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PT-Magazin 02 2018

Magazin für Wirtschaft und Gesellschaft. Offizielles Informationsmagazin des Wettbewerbs "Großer Preis des Mittelstandes" der Oskar-Patzelt-Stiftung

PT-MAGAZIN 2/2018 Gesellschaft 8 so viel ausgegeben, wie für alle häusliche Krankenpflege. Halten Sie das für gut und gerecht? änd: Bis vor kurzem hat das System aber funktioniert. Gebauer: Es hat nie funktioniert. Übrigens auch nicht erst seit 1975, seit wir die sogenannte „Kostendämpfung im Gesundheitswesen“ betreiben. Schon seit seiner Einführung durch den Reichskanzler Bismarck zu Kaisers Zeiten ist das System nämlich tatsächlich immer wieder „vor die Wand gefahren“. Ursprünglich waren nur rund 10% der Bevölkerung – die Ärmsten der Armen – vom System erfasst. Trotzdem war das System immer wieder pleite. Und immer wieder half man sich dadurch, dass man mehr Menschen zwang, sich zu beteiligen. Das brachte zwar mehr Geld ins System. Aber auch mehr Versicherte, die dann selbst wieder Leistungen aus dem System beziehen wollten. Ich nenne das den Bumerang-Effekt. Kaum ist man das Problem los, kommt es auch schon wieder angeflogen. änd: Aber wenn tatsächlich alle teilnähmen? Gebauer: Wenn alle beteiligt werden und nicht mehr „nur“ 90% der Bevölkerung wie heute, dann erreicht das System sein Endstadium. Denn mehr als alle kann man nicht zur Teilnahme zwingen. Die nächste Pleite wird also dann die letzte sein. änd: Warum wird das System nicht geändert, wenn es so schlecht ist, wie Sie sagen? Gebauer: Gesundheitspolitik wird von Sozialpolitikern gemacht. Wenn man einem Sozialpolitiker erklären will, dass das Solidarprinzip nicht funktioniert, dann trifft man sofort auf taube Ohren. Es ist, als wollte man mit dem Papst über die Jungfräulichkeit der Gottesmutter diskutieren, nur schwieriger. Besonders Sozialdemokraten leiden sehr, wenn diese Scheinsolidarität Thema wird. Für sie ist allein der Begriff ein unantastbares Heiligtum. änd: Fehlt also die Einsicht in das Problem? Gebauer: Ja. Ich glaube, kaum ein Sozialpolitiker durchschaut noch ganz, was gespielt wird, von sonstigen Parlamentariern ganz zu schweigen. Und denen, die es verstehen, fehlt meist die Phantasie, eine schmackhafte Alternative zum zuckersüßen Begriff vom Solidarprinzip zu denken. änd: Was wäre denn Ihr Gegenvorschlag? Gebauer: Wenn ich die Organisationsgewalt hätte, würde folgendes geschehen: Jeder Einwohner in Deutschland wird gesetzlich verpflichtet, sich mit einem zivilrechtlichen Versicherungsvertrag gegen das Risiko der Erkrankung zu versichern. Spiegelbildlich werden Krankenversicherungen verpflichtet, jeden Antragsteller ohne Gesundheitsprüfung zu einem einheitlichen Tarif zu versichern. änd: Was wird aus den heutigen Krankenkassen? Gebauer: Die gesetzlichen Kassen werden in Privatversicherungen umgewandelt und damit zu Wettbewerbern der heutigen privaten Anbieter. Eigentümer der neuen „Kassen“ sind nur ihre eigenen Versicherten, etwa als Aktionäre. Wer eine andere Versicherung für besser hält, verkauft seine Aktie und wechselt mitsamt seiner Altersrückstellung frei zu der neuen. Das schafft Anreize für alle, besser zu sein. änd: Was machen Menschen, die sich nicht leisten können, solche Beiträge zu zahlen? Gebauer: Versicherungsnehmer, die es sich nicht leisten können, ihre Beiträge selbst zu zahlen, erhalten diese aus allgemeinen Steuermitteln finanziert. Ob es sich einer leisten kann, Beiträge zu zahlen, weiß das Finanzamt. Dort sind seine finanzielle Situation und die Gesellschaft, bei der er krankenversichert ist, bekannt. änd: Es könnte Menschen geben, die versuchen, sich diesem System zu entziehen. Gebauer: Wer pflichtwidrig keinen Versicherungsvertrag unterhält, der muss eine Geldbuße an das Finanzamt bezahlen, die etwas teurer ist, als es sein eigener Versicherungsbeitrag gewesen wäre. änd: Wie wollen Sie bestimmen, in welchem Umfang Versicherungsschutz besteht? Gebauer: In erster Linie bestimme diesen Umfang weder ich, noch ein sonst Außenstehender oder gar ein Politiker. Den Umfang bestimmen vielmehr die Partner des Versicherungsvertrages selbst. Allerdings muss die Versicherung ihrerseits dem Staat gegenüber garantieren, dass ihre eigenen Versicherten nicht mangels hinreichenden Deckungsschutzes zur medizinischen Behandlung auf staatliche Sozialhilfe angewiesen sind. änd: Was passiert in solchen Fällen? Gebauer: In solchen Fällen kann das Sozialamt bei der Versicherung für die aufgewendeten Kosten Rückgriff nehmen. Damit wird die Versuchung für die Versicherung beseitigt, mehr Versicherte durch allzu niedrige Beiträge anzulocken. Umgekehrt profitieren die Versicherten davon, wenn ihre eigene Gesellschaft gut wirtschaftet, denn als deren Aktionäre partizipieren sie an deren Überschüssen. Hat die Gesellschafterversammlung hingegen zu „geizig“ projektiert und muss dem Staat gegenüber gehaftet werden, steigt der Beitrag. änd: Ist dieses System denn mit unserem Grundgesetz zu vereinbaren? Gebauer: Selbstverständlich. Mehr wahre Demokratie und soziale Verantwortung des Eigentums sind in der Krankenversicherung schwerlich denkbar. Die Patienten bestimmen nämlich mit Mehrheit selbst über ihr eigenes Schicksal. Staatliche Zwangseingriffe und Zentralplanungen kennt dieses selbststeuernde System nicht mehr. Dem Kranken wird geholfen und dem Armen sein Beitrag aus Steuermitteln finanziert. Dieses System ist mithin gleich zweifach „solidarisch“ – nur in einem weit funktionsfähigeren Sinne als das alte.

änd: Welche Rolle hat dann noch der Staat? Gebauer: Die medizinischen Sicherheitsbedürfnisse der Patienten und ihre wirtschaftlichen Interessen als Eigentümer der Versicherungsgesellschaft sind in meinem Modell unmittelbar gegeneinander ausbalanciert. Die Rolle des ausgleichenden und schützenden Staates ist daher darauf beschränkt, den allgemeinen mittleren Versicherungsbeitrag der Branche festzustellen. Genau dieser Betrag wird dann von dem Finanzamt unmittelbar an die ihm von dem Bedürftigen benannte Versicherung überwiesen. Wenn die Welt dann sieht, wie im deutschen Gesundheitswesen gleichzeitig die Preise fallen und die Qualität wieder steigt, dann wird der Exportweltmeister auch zum allseits bewunderten Gesundheitsweltmeister. änd: Würden damit also auch die Kassenärztlichen Vereinigungen in ihrer heutigen Form überflüssig? Gebauer: In ihrer derzeitigen Form sicher. Denn anders als in dem heutigen System wird auch wieder möglich, dass Arzt und Patient direkt in vertragliche Beziehung miteinander treten. Die unsäglichen Exzesse von Zulassungs- und Genehmigungsbescheiden, von Rechtsbehelfsbelehrungen, Widerspruchsverfahren, Ausschussberatungen, Anfechtungsklagen, EBM und Fallgruppen etc. werden ein Ende haben. Die heute dort verlorenen Mittel müssen für Medizin frei werden. änd: Möchten Sie selbst eigentlich einmal Gesundheitsminister werden? Gebauer: Nein. Denn Gesunde brauchen überhaupt kein Ministerium. ó Zum Gesprächspartner Carlos A. Gebauer ist seit 1994 Rechtsanwalt für Versicherungsrecht und Krankenhausrecht und viel gefragter Autor, Referent und Moderator. www.make-love-not-law.com 9 PT-MAGAZIN 2/2018 Gesellschaft PREMIER-FINALIST 2017 ALBERT FISCHER HAUSBAU GmbH Heilswannenweg 53 31008 Elze Tel. 05068 / 9290-0 Fax -40 www.af-gewerbebau.de ALBERT FISCHER GmbH Heilswannenweg 53 31008 Elze Tel. 05068 / 9290-0 Fax -40 www.albert-fischer.de ALBERT FISCHER HAUSBAU GmbH Bahnhofstraße 70 31008 Elze Tel. 0 5068 / 931050-0 www.af-hausbau.de Albert Fischer GmbH – Alle Bauleistungen aus einer Hand!

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