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PT-Magazin_03_2016_Komplett

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Magazin für Wirtschaft und Gesellschaft. Offizielles Informationsmagazin des Wettbewerbs "Großer Preis des Mittelstandes" der Oskar-Patzelt-Stiftung

Deutscher Mittelstand im

Deutscher Mittelstand im Aufbruch für den russischen Markt Gesellschaft PT-MAGAZIN 3/2016 Wie gestaltet sich eine Zusammenarbeit? Dr. Sergey Nikitin, Leiter der Repräsentanz der Handels- und Industriekammer Russlands in Deutschland gibt Antwort. 14 Die eng verflochtenen Wirtschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und Russland verdanken ihre Beständigkeit den Synergien aus dem privatwirtschaftlichen und institutionellen Engagement vergangener Jahrzehnte. In Zeiten politischer Herausforderungen besteht eine besondere Verantwortung gegenüber Hunderten von Unternehmen, die zum Wohlstand von Regionen, Kommunen und Haushalten beider Länder beitragen. Der bewusste Umgang mit der bilateralen Kooperationsbilanz sowie die zukunftsorientierte Weiterentwicklung von horizontalen Unternehmensverbindungen im Herzen Europas gehören aktuell zu den wichtigsten Aufgaben der russischen Handels- und Industriekammer (HIK RF) Das PT Magazin führte ein Gespräch mit Dr. Sergey Nikitin im Büro der HIK in Berlin. Garth: Sie schwärmten von der russischen Moderne, zitierten Habermas, Umberto Eco und Niklas Luhmann. Wie sieht ein Philosoph, der früher den Fachbereich Soziologie an der Lomonossow-Universität Moskau geleitet hat, die „Liebe zur Weisheit“ in den deutsch-russischen Beziehungen? Nikitin: Liebe zur Weisheit bedeutet Erkenntnis. Die moderne Soziologie verwendet den Begriff „blinder Fleck“: Der Beobachter kann nur sehen, was er in seiner Unterscheidung sehen kann. Die Beobachter gewinnen Realitätskontakt dadurch, dass sie Beobachter beobachten, und zwar kommunikativ und nicht psychologisch. Diese Beobachtungen zweiter Ordnung sind von grundlegender Bedeutung für die wissenschaftliche Forschung. Aus der Sicht der Wissenschaft können andere Funktionssysteme nicht bestimmen, was wahr und unwahr ist. Die Funktion der Wissenschaft besteht in der möglichen Reorganisation des Möglichen und nicht in einer verdoppelnden Abbildung des Vorhandenen. Diese Erkenntnisse sind auch auf andere Kommunikationsprozesse übertragbar. Realitätsvorstellungen hängen bekanntlich mit der Geschichte und Besonderheiten des Bewusstseins der Völker zusammen. Manche Vorstellungen sind von den falschen Prämissen oder Klischees belastet, die wiederum ein Spiegelbild von Stereotypen und Handlungen oder Untätigkeit anderer darstellen. Auch Brüsseler Beamte dürfen diese kausalen Zusammenhänge nicht vergessen, wenn sie andere aufrufen, sich von den Illusionen zu trennen und in «die reale Welt» zurückzukehren. Garth: Wie verbindet sich dies mit wirtschaftlichen Fragen? Wie und wann hat Ihr beruflicher Werdegang Sie nach Berlin geführt? Nikitin: Im Jahre 1994 hat mich die HIK gebeten, bei dem Aufbau der Ausbildung von Managern für die junge russische Marktwirtschaft zu helfen. Die Idee – damals von Präsident Jelzin an die HIK delegiert – war es, rund 5.000 Manager auszubilden. Für den Zweck habe ich ein altes Messegebäude in Leipzig, das der HIK gehörte, zur Verfügung gestellt bekommen. Die Aufgabe, Manager auszubilden, fand mein großes Interesse und das alte Gebäude zu nutzen, nachdem ich dieses näher geprüft hatte, führte zu einer neuen Situation. Mein Vorschlag war, das Gebäude zu verkaufen und den Kontakt mit schon tätigen deutschen Bildungseinrichtungen auszubauen. Daraufhin wurde mir angeraten, die Repräsentanz der HIK in Berlin zu übernehmen. Das war ein guter Anfang. Garth: Und zur gleichen Zeit sind Sie von der Regierung Russlands zum Abteilungsgeneralkommissar der EXPO 2000 in Hannover berufen worden. Exzellent. Mich interessiert vor allem: Was genau macht die HIK? Sind das Auskünfte zu bestimmten Branchen in Russland?

Quelle: HIK Russlands „Die wirtschaftliche Entwicklung in asiatischen Ländern ist dynamischer als in Europa. Die Verwaltungssysteme dieser Länder nehmen beim Treffen von Entscheidungen weniger Zeit in Anspruch. “ Gesellschaft PT-MAGAZIN 3/2016 15 Symbol der guten Zusammenarbeit zwischen Russland und Deutschland „Die HIK ist die älteste und größte Unternehmervereinigung Russlands mit einer glänzenden Geschichte aus dem XIX. Jahrhundert. “ Nikitin: Russische HIK´s ähneln den deutschen IHK´s. Die Wortfolge hat nichts mit Prioritäten, sondern mit der Etymologie und dem Klang der Sprache zu tun. Die HIK ist die älteste und größte Unternehmervereinigung Russlands mit einer glänzenden Geschichte aus dem XIX Jahrhundert. Als nichtstaatlicher KMU-fokussierter Verein stützen wir uns auf ein Netzwerk mannigfaltiger Mitgliedsunternehmen, 180 Regionalvertretungen, 350 Partner- und Tochterorganisationen – darunter «World Trade Center Moscow», «Expocentr», «Soyuzexpertiza» und «Sojuzpatent» – und kooperieren mit mehr als 700 Unternehmensverbänden von Kaliningrad bis Wladiwostok. Der Kontakt-Pool der HIK ermöglicht deutschen Firmen eine direkte Geschäftsanbahnung in nahezu allen Branchen und Regionen. Zu unserem Dienstleistungsportfolio für ihr Geschäft mit und in Russland gehören die Organisation und die Durchführung von Unternehmerreisen, Beratung rund um das Urheberrecht, Risikoabschätzung und die Zertifizierung sowie die Begutachtung und die Expertise von Waren und Dienstleistungen. Wir initiieren und begleiten interdisziplinäre Projekte und Kooperationen zwischen Unternehmen, der Verwaltung und den Wissenschaftseinrichtungen beider Länder. Besonders stolz sind wir auf unser Schiedsgericht, das weltweit ein hohes Maß an Vertrauen genießt. Garth: Der russische Markt ist sicher für viele deutsche Unternehmer verlockend – wie ist denn die Nachfrage gegenwärtig, trotz mancher Sanktionen? Nikitin: Die Sanktionen betreffen „nur“ grob 20 Prozent aller Geschäfte. Das Problem ist eher die Verunsicherung, der Prüfaufwand bei der Finanzierung und Lieferung. Aber das Interesse ist weiterhin ungebrochen und die Krisensituation bietet sogar neue Chancen. Besonders für diejenigen, die Produktionen planen. Heute ist es überlebenswichtig geworden, die Wertschöpfung zu vertiefen, zu modernisieren und zu diversifizieren. Die russische Wirtschaftspolitik fordert Lokalisierung, Importsubstitution und Technologietransfer. Unternehmen, die in Russland produzieren oder eine Produktion planen, bekommen einen deutlichen Vorteil gegenüber reinen Handelsunternehmen. Investoren können von der Geltung als inländischer Produzent, von der Konsolidierung, Bereinigung und Erweiterung des Marktes durch die Euroasiatische Union mit 180 Mio. Konsumenten profitieren. Kein Wunder, dass laut Angaben der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer (AHK), deutsche Unternehmen in diesem Jahr planen, rund 900 Mio. Euro in Russland zu investieren. Das wird durch die Rubelabwertung zusätzlich stimuliert. Lockerungen der EU-Sanktionen gegen Weißrussland können noch zusätzlich zum Aufbau von wichtigen Ost-West-Brücken zwischen der EU und der Eurasischen Wirtschaftsunion in diesem Land helfen. ˘

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