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PT-Magazin 02 2018

Magazin für Wirtschaft und Gesellschaft. Offizielles Informationsmagazin des Wettbewerbs "Großer Preis des Mittelstandes" der Oskar-Patzelt-Stiftung

Kapitalismus an sich

Kapitalismus an sich Eine kritische Betrachtung moderner Kritik PT-MAGAZIN 2/2018 Wirtschaft 34 © imtmphoto Milleniumsziel erreicht. Auf dem Millennium-Gipfel der UNO im September 2000 beschlossen die Staats- und Regierungschefs, die Armut in der Welt bis zum Jahr 2015 zu halbieren. So utopisch das Ziel auch klang: Es wurde erreicht. 1990, im Referenzjahr des Milleniumsziels, als der Eiserne Vorhang fiel und das „Sozialistische Weltsystem“ zerbrach, lebten 1,926 Milliarden Menschen auf der Welt in extremer Armut. Sie hatten weniger als 1,25 Dollar am Tag. 2015 lebten nur noch 836 Millionen Menschen in tiefstem Elend. Gleichzeitig war die Weltbevölkerung im selben Zeitraum von 5,32 Milliarden auf 7,35 Milliarden Menschen angestiegen. Das heißt, obwohl es zwei Milliarden Menschen mehr gibt, und obwohl es viel mehr Kapitalismus gibt, ist das Elend in dieser Welt keineswegs gewachsen. Sondern eine Milliarde Menschen sind der extremen Armut entkommen. Milleniumsziel ignoriert. In der deutschen Öffentlichkeit und vielen „kapitalismuskritischen“ Medien wird dieser unglaubliche Erfolg bis heute ignoriert. Lediglich 7 Prozent aller Deutschen halten eine leichte Verbesserung für möglich. 92 Prozent glauben sogar, die Armut auf der Welt sei gewachsen, auf jeden Fall aber gleich geblieben. (Oxfam-Studie von 2016). © Team Oktopus - stock.adobe.com ist die Krise.“ Oder: „There is no alternative. – Kapitalismus überwinden.” Oder „Kapitalismus wie klingt das: „Kampf dem Kapitalismus-Imperialismus.“ Es ist seltsam. Es scheint salonfähig zu sein, gegen den Kapitalismus an sich zu demonstrieren. Nicht gegen eine Ausprägung des Kapitalismus oder eine bestimmte Art. Nein. Es soll der Kapitalismus an sich sein. Der Philosoph aus Königsberg hätte vielleicht auch etwas dazu zu sagen. Aber Immanuel Kant ist seit über 200 Jahren tot. Ich möchte nicht missverstanden werden. Auch ich bin der Ansicht, dass es Elemente in unserem System gibt, die unfair oder falsch sind. Ich diskutiere gerne darüber und versuche diese Aspekte sichtbar zu machen. Aber ich wäre nie auf die Idee gekommen, gegen die reine Abstraktion zu demonstrieren. Das ist genau so, wie wenn ich gegen den Staat demonstriere. Es wäre schon merkwürdig, Demonstranten dabei zu beobachten, wie diese gegen den Staat Frankreich oder gegen den Staat Kanada demonstrieren. Ich meine damit nicht gegen Beschlüsse, Gesetze oder gegen den jeweiligen Herrscher. Nein. Den Staat Frankreich oder Kanada an sich. Aber es müsste noch eine Stufe weiter gehen, um den Vergleich perfekt zu machen. Ich müsste gegen den Staat an sich demonstrieren. Ich müsste selbstgemalte Banner hochhalten auf denen steht: „Der Staat muss weg.“ Oder „Tod dem Staat.“ Oder wie klingt das: „Kampf den Staaten. Verbrennt alles!“ Eine Argumentation hätte ich auch parat: Staaten sperren Menschen ein, Staaten unterdrücken Schichten der Bevölkerung und Staaten führen Kriege gegeneinander. Das beste Mittel? Den Staat abschaffen. Es gibt ausreichend politische und intellektuelle Positionen, welche einen Minimalstaat fordern. Andere treten für einen starken Staat ein, der die Bürger schützen soll. Aber das ist nicht der Punkt. Keiner würde auf die Idee kommen, gegen den Staat an sich zu demonstrieren. Warum funktioniert das beim Kapitalismus? Unter „Ding an sich“ versteht Kant die Wirklichkeit, wie sie unabhängig von aller Erfahrungsmöglichkeit, für sich selbst besteht. Also steht uns auch der Kapitalismus oder der Staat an sich gar nicht so unmittelbar zur Verfügung. Es scheint nicht klar zu sein, dass das Gegenteil von Kapitalismus ebenfalls eine andere Form des Kapitalismus sein kann. Die verschiedenen klassischen Formen wie Monetarismus oder Keynesianismus lassen sich ebenso diskutieren, wie die moderneren Ausprägungen des Ayn-Rand- oder Plattform-Kapitalismus. Eine Plattform, das wäre eine Firma wie Amazon, die selber keine Gegenstände produziert, aber diese weltweit von allen

Lieferanten schnell und kostengünstig zur Verfügung stellen kann: Eine Gegenstands-Plattform. Uber? Eine Transport- Plattform und Airbnb wäre eine Aufenthaltsplattform. Es ist eine Irrmeinung zu denken, dass Kapitalismus gleichbedeutend mit Ausbeutung ist. Vielleicht liegt es auch daran, dass das Wort Egoist stets negativ belegt ist, aber auch hier gibt es andere Denkrichtungen, die sich anbieten. Alle Pioniere und Erfinder, die nächtelang durchgearbeitet haben, um die Kindersterblichkeit zu halbieren oder unser Leben zu verbessern, werden durch diese plumpe Kritik praktisch vergessen: Egoisten in einem anderen Sinne. Kann Kapitalismus sozial sein? Ich bin überzeugt davon, dass wenn man einmal akzeptiert hat, dass im Kapitalismus nicht die Wurzel allen Übels liegt, sondern eine Chance für alle Menschen darstellt, dann ist es auch kein Problem die sozialen Aspekte zu finden. Wenn genug Überschuss produziert wird und man diesen verteilen kann, dann ist auch mehr für die schwächeren Mitglieder einer Gesellschaft da. Alfred Krupp hatte ein Interesse an gesunden und motivierten Mitarbeitern. Die sogenannten „Kruppianer“ wurden versorgt wie in einer modernen Kranken- und einer Pensionskasse. Das passierte schon lange vor Bismarck. Natürlich handelte die Familie Krupp im egoistischen Eigeninteresse, aber was ist falsch daran? Kapitalistische Unternehmen stellen uns Produkte zur Verfügung, die wir als Gesellschaft nutzen können und wollen. Teilweise ist es sogar paradox. Das Internet würde es ohne Pioniere, Wissenschaftler, Ingenieure und Kapitalisten nicht geben. Eine Firma wie Facebook bietet einen hervorragenden Dienst an, den Menschen weltweit nutzen, um sich zu vernetzen. Hätte ein Mann namens Cyrus Field nicht ein Kabel durch den Atlantik gezogen, hätte Tim Berners-Lee nicht darüber nachgedacht, wie man Daten zwischen Wissenschaftlern einfacher austauschen könnte und hätte ein Mark Zuckerberg nicht die größte soziale Plattform der Welt programmiert, dann könnten selbsternannte Systemgegner heute nicht so effektiv gegen den Kapitalismus wettern, wie diese es jeden Tag machen – beinahe kostenfrei. Für Kapitalismuskritiker ist das kein Widerspruch. Warum ist der Über den Autor Dr. Patrick Hedfeld ist studierter Physiker und Philosoph und wurde kürzlich mit einer Arbeit über Positionen der Kognitionswissenschaft in Hegels System promoviert. Kapitalismus das unbekannte Ideal? Ich bin seit langem der Ansicht, dass wir unsere gesellschaftlichen Leistungsträger nicht genug würdigen. Es scheint, als müsse man sich in unserer Gesellschaft oft für seinen Fleiß oder seinen Antrieb entschuldigen, da man auf diese Weise von einer Standardnorm abweicht. Man darf nicht vergessen, dass der überwiegende Anteil unserer Steuereinnahmen von einem kleinen Teil der Bevölkerung geleistet wird. Der Kapitalismus ist deshalb die beste Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung, die wir haben, da sie der Natur des Menschen am nächsten kommt. Alle Sozialisten von Friedrich Engels bis Che Guevara fordern in ihren Texten einen „neuen Menschen“, der erst durch Erziehung Sozialist sein muss. Es ist vielleicht das Eingeständnis, dass der Mensch als Kapitalist geboren wird. ó 35 PT-MAGAZIN 2/2018 Wirtschaft FOCUSED on DESIGN and QUALITY ENTWICKLUNG UND HERSTELLUNG VON: • Medizinischen Liegen • Stoßwellentherapie-Geräten Unser Unternehmensfilm Tel. +49 7262 9189-0 www.likamed.de

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