verteidigen, damit weiter Friede herrscht. ■ Carlos A. Gebauer – Dieser Artikel erschien ungekürzt zuerst im Magazin „eigentümlich frei“, Ausgabe 113 – 6 P.T. MAGAZIN 4/2011 4/2011 P.T. MAGAZIN 7
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