Nichts bleibt wie es war Wirtschaftliche Megatrends in der Digitalen Transformation PT-MAGAZIN 2/2018 Wirtschaft 42 Basierend auf sich immer weiter entwickelnden digitalen Technologien bezeichnet die Digitale Transformation den fortlaufenden Veränderungsprozess der gesamten Gesellschaft und Wirtschaft. Diese Transformation prägte bereits das ganze letzte Jahrhundert: Von der Entwicklung des Computers vom Großrechner, Personal Computer bis zum Smartphone, Tablet Computer ebenso wie die neue Post-App-Phase auf Basis intelligenter Sprachsysteme, die computergestützte Automatisierung von Maschinen und Produktionsprozessen, das Speichern großer Datenvolumen – wir alle erleben schon seit Jahrzehnten einen fortlaufenden Prozess, in dem die Digitalisierung unser privates oder berufliches Leben verändert. Die Digitale Transformation handelt aber nicht nur von den sich ständig weiterentwickelnden Technologien und der Art und Weise, wie diese vorhandene Verfahren und Strukturen optimieren. Das Konzept der Digitalen Transformation beinhaltet auch all die Chancen und Risiken, die aus der Anwendung dieser Technologien entstehen. Mindestens sechs zentrale wirtschaftliche Megatrends und Konsequenzen ergeben sich dabei konkret für Unternehmen: die Substitution, die Disruption, die Größenregression, die Disintermediation, die Projektifizierung und die Autonomie. Substitution Unter Substitution versteht man den Austausch einer bisherigen Lösung (Produkt, Dienstleistung, Prozess etc.) durch eine alternative Lösung, die den gewünschten Effekt (z.B. Bedürfnisbefriedigung, Produktionsleistung) mindestens genauso gut umsetzt wie die ursprüngliche Lösung. So schrieb man noch vor 30 Jahren Briefe mit der Schreibmaschine, bevor diese durch Computer und Tastatur ersetzt wurde. Dabei kam es nicht nur zu einer Substitution des Schreibgerätes, sondern auch zur Auswechslung der Kommunikationsform selbst. Denn aus gewöhnlichen Briefen wurden E-Mails. Eine weitere Stufe der Substitution folgte durch neuartige Anwendungen wie WhatsApp. Auch die Tastatur des Computers erlebt aktuell Substitution Etablierter Wettbewerb national & international selbst eine Substitution. Anwendungen wie Amazon Echo (Alexa), Apples Siri oder digitale Assistenten wie Amelia kommunizieren mit dem Anwender über Sprachbefehle und Mikrofone. Die digitale Welt der Kommunikation unterliegt dauerhaft Substitutionen. Die Substitution ist generell eine der drei führenden Kräfte des Wettbewerbs. Neben etablierten Konkurrenten und neuen Wettbewerbern bilden Substitutionen eine dauerhafte Gefahr für die Wettbewerbsfähigkeit einer Organisation. Substitutionen wirken dabei nicht nur an sich schon als Wettbewerbskraft. Sie unterstützen zudem neue Wettbewerber, sich schneller, kostengünstiger und kundenorientierter am Markt zu etablieren. Solche neuen Wettbewerber kommen aus den Reihen bisheriger Kunden, Lieferanten, Mitarbeiter oder Dritter (z.B. Investoren, Hochschulen). Spannend sind immer mehr die früheren eigenen Mitarbeiter, die sich zu neuen Wettbewerbern entwickeln. Gerade die digitalen Möglichkeiten Kräfte des Neuer Wettbewerbbewerb Wett- Kunden, Lieferanten, Mitarbeiter erleichtern es erfahrenen Mitarbeitern, ihre eigenen Ideen auch losgelöst vom bisherigen Arbeitgeber umzusetzen. Damit werden sie zu Wettbewerbern mit bestem Wissen über die Kunden, Leistungsangebote, Prozesse und Strukturen, aber besonders auch über die Schwächen des bisherigen Arbeitgebers. Beispiele für Unternehmensgründer, die aus etablierten Unternehmen ausgeschieden sind, weil sie dort ihre eigenen (mehr oder weniger digitalen) Ideen nicht umsetzen konnten, sind die Gründer von SAP, Motel One und Red Bull. Sie alle blieben ihren Branchen treu und gründeten mit dem Wissen aus ihrem bisherigen Arbeitsumfeld erfolgreich neue Firmen mit neuen Geschäftsmodellen. Disruption Eine zweite zentrale Konsequenz aus der Digitalen Transformation sind Disruptionen, die etablierte Märkte durcheinandermischen. Als Disruption (Unterbrechung, Störung, Erschütterung)
Premium Kunden Verbesserung bezeichnet man eine bahnbrechende radikale Innovation, die die bestehenden Produkte, Dienstleistungen, Geschäftsmodelle, Prozesse oder Technologien vollständig verdrängt. Viele Firmen versuchen erst gar nicht, disruptive Lösungen auf der Basis neuer Technologien und Trends oder zukünftiger Kundenbedürfnisse zu erarbeiten. In der Sprache der Wettbewerbsstrategien formuliert: Sie ruhen sich auf ihren (Kosten- oder Nutzen-) Erfolgen der Vergangenheit aus oder fühlen sich gewissermaßen wohl im Sumpf der Vergleich- und Austauschbarkeit. Anders die jungen Firmen, die Start-ups: Aufgrund ihrer Unbekümmertheit, der Kenntnis von Mängeln und Lücken vorhandener Strukturen und Sortimente sowie der Gruppendynamik kleiner, neu zusammengesetzter Einheiten zielen Firmengründungen eher auf disruptive Innovationen als auf reine Verbesserungen. Um Disruptionen zu erreichen, reicht es nicht aus, sich an anspruchsvollen Bestands- bzw. Premium-Kunden zu orientieren! Die Anregungen und Wünsche dieser Kundengruppe führen zwar zu Verbesserungen und Erweiterungen des bisherigen Leistungsangebotes, doch nicht zu bahnbrechenden Veränderungen. Hierzu sollte man sich lieber an den Bedürfnissen der preissensiblen, „Low- End-Kunden“ oder gar an jenen Nicht- Kunden orientieren, die bisher von keinem Anbieter (also auch nicht von den Wettbewerbern) erreicht werden. Mit anderen Worten: Während sich etablierte Unternehmen besonders um ihre etablierten Kundengruppen kümmern, vernachlässigen sie die Wünsche und Nachfragepotenziale sowohl der preissensiblen wie auch der bisher gar nicht als Nutzer gewonnenen Kundengruppen. Doch gerade hier liegt das Potenzial für Disruptionen. Wer nämlich sein Geschäftsmodell auf diese beiden letztgenannten Kundengruppen ausrichtet, ohne dabei seine Bestandskunden direkt zu verscheuchen, kann nicht nur neue Märkte (sogenannte „Blue Oceans“) gewinnen, sondern langfristig seine traditionelle Kundengruppe dank Preis- und/oder Nutzenvorteile erneut an sich binden. Hier gilt das Motto: „Lieber kannibali- Low-End Kunden Nicht-Kunden Zielkunden für Disruption siere ich mich selbst, als dass dies durch einen Wettbewerber geschieht“. Und wie hilft hier die Digitale Transformation? Gerade die Verbindung von Digitalisierung, Industrie 4.0 und Produktionstechniken wie 3-D-Druck erlaubt es auch kleineren Unternehmen, mittels disruptiver Innovationen simultan Kosten- und Nutzenführer zu werden. Ob als Automotivzulieferer, Maschinenbauer, Nahrungsmittelhersteller oder Planungsbüro – bei den neuen Technologien und Verfahren dominieren nicht mehr zwangsläufig die großen Marktteilnehmer, sondern jene, die am schnellsten und effektivsten die Trends zu ihrem eigenen Vorteil zu nutzen wissen. Besonders Start-ups, aber auch etablierte mittelständische (Familien-)Unternehmen können ihre Innovationskraft und konsequente Umsetzungsstärke bei dieser Entwicklung einsetzen. Denn es braucht weniger Größe, sondern vielmehr Willen und Flexibilität, um die Innovationsmöglichkeiten, die sich aus disruptiven Änderungen ergeben, als Chance zu nutzen. Größenregression Dies führt uns sogleich zu einer dritten Konsequenz in diesem Zusammenhang: Dem Effekt der Größenregression. Mit der Digitalen Transformation bekommt der bekannter Lehrsatz aus Charles Darwins (1808–1882) Evolutionstheorie eine weitere Bedeutung: „Es ist nicht die stärkste Spezies, die überlebt, nicht die intelligenteste, es ist diejenige, die sich am ehesten dem Wandel anpassen kann“. Gerade kleine und mittelständische Unternehmen (kurz: KMU) – unter der Leitung von nachhaltig orientierten, modernen Unternehmensführungen – beweisen häufig, dass sie die Chancen der Digitalen Transformationen schneller und kompetenter aufgreifen und umsetzen als so manches Großunternehmen. Unternehmensgröße Erweiterung Disruption Früher galt eher das Prinzip der Größe. Begründet wurde dies mit dem Bedarf an Mengeneffekten und der Kostendegression, der zufolge die Stückkosten mit zunehmender Produktionsmenge sinken, weil sich die fixen Kosten auf eine größere Menge verteilen. Weitere Gründe für den Aufbau von Großunternehmen waren der Verdrängungswettbewerb sowie die Attraktivität von Marktanteilen und Marktgröße gegenüber Kunden, Arbeitnehmern, Banken und der Politik. Doch diese Gründe verlieren in Zeiten der Digitalen Transformation immer mehr an Bedeutung: Start-ups sind mindestens genauso attraktive Arbeitgeber wie früher Großunternehmen. Großunternehmen KMU Fähigkeit zur Digitalen Transformation Größenregression Startup Allerdings gilt auch bei der Größenregression der in der digitalen Welt bekannte Netzwerkeffekt. Kleinere Unternehmen sind nur dann Nutzenführer in der digitalen Welt, wenn sie eine gewisse Verbreitung, also Bekanntheit und Akzeptanz, generiert haben. Oder anders gesagt: Wer benötigt Facebook, wenn dort nicht die Mehrzahl der Freunde und Bekannten zu finden sind? Disintermediation Ein vierter Trend der Digitalen Transformation ist die sogenannte Disintermediation oder das Verschwinden bisheriger Zwischenhändler. Lieferanten können hierbei - mittels digitaler, globaler Vernetzung, den immer kompatibleren ˘ 43 PT-MAGAZIN 2/2018 Wirtschaft
14. Jahrgang | Ausgabe 2 | 2018 | I
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