Aufrufe
vor 2 Jahren

PT-MAGAZIN 03-04 2020

  • Text
  • Corona
  • Nominierten
  • Gesellschaft
  • Verantwortung
  • Technik
  • Zeit
  • Mitarbeiter
  • Berlin
  • Deutschland
  • Economy
  • Unternehmen
Offizielles Magazin der Oskar-Patzelt-Stiftung. Titelthema: Keine Angst vor Krisen. Nominierungsliste 2020 des Wettbewerbs "Großer Preis des Mittelstandes". Motto: Lösungen finden

10 Gesellschaft Im

10 Gesellschaft Im digitalen Reich der Mitte © Huawei Ein Reisebericht: Von Sicherheitskameras und elektrischen Fahrzeugen Wer sehen möchte, wo die Digitalisierung gelebt wird, der kommt an einer Reise nach China heutzutage nicht mehr vorbei. Ein Beispiel: Knapp 600 Millionen Kameras in ausgewählten Städten machen diese Orte faktisch wie gefühlt sicherer. Doch auch die soziale Kontrolle kommt bei der ganzen Sache nicht zu kurz – aber die Chinesen schätzen die Vorteile und akzeptieren die Nachteile. Im Vordergrund steht die Transparenz, das konnten wir auf unserem Trip ins Reich der Mitte aus nächster Nähe beobachten. Angekommen nach zwölf Stunden Flug und höflicher Effizienz bei der Einreiseprozedur am Flughafen, standen mit Shanghai, Shenzhen und Hongkong gleich drei Hauptziele auf dem Programm. Modernisierung oberste Priorität Investitionen und Effizienz stehen im Fokus Chinas, ständiges Lernen zählt zu den wichtigsten Punkten für die Bevölkerung. Das Land möchte unbedingt an die Spitze. Es gilt das Motto: Jeder qualifiziert sich sein Leben lang durch immerwährende Prüfungen – am Ende setzen sich nur die Besten durch. Diese Botschaft war Kernbestandteil eines Vortrags von Dr. Jari Grosse-Ruyken. Der Deutsche betätigt sich seit mehr als 20 Jahren als Berater in China und hat die atemberaubende Aufholjagd auf mehreren Ebenen der Chinesen längst identifiziert. Das Land befindet sich sozusagen in einer Phase des vollständigen Neustarts. Ein Beispiel: China möchte seine Metropolen vom Smog befreien – und ist bezüglich der Realisierung sehr zuversichtlich. Das liegt vor allem an der straffen Führung, Stichwort Elektromobilität. Aber dazu später mehr. Die unterschiedlichen ersten Eindrücke bestätigten sich während unserer gesamten Reise an den unterschiedlichen Stationen in verschiedenen Städten, zunächst in Shanghai. Das spiegelt sich zum Beispiel am XNode Accelerator wider: Zuvor ausgewählte, Erfolg versprechende Start-ups finden hier ein Zentrum mit Anregungen und Rückmeldungen – außerdem gibt es hier gute Kontakte zu Unternehmen und Behörden. Dazu erhalten die Neueinsteiger Empfehlungen zum weiteren Vorgehen. Doch auch in diesem Fall gilt, dass nicht jeder sich durchsetzt. Zunächst haben die potenziellen Start-ups scharfe Eingangsprüfungen zu durchlaufen – ein weiterer Schritt auf Chinas Weg in Richtung Spitze. Fehlendes Verständnis? Unterschiedliche Arbeitsplätze wie ein Callcenter, viele kreative Räume und ein von Vortragenden nutzbares Auditorium zeichnen den XNode Accelerator aus. Mit Kevin Woerner zählt hier ein Deutscher zu den Mitbetreibern. Qualifiziert sich ein Start-up, nimmt es an einem speziell ausgearbeiteten Programm zur Strategie, zur Finanzierung und zum Netzwerk-Aufbau zu Investoren und in die Politik teil. Exemplarisch kann hier die Huijang Language School genannt werden: Innerhalb kürzester Zeit hat die digitale Sprachschule eine Mitgliederzahl von über 200 Millionen erreicht. Beim Betreten der Räumlichkeiten springt einem sofort eine riesige Wand mit vielen Bildschirmen ins Auge. Dort zu sehen sind fortwährend Zahlen, beispielsweise zum eigenen Entwicklungsstatus. Der Fortschritt ist hier allgegenwärtig. Im German Centre in Shanghai erfahren wir dann einiges über die Automobilentwicklung in China – dazu hören wir einen intensiven Vortrag des Leiters der Einrichtung. Nach 20 Jahren im Land kommt er zu verschiedenen Einsichten. Deutschland und der Westen haben China nach wie vor nicht verstanden. Die Regeln der Weltwirtschaft PT-MAGAZIN 3/4 2020

11 werden neu gemacht – ebenso wie die Politik. Hier ändern sich nicht nur die Spielregeln, sondern auch der Schiedsrichter. Und: Xi Jinping hat eine langfristige Gesamtstrategie – als Einziger. China sei „nicht mehr der Reactor, sondern der Future Creator“. Voll auf Elektro Höchster CO2-Ausstoß der Welt gepaart mit den höchsten Ausgaben für die Entwicklung erneuerbarer Energien – auch das ist China. In diesem Bereich möchte man „aufholen“ beziehungsweise den Ausstoß verringern. Schauen wir uns die Straßen Shanghais an, tummeln sich hier unfassbar viele Mofas. Das Besondere daran: Seit 2016 sind sie vollständig elektrifiziert. Für 160.000 Busse im gesamten Land gilt das Gleiche. Autos mit Verbrennungsmotor gibt es zwar noch – aber sie unterliegen einer zusätzlichen Steuer. Auch in diesem Bereich nehmen die Zahlen weiter zu. Das liegt vor allem daran, dass die Automobilunternehmen Produktionszahlen für E-Autos als Zielvorgabe erhalten. Das deckt sich auch mit Chinas Ankündigung 2018, Plastikmüll und zahlreiche andere Abfallstoffe nicht mehr zu importieren. Zu viel Dreck, gefährliche Stoffe, die Umwelt wird verschmutzt. Stichwort Smogreduzierung. Es zählt nicht mehr einzig die Wirtschaft. Denn die hat darüber hinaus auch ihre Spuren in der Umwelt hinterlassen. Zurück zu den Elektrofahrzeugen. Mobile Ladestationen gibt es im ganzen Land. Unser Besuch bei E-Auto-Hersteller NIO hat uns imponiert. 2012 an den Start gegangen, hat das Unternehmen seit 2014 mit dem Bau einer Fabrik begonnen – und bringt schon jetzt die ersten Modelle an den Markt. Wie in der gesamten Stadt herrscht auch in diesem Sektor ein gigantisches Wachstum, die Entwicklung befindet sich in vollem Gange und nimmt immense Dimensionen an. Nicht zuletzt gut zu sehen vom Shanghai Tower, dem zweithöchsten Gebäude auf der Erde. Unternehmen wie Vorwerk haben in der Stadt einen Sitz und haben den Trend zur richtigen Marketingstrategie in diesem Umfeld erkannt. Produkte gilt es, in die jeweilige Lebenswelt zu übersetzen. Am Beispiel eines elektrischen Teekochers wird schnell klar, worauf es ankommt: enorme Präzision, sekundengenaue Wassererhitzung und minutengenaue Brühzeit. Diese Kriterien machen das Produkt für den modernen Kunden interessant – insgesamt ein Lobgesang auf die Technik mit Marketing-Überzeugung. Eine solche finden wir auch kurz vor dem Abflug nach Shenzhen vor, und zwar im Starbucks in Shanghai. Der wohl größte Shop seiner Art auf der ganzen Welt bietet eine erlesene Erlebnislandschaft, unter anderem mit schöner Darstellung des Verarbeitungsprozesses der Kaffeebohnen auf Bühnen-Inseln. Für den Besucher bedeutet das ein fesselndes Schauspiel – wie in einem Chemielabor –, das gepaart mit einer Vielzahl von Produktinseln zwangsläufig zur Mitnahme eines Andenkens führt. Gleichzeitig überbrückt Starbucks so die aufkommende Wartezeit zielorientiert und macht den Besuch zu einem echten Abenteuer. Auf zu neuen Ufern Von einer Metropole in die nächste: Wir verlassen die 25-Millionen-Stadt Shanghai und schlagen unsere Zelte im mit über zwölf Millionen Einwohnern nicht minder imposanten Shenzhen auf. Hier lernen wir vieles über die große staatliche Förderung – und über die Stadtplanung der Smart City. In Deutschland eher kleinräumig und schwerfällig mit zahlreichen rechtlichen ˘ PT-MAGAZIN 3/4 2020 © www.piqsels.com

Jahrgänge