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P.T. MAGAZIN 03/2013

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Magazin für Wirtschaft und Gesellschaft. Offizielles Informationsmagazin des Wettbewerbs "Großer Preis des Mittelstandes" der Oskar-Patzelt-Stiftung

Internationales Vorbild

Internationales Vorbild Spitzenleistung und höchste Sicherheit aus dem westfälischen Gronau - seit knapp 30 Jahren Gesellschaft Wirtschaft Die erste und einzige deutsche Urananreicherungsanlage nahm 1985 in Gronau den Betrieb auf. Grundlage war der 1970 geschlossene Staatsvertrag von Almelo, den für Deutschland der damalige Vizekanzler Walter Scheel unterzeichnete. Worum ging es? Die „Troika“ Großbritannien, Deutschland und Niederlande wollte die sogenannte Zentrifugentechnik zur Urananreicherung kommerziell nutzen und gründete dafür die URENCO Ltd. mit Sitz im britischen Stoke Poges. Heute macht die URENCO- Gruppe mit 1.400 Mitarbeitern mehr als eine Milliarde Euro Umsatz. Hauptgeschäft ist die Anreicherung von Uran für Kernkraftwerke für mehr als 50 Kunden in 17 Ländern. Sitz der URENCO Deutschland GmbH ist das kleine westfälische Gronau an der holländischen Grenze. Ein wichtiges Standortkriterium war Erdbebenfreiheit. Und zwar nicht primär wegen Störfällen, sondern weil die Zentrifugen, das Herzstück der Anlage, überaus empfindlich sind. Im Prinzip kann man so eine Anlage an jedem geeigneten Standort in Deutschland bauen. Einfach dazugehören Das Verhältnis zwischen URENCO und der Stadt Gronau ist erstklassig. Mit 270 Mitarbeitern ist URENCO einer der bedeutendsten Arbeitgeber der Region und der größte Gewerbesteuerzahler vor Ort. Es ist Konzernphilosophie, an den Standorten ordentlich Steuern zu zahlen. Zahlreiche Fremdfirmen der Stadt und Region sind als Auftragnehmer und Lieferanten eingesetzt, von den Reinigungskräften über Kantine und Landschaftsbau bis zu den Instandhaltungsarbeiten. Weil URENCO sich als Teil der Gesellschaft sieht, ist hohes Engagement bei kulturellen, sportlichen, sozialen Veranstaltungen und Einrichtungen selbstverständlich. URENCO will Teil der Gesellschaft sein, nicht nur unbemerkt irgendwo im Industriegebiet arbeiten, sondern richtig dazugehören. Diese Haltung gibt es seit Beginn. Kein Wunder, dass URENCO, die GmbH mit teilweise staatlichen Anteilseignern, sich als Mittelstand fühlt, mit 270 Mitarbeitern, die aus Überzeugung arbeiten und einem Betriebsrat, der öffentlich sein Unternehmen verteidigt, schon zum fünften Mal zum Wettbewerb „Großer Preis des Mittelstandes“ nominiert wurde. Und zwar durch siebzehn verschiedene Institutionen und Persönlichkeiten. Das ist ein Spitzenwert in der fast 20-jährigen Geschichte des Wettbewerbs. Unterdruck statt Stress Was genau passiert eigentlich auf dem Betriebsgelände? Eigentlich nichts Besonderes. In den Uranminen wird Uranerz über oder unter Tage abgebaut und zu einem sogenannten Yellowcake verarbeitet. Das ist ein gelbes pulverförmiges Gemisch von Uranverbindungen, das in einer Konversionsanlage zu Uranhexafluorid umgewandelt wird. Davon kommen 10.000 Tonnen jährlich per LKW oder Eisenbahn nach Gronau. Das Material gehört in der Regel den Kunden, wird (Foto: WikimediaCommons/Stahlkocher) in Gronau angereichert und anschließend in eine Brennelementefabrik je nach Wunsch des Kunden geschickt. In den Produktionshallen von URENCO herrscht immer leichter Unterdruck, damit bei einem Störfall die Luft von außen nach innen strömt und schädliche Substanzen nicht nach außen entweichen. Das Uranhexafluorid wird erhitzt, bis daraus ein Gas wird. In den Zentrifugen werden minimale Gewichtsunterschiede ausgenutzt, um leichte und schwere Isotope zu trennen. Im natürlichen Uran kommen mehrere Isotope vor, vor allem das schwere Uran-238 sowie Uran-235. Nur dieses leichtere, Uran-235, ist zur Energiegewinnung durch Kernspaltung geeignet. Dazu muss es „angereichert“ werden. In natürlichem Uranerz findet man nur 0,7 Prozent Uran-235. Nötig ist aber ein Anteil von vier bis fünf Prozent Uran-235. Eigentlich reine Physik Das passiert in Gronau durch den Umweg über Gas mittels Gaszentrifugen. Das sind zehntausende deckenhohe, glänzende Metallzylinder, in denen sich Rotoren permanent mit hoher Geschwindigkeit drehen. Die schweren Uran-238-Isotope werden durch die schnelle Umdrehung nach außen gedrängt. Dadurch ist der Anteil des leichteren Uran-235 im Gasgemisch in der Mitte der Zentrifuge ein wenig höher als im Ausgangsprodukt. Aber nur ein wenig höher. Der Vorgang muss viele Male wiedererholt werden, tausende Zentrifugen sind dafür hintereinander geschaltet. Mit Chemie hat das wenig zu tun. Eigentlich ist das reine Physik. Das Prinzip ist dasselbe wie bei der Zentrifugierung von Milch zu Sahne. Übrigens, zum Bau einer Atombombe ist dieses Material völlig ungeeignet. Dafür müsste es eine Konzentration von 80 Prozent Uran-235 aufweisen. In Gronau entsteht nur Rohstoff für Kernkraftwerke. Entgegen aller Vorurteile spielt Radioaktivität bei URENCO praktisch überhaupt keine Rolle. URENCO ist kein Kernkraftwerk, hier gibt es keine hohe Strahlendosis. Deshalb lagern auch rund 5.000 Tonnen Uranhexafluorid in Gronau unter freiem Himmel. Bei Natururan, ob an- oder abgereichert, entsteht einfach keine entsprechend hohe Radioaktivität. Deshalb ist innerhalb des URENCO- Geländes die radioaktive Strahlung niedriger als in vielen süddeutschen Regionen, die wegen Granituntergründen eine hohe natürliche Strahlung aufweisen. Kein großes Risikopotential Die monatliche behördliche Auswertung der Strahlendosimeter bei so genannten strahlenexponierten Personen und am Zaun zeigt regelmäßig: deutlich unter dem Grenzwert. Ein Zehntel des Grenzwertes wird selten überschritten. Praktisch harmlos. Joachim Ohnemus, der Geschäftsführer von URENCO Deutschland, sagte gegenüber dem Bulletin D‘ Energie: „Wenn man sich mit der Anlage mal eingehend beschäftigt, dann stellt man fest, dass die Anlage, ohne was zu verniedlichen, wirklich kein großes Risikopotential hat. Wir hatten einen Erörterungstermin über vier Tage im Rahmen der letzten Genehmigungserteilung. Und da wurden viele Fragen gestellt. Auch von Gegnern. Die haben wir alle ordentlich und ausführlich beantwortet. Und hätte es Anregungen gegeben, wo man noch etwas verbessern könnte, dann hätten wir das auch gemacht. Wir hätten damit keine Probleme. Wir sind ja selbst daran interessiert, dass die Anlage mit der höchstmöglichen Sicherheit betrieben wird.“ Und gerade erst erhielt URENCO die Ergebnisse des Stresstests und der regelmäßigen Sicherheitsüberprüfung, die die extrem hohe Sicherheit von URENCO über das gesetzlich geforderte Maß hinaus bestätigen. Doch was ist eigentlich mit Atomausstieg und Energiewende? Hat das alles gar keinen Einfluss auf das Geschäft in Gronau? Tatsächlich kaum. Über den Atomausstieg wurde schon im Jahr 2000 verhandelt. 2010 kam die Laufzeitverlängerung, nach Fukushima kam die Energiewende. Auf Gronau hat das kaum Auswirkungen. Der Atomausstieg bezieht sich auf die Energie- oder Stromerzeugung aus Kernkraftwerken, nicht auf die Zulieferindustrie. Und URENCO ist von Deutschland praktisch unabhängig. Ganze drei Prozent Umsatzanteil sind national, 97 Prozent international. Vorbild im Hinblick auf nukleare Nichtverbreitung Auch wenn Deutschland endgültig aussteigt, bedeutet das nicht, dass URENCO geschlossen werden soll oder kann oder muss. Es gibt eine unbefristete Betriebsgenehmigung, vielerlei Sicherheitsüberprüfungen und Stresstests, einen multilateralen Staatsvertrag mit völkerrechtlichen Verpflichtungen und ein Interesse Deutschlands, bei einem Weltmarktanteil von 30 Prozent gerade diese Zulieferindustrie nicht in die Hände unzuverlässiger Drittstaaten gehen zu lassen. In 30 Ländern weltweit stehen gegenwärtig 437 Kernreaktoren mit einer gesamten elektrischen Nettoleistung von rund 372 Gigawatt, weitere 65 befinden sich im Bau. Jedes vierte Kernkraftwerk weltweit bezieht von URENCO Rohstoff höchster Sicherheit. Wer den Atomwaffensperrvertrag ernst nimmt und durchsetzen will, darf nicht die Schließung der Urenco Deutschland GmbH in Gronau verlangen, sondern muss gerade den Weiterbetrieb unterstützen. URENCO ist „ein internationales Vorbild im Hinblick auf nukleare Nichtverbreitung“ sagt die Bundesregierung. n Trotz Urananreicherung ist in Gronau die Strahlung niedriger als in vielen süddeutschen Regionen Aus dem Mineral Pechblende wird Uran gewonnen Yellowcake ist der Grundstoff von Uranhexafluorid, das in Gronau angereichert wird (Foto: Wikimedia/gemeinfrei) (Foto: Wikimedia/CC-3.0/Geomartin) (Foto: Wikimedia/CC-3.0/Stahlkocher) 60 P.T. MAGAZIN 3/2013 3/2013 P.T. MAGAZIN 61

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