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P.T. MAGAZIN 03/2013

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Magazin für Wirtschaft und Gesellschaft. Offizielles Informationsmagazin des Wettbewerbs "Großer Preis des Mittelstandes" der Oskar-Patzelt-Stiftung

Der Untertan – Teil 2

Der Untertan – Teil 2 Europas Bürger werden enteignet - Zypern demonstriert, Deutschland buckelt Wirtschaft Die Verantwortlichen der Krise, wie Jan Claude Juncker, entziehen sich der Verantwortung Die Pläne der EU zur „Rettung“ Zyperns führten ebenso wie gleich geartete Pläne für Griechenland, Spanien oder Italien zu wütenden Massenprotesten. In Deutschland sind solche Bilder eher nicht denkbar, was der ehemalige sächsische Ministerpräsident Kurt Biedenkopf wie folgt erklärt: „Die Südländer kämen nie auf die Idee, sich dem Staat als ‚Vater Staat‘, als ‚Untertan‘ anzuvertrauen.“ (Handelsblatt vom 15.März 2013, Seite 72). Man muss sich in der Tat die Frage stellen, welche Mentalität die Deutschen dazu treibt, unter gleichsam allen Umständen ruhig zu bleiben und alles, was von oben kommt, hinzunehmen, so wie die große Mehrheit der Abgeordneten des Deutschen Bundestages alle Maßnahmen zur Enteignung der Bürger ebenso durchwinkten und abnickten, wie es auch das Bundesverfassungsgericht tat (Bankenrettungs-, EFSM- und ESM-Entscheidungen). Bereits 1995 waren 72 Prozent der Bevölkerung der Bundesrepublik gegen die schon damals diskutierte Europawährung folgenlos. Der spätere Kanzler Gerhard Schröder kritisierte: „Die letzten Wochen haben gezeigt, dass, wer immer es wagt, sich kritisch zu der Frage der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion zu äußern zum ‚Populisten‘ und ‚Nationalisten‘ gemacht wird. Das ist zu viel an Verlangen nach Political Correctness.“ (Foto: European People's Party – EPP/Flickr.com) Jenseits der Kreditwürdigkeit Wie später in der Finanzkrise irrten bereits 1995 die Banken, in diesem Fall Hilmar Kopper, Aufsichtsratsvorsitzender der Deutschen Bank: „Die im Maastricht- Vertrag niedergelegten Konvergenzkriterien und ihre strikte Einhaltung sind der Garant dafür, dass die europäische Währungsunion ein Stabilitätsverbund wird.“ Die Instabilität, die an die Stelle dieses Wunschdenkens trat, baute sich langsam auf, indem sich die Länder der Eurozone nach Einführung der neuen Währung über viele Jahre billig verschulden konnten. Die Partner beim Ankauf der Staatsanleihen waren naturgemäß die internationalen Großbanken und Rentenfonds. So wie bei der Subprime-Krise US- Bürger des Modells Njnina (No jobs, no income, no assets) gleichsam unlimitiert Kredite bekamen, die über die Verbriefungsindustrie in alle Anlegerportfolien der Welt verteilt wurden, erfolgte eine parallele Entwicklung in der Staatsverschuldung. Länder, bei denen sich seit Gründung der europäischen Gemeinschaft in wirtschaftlicher und struktureller Hinsicht nichts geändert hatte, die also keine nachhaltigen Steuereinnahmen (no income), keine global konkurrenzfähige Wirtschaft (no assets) und keine Arbeitsplätze (no jobs) hatten, bekamen Geld jenseits ihrer Kreditwürdigkeit. Wenig geben, viel nehmen Mit dem Platzen der Subprime-Blase setzte die Finanzindustrie die staatliche Rettung durch, nicht der Kreditnehmer, sondern der Banken und Versicherungen. Diese Bankenrettung kostete viel Geld und offenbarte die prekäre Lage der Staaten. Wer an Hegel glaubt, glaubt an die Macht der Ideen, wer es analytisch mit Karl Marx hält, weiß, dass die ökonomische Basis die Grundlage für alles ist. Davon ausgehend sind die Industriestaaten der Nordhalbkugel rettungslos überschuldet. Nach einer Übersicht der Vermögensverwaltung Flossbach von Storch vom 8. Januar 2013 liegt die japanische Gesamtverschuldung von Staat, Unternehmen, Finanzsektor und privaten Haushalten bei 642 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Italien liegt bei 395 Prozent, die USA bei 362 und Deutschland immer noch bei 334 Prozent. Damit sind nach allen volkswirtschaftlichen Regeln die Grenzen überschritten, die es erlauben würden, mit Wirtschaftswachstum eine Entschuldung zu erreichen. Die „Sanierung“ kann nur noch nach dem Motto „wenig geben, viel nehmen“ erfolgen. So erstaunt es nicht, dass alle Versprechen der Politik und der Staaten in Serie gebrochen werden. Die Maastricht- Kriterien wurden nicht eingehalten, die Eurogemeinschaft wurde keine Stabilitätsunion und die EZB keine Bundesbank. Nimmt man die obigen Zahlen zur Staatsverschuldung als Basis, hat das Handelsblatt zwar Recht, wenn es die Enteignung der Sparer im Zuge der Zypern-Krise als „Sündenfall“ bezeichnet, analytisch betrachtet handelt es sich jedoch um ein sehr konsequentes Handeln gemäß der Sachlogik der immer nur steigenden, nie sinkenden Staatsverschuldung. Deswegen ist es auch völlig logisch, dass jedes mit der Währungsunion zusammenhängende Versprechen konsequent gebrochen wird. Zweck heiligt die Mittel So hatte man zur Beruhigung angeblich für jeden Sparer in der EU die Einlage in Höhe von bis zu 100.000 Euro garantiert. Jetzt greift der Staat zu und jeder mit ökonomischem Verstand weiß, dass Staaten mit der oben genannten Verschuldung diese Garantien nie einlösen könnten, käme es zum Schwur. Die rechtsstaatlichen Garantien, Rechtssicherheit, Rechtsklarheit, Vorhersehbarkeit und Gewaltenteilung, werden ständig weiter verwässert. Der Zweck heiligt nach und nach alle Mittel. In dem Roman von Heinrich Mann ist der Untertan Diederich Heßling ein Mitläufer und Konformist, der feige, obrigkeitshörig und ohne Zivilcourage im wilhelminischen Kaiserreich nach oben buckelt und nach unten tritt. Im modernen Deutschland gibt es ebenfalls diesen Typus, denn alle beschriebenen Maßnahmen des Deutschen Staates zur Enteignung der Bürger werden ja von Menschen gemacht, Ministerialbeamten, Abgeordneten, Ministern, etc. Nur die Qualität hat sich verschoben. Beugt sich Heßling noch der personifizierten Obrigkeit, dem Landrat oder dem Kaiser, beugt sich der neue Untertan den neuen sogenannten Sachzwängen, denn alles, wovor er den Kopf neigt, ist angeblich alternativlos und muss sofort geschehen. So gibt es dann eine breite Zustimmung zu allen Rettungspaketen, die lediglich sehr wenige privilegierte Gruppen bevorzugen, für die Mittelschicht und die arbeitende Bevölkerung jedoch eine dauerhafte und nachhaltige Enteignung bedeuten. EZB als Diktator Da die Regierungen der EU in ihrer Zerstrittenheit, wie schon immer, keine Lösungen finden, außer der, noch mehr Geld auszugeben und es sich schachernd zuzustecken, muss die EZB als Oberbürokratie wie ein Diktator handeln. Die Zentralbank, sowie der Rettungsschirm ESM manipulieren mit Anleihekäufen die Anleihezinsen nach unten und verteuern mit der dadurch ausgelösten Flucht in andere Asset-Klassen zugleich deren Preis. Wer aus Staatsanleihen fliehen kann, tut es. Er kauft Gold, Kunst, Immobilien oder Aktien. Wer eine Lebensversicherung hat, gerät noch Die Zentralbank in Nikosia (Zypern) bekam Geld jenseits ihrer Kreditwürdigkeit. Das zahlen nun die Sparer ab. massiver in die Mühlsteine: Die staatliche Aufsicht verlangt sichere Anlagen und definiert zugleich, dass dies Staatsanleihen wären. Diese Staatsanleihen werden von den Versicherungen gekauft und bieten nur noch einen Zins weit unterhalb der Inflationsrate jedes Landes. In dieser sogenannten finanziellen Repression magert das Sparschwein, auf dem der deutsche Michel sitzt, ab, was ihn aber nicht davor schützt, weiteren Enteignungsmaßnahmen ausgesetzt zu werden. Eine Erhöhung der Umsatzsteuer auf Silber soll sicher kommen, die Umsatzsteuer auf Gold wird folgen, dann auf Kunst, erhöhte Immobiliensteuern, Energiesteuern etc. Wie auch in der Vergangenheit werden diese Maßnahmen das generelle Ansteigen der Verschuldung nicht verhindern. Niemand ist mehr verantwortlich Die Unfähigkeit der Politik und der Regierung trägt auch Namen. Sie sind öffentlich bekannt, für das EU-Parlament sogar in einem Lobbyistenverzeichnis. Genau dieselben Berater- und Anwaltskanzleien, die die Gesetze zur Deregulierung des Finanzmarktes für die deutschen Ministerien entwickelt haben und die Verbriefungsorganisation TSI gründen halfen, bekamen bei der Finanzkrise den Auftrag, die Rettungspakete auszuarbeiten. Als der Proteststurm über die Zypernrettung inklusive der Enteignung der Sparer aufbrandete, gab es plötzlich niemanden mehr, der dafür war. Die Regierung Zyperns verwies auf Wolfgang Schäuble, Finanzminister Schäuble verwies auf Zypern und Schäuble hatte im Januar 2013 erklärt, die Eurokrise sei vorbei. Dieser Zustand ist ein Glücksfall für den neuen Untertan: Niemand ist mehr verantwortlich, für nichts. So ist es. So verabschieden sich schon jetzt rasch und leise Jan Claude Juncker, Chef der Steueroase Luxemburg Frau Ashton, Herr van Rompuy, vorher Herr Ackermann etc. Es bleibt zu hoffen, dass die Demokratie mit der Eskalation der Krise den Geist der Verantwortungslosigkeit und des Untertanentums in seiner neuen Fassung vertreibt, so wie es sich jetzt bereits im italienischen Wahlergebnis zeigt. n Volker Gallandi Über den Autor n Dr. Volker Gallandi ist Rechtsanwalt für Wirtschaftsstrafrecht. Seit 1988 führt er seine eigene Kanzlei mit heutigem Sitz in Gorxheimertal bei Mannheim. (Foto: Volker Gallandi) (Foto: Wikimedia/CC-3.0/TourinNicosia) 30 P.T. MAGAZIN 3/2013 3/2013 P.T. MAGAZIN 31

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