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PT-MAGAZIN 03-04 2020

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Offizielles Magazin der Oskar-Patzelt-Stiftung. Titelthema: Keine Angst vor Krisen. Nominierungsliste 2020 des Wettbewerbs "Großer Preis des Mittelstandes". Motto: Lösungen finden

18 Gesellschaft Längst

18 Gesellschaft Längst nicht nur eitel Sonnenschein Kritiker bezeichnen die Sharing Economy auch gern als „kalifornischer Plattform- Kapitalismus“. Dies macht deutlich, dass es neben all den Entwicklungen, die die Protagonisten der Sharing Economy in buntesten Farben malen, durchaus auch sehr kritische offene Fragen gibt: vom Datenschutz, über die gesellschaftliche Spaltung und dem wegbröckelnden Arbeitsschutz bis hin zur Verödung unserer Innenstädte und dem Wegbrechen wichtiger staatlicher Leistungen. So werden die neuen Geschäftsmodelle, die zur stetigen Verbesserung ihres Angebots auf Big Data Analysis und die Auswertung personenbezogener Daten bauen, die informationelle Selbstbestimmung und der Datenschutz immer wieder gefährden. Die die Datenschutzgrundverordnung [DSGVO-EU] aus 2018 und die wohl erst 2023 relevante ePrivacy- Verordnung [ePrivVO], die andere Rechtsräume weltweit in ganz ähnlicher Form übernehmen, helfen durchaus, werden aber das Problem nicht völlig beseitigen. Aufklärung, Digitalkompetenz – und nicht zuletzt auch eine gesunde kritische Distanz sind hier dringend geboten. Wertvorstellung und Einkommen bestimmen Teilhabe Quelle: Sinus Institut für Markt- und Sozialforschung, eigene Darstellung. Verstärkung der digitalen Spaltung Daneben zielen, wie bereits dargestellt, die Angebote der neuen Sharing Economy überwiegend auf die zahlungskräftige Bevölkerung mit post-materialistischer Prägung in den Ballungsräumen. Diese enge Verbindung des neuen Teils der Sharing Economy mit den Metropolen besteht unter anderem gerade auch deshalb, weil diese Geschäftsmodelle auf leistungsfähige mobile Kommunikationstechnik gründen, die es in ländlichen Gebieten in dieser Form absehbar überhaupt nicht geben wird. Nicht zuletzt ist diese digitale Spaltung zwischen Stadt und Land (und daneben auch zwischen West und Ost) in Deutschland deutlich ausgeprägt. Diese Spaltung könnte sich mit 5G, also dem gerade im Aufbau befindlichen neuen Mobilfunkstandard der fünften Generation, absehbar weiter verstärken. Die moderne 5G-Kommunikationsinfrastruktur wird nämlich zunächst nur in den Ballungsräumen, wo hinreichend viele attraktive Angebote, genügend Bedarf und hinreichende Zahlungsbereitschaft zusammenkommen, tatsächlich auch verfügbar sein. Damit könnte die Sharing Economy die Kluft zwischen Stadt und Land, Jung und Alt und speziell in Deutschland auch die zwischen West und Ost weiter verstärken. Kritisch dürfte die Situation in ländlichen Gebieten darüber hinaus aber beispielsweise auch dahingehend entwickeln, weil dort der Öffentliche Personennahverkehr stark ausgedünnt und das Taxi für die Bevölkerung eine zentrale Stütze der Mobilität ist. Falls das Taxigewerbe mit seiner Beförderungspflicht aber nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden kann, werden Uber & Co. ohne PT-MAGAZIN 3/4 2020

19 PT-MAGAZIN 3/4 2020 Zwang gewiss keinen adäquaten Ersatz bieten. Alte, Kranke und Alleinstehende auf dem Land dürften damit besonders leidtragend sein. Schutzrechte der Werktätigen unter Druck Daneben wird, wie bereits dargestellt, die Sharing Economy ihren Befürwortern als Einstieg in das flexible New Work gepriesen. Von dieser zunächst durchaus faszinierend klingenden Flexibilität dürften dann doch eher die jungen, ungebundenen, leistungsfähigen Werktätigen und die Unternehmen selbst profitieren. Doch die psychisch belastende unbegrenzte zeitliche Verfügbarkeit, weiterer Druck auf das Lohnniveau, Ausweitung pseudoselbstständiger Beschäftigung und die Verschiebung der Risiken vom Arbeitgeber auf den Werktätigen sind die Kehrseite dieser Flexibilität. Kritiker behaupten, dass die Sharing Economy die von der Arbeiterbewegung über Jahrhunderte hart erstrittenen Schutzrechte der Werktätigen unterminiert. Verödung der Innenstädte befürchtet Auch hat die Möglichkeit zur Vermietung von Privatwohnungen über Airbnb inzwischen dazu geführt, dass einige Eigentümer von Immobilien in den besonders begehrten Lagen touristisch attraktiver Städte ihre Wohnungen eher an Tagesgäste als an Dauermieter vergeben. Die Vermieter können so wesentlich höhere Einnahmen erzielen als bei langfristigen Mietverträgen mit Mietpreisbremse. Diese für den einzelnen Vermieter ökonomisch sinnvolle Entscheidung verknappt aber den sowieso schon knappen Wohnraum in diesen Lagen weiter. In der sowieso bereits stark angespannten Immobiliensituation macht es Airbnb (als Pars pro Toto) den Wohnungssuchenden also nochmal schwerer. Kritiker sprechen davon, dass Sharing Economy die für das Funktionieren einer Stadt absolut notwendige lokale sozial differenzierte Bevölkerung als Mieter aus den Innenstädten vertriebe. So würden letztlich nur noch verödete touristische Fassaden zurückblieben. Verständlicherweise wollen die Kommunen gegen diesen sozialpolitisch und stadtplanerisch dramatischen Effekt vorgehen. Sie versuchen dies mit Verboten aber auch mit Kooperationen und Kompromissvorschlägen. Allerdings ist bei diesem Ringen zwischen Kommunen und multinationalen Anbietern ein˘

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