Ein €uromärchen Oder „Eine Ode an die Herrschaft des Rechts“ Gesellschaft Gesetzesbrechende Absprachen waren nie lange von Dauer. James Gillrays Karikatur „The plum pudding in danger“ von 1805 zeigt die kurzlebige Aufteilung der Welt durch den britischen Premier und den französischen Kaiser. Es war einmal ein großes Land. Es reichte vom Nordmeer bis zum Mittelmeer, vom Atlantik bis zum Ural. Dazwischen lag langgestreckt von West nach Ost – und auch umgekehrt von Ost nach West – ein mächtiger Gebirgszug. Die Menschen vereinte die indoeuropäische Sprache. Mitgebracht hatten sie diese von den Ufern des Schwarzen Meeres, als diese noch nicht von nacheiszeitlichen Wassern überflutet waren. Diese steigenden Wasser vertrieben die Menschen nach Ost, Nordost, Nordwest und nach West. Sie verloren sich aus den Augen und aus dem Sinn, und bald sprachen sie auch in vielen Zungen. Ihrer Hände Arbeit um das tägliche Brot war sehr unterschiedlicher Erfolg vergönnt. Südlich des mächtigen Gebirgszuges konnten sie leichten Böden mit einem einfachen Hakenpflug beträchtliche Erträge abringen. Zugleich schien ihnen die Sonne reichlich. Ernten konnten manchmal zweimal im Jahr eingebracht werden. Große Kulturen mit gewaltigen Bauwerken entstanden. Ganz anders begab es sich nördlich des mächtigen Gebirgszuges. Schier undurchdringliche, beinahe lebensfeindliche Wälder, ausgedehnte Sumpflandschaften, schwere Böden und unzählige sonnenarme Tage forderten die Menschen heraus. Die Ernten waren schmal. Für Tempel und Triumphbögen gab es weder Anlass noch die nötigen Ernteüberschüsse. Diese aber hätte man für die Heerscharen von Handwerkern gebraucht, die solche Zeugnisse religiösen, kulturellen und machtsüchtigen Eifers hätten allein aufrichten können. Den Nordmännern genügten einige wenige kräftige Eichen, zwischen denen sie die Dinge des öffentlichen Lebens besprachen und entschieden. Ihrer Hände Arbeit um das tägliche Brot war unterschiedlicher Erfolg vergönnt Aber dennoch ging das Großreich im Süden unter – erst der westliche, am Tiber verwaltete Teil (durch Verrat einer unscheinbaren und ungesicherten Pforte in der Stadtmauer, wenn man Stefan Zweigs wundervoller Erzählung „Die Eroberung von Byzanz“ Glauben schenken darf), dann ein halbes Jahrtausend später der östliche, am Bosporus gelegene Teil. Nicht wenige berichten, dass (Foto: Wikipedia/Gemeinfrei) dieser Untergang der Missachtung des Gesetzes, dem Hochmut vor der Herrschaft des Rechts geschuldet gewesen sei. Nur so sei zu erklären, warum die Vorzüge durch natürliche Gegebenheiten von leichten Böden und reichlich Sonne verspielt wurden, und später die genügsamen Brüder und Schwestern des Nordens Macht über sie erringen konnten. Wortreich mit gespaltener Zunge Ein großer Karl, dessen Mannen als einzige unter den tapferen nordischen Stämmen einem Heiratszufall zufolge dem trinitarischen und nicht dem arianischen Glauben anhingen, entsprach der verzweifelten Bitte des Papstes, der sich zum dritten Mal mit dem Namen des Löwen schmückte, ihm Schutz vor feindlich gesonnenen Edlen zu gewähren. Im Gegenzug versprach dieser dem großen Karl Glanz, Ansehen und Macht durch die Cäsarenkrone. So kam es, dass ein Fundament für einen Jahrhunderte währenden Streit zwischen den Brüdern und Schwestern im Süden und Norden – wem denn der Vorrang gelte, der kirchlichen Macht im Süden oder der weltlichen im Norden – gelegt wurde. Es wurden Kriege geführt, Ereignisse geklittert, Urkunden gefälscht: Die „Konstantinische Schenkung“ und der „Gang nach Canossa“ blieben im Nordischen allzeit unvergessen und unverziehen. Und schon vor der „Niederdrückung“ der amerikanischen Ureinwohner soll unter den Menschen im Norden das Wort aufgekommen sein, man spräche in dem großen Land zwar in verschiedenen Zungen, aber im Süden außerdem mit gespaltener Zunge. Fleiß - Reichtum - Neid - Krieg - Armut Gleichwohl machten sich die Nordmänner zwischen den Kriegen immer wieder an die Arbeit. Sie erfanden den Karrenpflug, so dass ihre schweren Böden fortan gepflügt und entwässert werden konnten. Sie erfanden das Kummet, so dass schnell pflügende Pferde langsamere Ochsen ersetzten. Dies waren Erfindungen, die die Bewirtschaftung durch dorfgemeinschaftliche Selbstverwaltung zukunftszugewandt erneuerten. Das machte sie über Jahrhunderte stolz und sie erklärten es sogar zum Verfassungsprinzip. Die Ernten wurden reicher. Selbst für fleißige Handwerker, die nun Burgen, Kirchen und Pfalzen errichteten, war Brot vorhanden. Dennoch blieb das Leben hart, die Kost schmal, Straßen rar. Der Herrscher, den Sachsenspiegel unter dem Arm, ritt noch immer von Ort zu Ort, von Pfalz zu Pfalz und brachte seinen Untertanen Recht und Gerechtigkeit – wenn er nicht gerade wieder über den mächtigen Gebirgszug gen Süden zog, um für Ordnung zu sorgen. Viele hundert Jahre gingen so ins Land. Auf Fleiß folgte Reichtum, auf Reichtum Hochmut und Neid, auf Hochmut und Neid folgte Krieg und auf Krieg wieder Armut. Viele Kreaturen hungerten. Abgemagerte Wölfe drangen bis in die Dörfer vor und verspeisten rot bekappte Mädchen. In einem der schrecklichsten Kriege erzählten die Mächtigen des gro ßen Landes 30 Jahre lang, dass des rechten Glaubens wegen gestorben werde. Nirgends fallen Münzen wie Manna vom Himmel Sonne aus dem Untergrund Nach dieser dunklen Zeit erhellte plötzlich ein Lichtlein den Norden. Fauchend und zischend lärmte die Dampfmaschine (und schlug der Sonne ein Schnippchen). Sie verhundertfachte die Kraft mutiger Hauer und Knappen in den Stollen und Schächten. Pumpen wurden angetrieben, um die Kohlengruben trocken zu legen. Und Jahrmillionen alte, sonnengespeiste Materie stand den Menschen plötzlich für die Herstellung ihres täglichen Brots bereit. Auch früher unerreichbares Eisen, Kupfer, Silber und Gold wurden geschürft. Allmählich spürten viele Menschen eine Verbesserung ihrer Lebenslage. Ein anderer geschichtsträchtiger Karl manifestierte, dass die Bourgeoisie massenhaftere und kolossalere Produktivkräfte geschaffen habe als alle vergangenen Generationen zusammen. Die von Mutter Natur begünstigten Sonnenstrahl-Ökonomien südlich des mächtigen Gebirgszuges standen jetzt im Schatten der Sonnenbestands-Ökonomien im Norden. Gottgefällige Disziplin Die Nordmänner legten das alte, Jahrhunderte zählende Joch der Gutsherrschaft auf dem platten Land ab und schleuderten den Innungszwang in der nur scheinbar freien Stadtluft von sich. Herausgetreten aus den Ketten schauten sie in sich, suchten ihre wahren Talente und steigerten ihren Brotertrag. Viele weitere Erfindungen gelangen: vom Stahl über Elektrizität bis hin zu Kunststoffe und -Dünger. Auch Straßen wurden angelegt, wie man sie seit der Zeit des Großreiches im Süden nicht mehr kannte. Der Wald wurde nachhaltig bewirtschaftet, auf dass er sich vom Raubbau früherer Zeit wieder erholen konnte. Schienenwege kamen hinzu. Aus lokalem wurde regionaler Handel, aus nationalem schließlich internationaler Handel. Die humanistische Bildung wurde um Realien vervollständigt. Die Schulpflicht holte auch das letzte Mädel und den letzten Buben vom Acker oder aus der Handwerksstube. Geblieben aus dieser Zeit sind nur die Sommerferien zum Einbringen des Getreides und die Herbstferien für die Kartoffelernte. Ebenso ist auch der Hang der Menschen zu disziplinierter Arbeit und zur Sparsamkeit geblieben. Es waren den Nordischen Luthers und Calvins Wegweisungen zu gottgefälligem Leben eingebläut worden. Von Kupfer- und Falschmünzen Bei aller Unterschiedlichkeit der Menschen in dem großen Land einte sie doch eines, die gemeinsame Währung. Es waren Münzen aus Kupfer, Silber oder Gold. Unterschiedlich waren nur die Namen der Münzen. Sie kosteten aber in dem großen Land überall gleich viel. Für ein Gramm Kupfer zahlte man in Nord, Süd, Ost und West ein Gramm Kupfer, ebenso für Silber und Gold. Und diese Münzen fielen auch nicht wie Manna vom Himmel, sie konnten auch nicht durch einen Zettel, hintersinnig „Geld- Schein“ genannt, aus dem Nichts ersetzt werden. Auch konnten sich die Münzen nicht von harter Arbeit wie beim Brotbacken emanzipieren und verselbstständigen – wie das spätere Generationen mit papiernem Schein-Geld in der Hand Karl der Große (gest. 814), dessen Reich sich von Atlantik bis Elbe und Tiber erstreckte, gilt als „Pater Europae“. Büste im Dom zu Aachen. (Foto: Wikimedia/cc3.0/Lokilech) 10 P.T. MAGAZIN 3/2013 3/2013 P.T. MAGAZIN 11
Industrie in der Streusandbüchse B
Spezial | Regional Ein Meilenstein
Offizielles Magazin des Wettbewerbe
Laden...
Laden...
Laden...
Copyright © 2006-2017 OPS Netzwerk GmbH.
powered by SITEFORUM
Follow Us
Facebook
Google+