Schlafender Riese Mittelstand Man kann Politik beeinflussen, ohne sich in das Korsett einer Parteimitgliedschaft zu zwängen PT-MAGAZIN 3/2017 Gesellschaft 14 Es gibt Hunderte von Branchenverbänden, von kleinen wie der Arbeitsgemeinschaft Naturgemäße Waldwirtschaft bis zu den ganz großen wie der BDA, der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände. Sie vertreten vor allem die Interessen ihres Geschäftszweigs, im Falle der BDA auch darüber hinaus ordnungspolitische Positionen. Der Mittelstand ist nur schwach vertreten. Mittelstandspositionen wahren die Wirtschaftsjunioren Deutschland, Die Familienunternehmer, der Deutsche Mittelstands-Bund, der Bundesverband mittelständische Wirtschaft, der Bund der Selbstständigen und die Offensive Mittelstand. Diese Zersplitterung verhindert, dass der Mittelstand als eine Stimme wahrgenommen wird. Prägend für den Mittelstand ist die Unternehmerpersönlichkeit. Unternehmer sind lernende Praktiker und Individualisten, die sich von anderen unterscheiden. Dieser Unterschied macht den Unternehmer aus. Naheliegend, dass sich solche Menschen nur schwer organisieren und in Verbandsstrukturen einbinden lassen. Damit verliert die Gesellschaft insgesamt erhebliches Potential: Legt man eine Mittelstandsdefinition von bis zu 25 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von bis zu 2 Millionen Euro zugrunde, sind das rund 95 Prozent aller Unternehmen. Genauso verhält es sich mit dem politischen Engagement von Unternehmern. Im gegenwärtigen Bundestag sind von 630 Abgeordneten nur 35 Unternehmer, also 7,5 Prozent. Und dies in einem Land, in dem der Mittelstand die gesellschaftliche Basis bildet. Dem nationalen Parlament gehen so die Erfahrung und das Wissen von Unternehmern verloren. Stark vertreten sind Berufe wie öffentlicher Dienst sowie Anwälte und Notare. Warum gibt es so wenig Unternehmer in der Politik? Vielleicht, weil Unternehmer berufsbedingt ergebnisorientiert denken. © ra2studio - fotolia Das Ringen um den Kompromiss führt in politischen Gremien oft zu endlosen Debatten, denen der Unternehmer verständnislos gegenübersteht. Immer wieder beginnen Redebeiträge mit der Bemerkung „wie mein Vorredner bereits ausgeführt hat“. Dem Unternehmer fehlt häufig auch die Zeit, sich auf Sitzungen gründlich vorzubereiten; da sind andere Berufsgruppen wie zum Beispiel Beamte im Vorteil. Wer politisch engagiert ist, kommt an den Parteien nicht vorbei. Die Einbindung in Parteistrukturen widerstrebt dem typischen Unternehmer. Damit verbunden ist auch die Frage nach der Übernahme eines politischen Mandats, egal auf welcher Ebene. Bereits in der Stadtverordnetenversammlung einer Mittelstadt führt die Arbeitsbelastung dann dazu, dass für den eigentlichen Beruf Unternehmer nur noch wenig Zeit bleibt. Im Bundestag ist ein Abgeordnetenmandat ein Vollzeitjob. Dies können nur wenige Unternehmer leisten. Mittelständische Betriebe mit einer Handvoll Beschäftigten können auf den Chef nicht verzichten. So gehen mittelständisches Know-how und Engagement bezogen auf den Erhalt der Sozialen Marktwirtschaft den Parteien verloren. Der Unternehmer selbst macht eine einfache Kosten/Nutzen-Rechnung auf: Was verliert er an Einkommen, wenn er seinen Betrieb durch die Übernahme eines politischen Mandats vernachlässigt? In den 1980er Jahren haben einige Mitglieder der Wirtschaftsjunioren die Grassauer Kreis Stiftung (GKS) gegründet. Diese sollte Unternehmer und Führungskräfte der Wirtschaft zu politischem Engagement motivieren. Es gab auch erste Ansätze zur Finanzierung von potentiellen Mandatsträgern aus dem Unternehmerlager, etwa durch Übernahme des Gehalts eines Geschäftsführers. Die Stiftung blieb erfolglos. Typische Unternehmer lassen sich nicht durch angestellte Manager ersetzen, so das Selbstverständnis.
Wenn es so schwierig ist, Unternehmer für die Politik zu gewinnen, welche Wege gibt dann? Es gilt, mittelständisches Denken den Parlamentariern zu vermitteln, um die Wirtschaftspolitik nicht nur den Konzernen zu überlassen. Es gilt auch, das gesellschafts- und wirtschaftspolitische Leitbild der Sozialen Marktwirtschaft zu erhalten. Basis ist eine Wettbewerbswirtschaft, die dem Einzelnen Raum für die freie Entfaltung einräumt. Dies unter dem Aspekt des sozialen Ausgleichs. Die Soziale Marktwirtschaft hat Deutschland für Jahrzehnte Wohlstand und sozialen Frieden beschert. Soziale Marktwirtschaft bedeutet nicht freie Marktwirtschaft, sie ist durch eine konsequente staatliche Ordnungspolitik auf die Wahrung des Wettbewerbs verpflichtet. Der Staat hat Eingriffsmöglichkeiten in die Wirtschaft, wenn dies im allgemeinen Interesse für notwendig erachtet wird, etwa durch sozialpolitische, konjunkturpolitische oder arbeitsmarktpolitische Maßnahmen. Unternehmer können ihre Erfahrungen in die Parteien einbringen, ohne ein politisches Mandat zu übernehmen oder Parteimitglied zu sein. Die Parteien unterhalten Sonderorganisationen in Form von Vereinigungen oder Arbeitsgemeinschaften, die sich mit spezifischen Themen, zum Beispiel Wirtschaft, befassen und auch Nichtmitgliedern der Parteien offenstehen. Es gibt die Mittelstandsvereinigung der CDU/CSU, die Arbeitsgemeinschaft der Selbstständigen in der SPD, den Arbeitskreis Wirtschaft & Soziales der GRÜNEN, den Arbeitskreis Wirtschaft und Soziales der FDP. In manchen Parteien, etwa in der FDP, sind diese Arbeitskreise regional organisiert. Dies macht eine Teilnahme für interessierte Unternehmer leichter. Der FDP-Arbeitskreis für Wirtschaftsfragen Halle schreibt dazu auf seiner Website: „Der AK Wirtschaft versteht sich als Ausschuss zur Unterstützung der liberalen Stadträte, achtete jedoch auf vollständige Unabhängigkeit nach allen Seiten. Er sieht sich als Bindeglied zwischen den parlamentarischen Entscheidungsträgern und der Basis im Kreisverband, aber auch der Allgemeinbevölkerung. Somit gewinnt jeder die Möglichkeit sich in den politischen Entscheidungsprozess einzubringen, auch ohne ein politisches Mandat oder ein Parteibuch zu haben.“ Es gibt auch das Instrument des sachverständigen Bürgers. Die Berufung als sachverständiger Bürger erfolgt auf kommunaler Ebene. Voraussetzung ist eine hinreichende Sachkunde. Bezogen auf das Thema Wirtschaft dürfte diese bei den meisten Unternehmern vorliegen. Sachverständige Bürger sind beratend tätig. Auch auf diesem Weg kann Realpolitik mitgestaltet werden. Es gibt also Wege Politik zu beeinflussen, ohne sich in das Korsett einer Parteimitgliedschaft zu zwängen. Politik an der Stelle zu beeinflussen, an der die konkrete Umsetzung in Realpolitik erfolgt: bei den politischen Parteien. Unternehmer sollten sich politisch engagieren, nicht unbedingt parteipolitisch. Sie sollten sich bewusst sein, dass sie mit ihrer Führungserfahrung und ihrem Wissen über wirtschaftliche Zusammenhänge einen wertvollen gesamtgesellschaftlichen Beitrag leisten können. Auf diese Beiträge ist die Gesellschaft angewiesen. Mittelstandsverbände sind auch unverzichtbar. Sie ersetzen jedoch nicht die Wirkung einzelner Unternehmerpersönlichkeiten. Außerdem gibt es nicht den allumfassenden Mittelstandsverband, der für den gesamten Mittelstand spricht. Dazu wäre ein Verband etwa mit der Struktur des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) notwendig. Nur dann könnte flächendeckend Lobbyarbeit für den Mittelstand betrieben werden. Ein solcher Verband ist jedoch nicht in Sicht… So bleibt es dabei: Der Mittelstand ist ein schlafender Riese. ó Über den Autor Prof. Karl-Heinz Schumacher ist seit 45 Jahren Unternehmer, war IHK-Vizepräsident der IHK Wiesbaden, Bundesvorsitzender der Wirtschaftsjunioren Deutschland und Initiator der Wiesbadener Wirtschaftsgespräche. Er lebt mit seiner Frau in Deutschland und Tschechien. Ihr Spezialist für die Automatisierungstechnik Softwarekomponenten Fernwartungslösungen Kommunikationsadapter Barbara Hönle Rainer Hönle Petra Hönle COO CEO CFO FINALIST 2016 Großer Preis des MITTELSTANDES DELTA LOGIC Automatisierungstechnik GmbH Stuttgarter Straße 3 73525 Schwäbisch Gmünd Tel.: +49 7171 916-120 Mail: sales@deltalogic.de www.deltalogic.de
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