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PT-Magazin_02_2017

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Magazin für Wirtschaft und Gesellschaft. Offizielles Informationsmagazin des Wettbewerbs "Großer Preis des Mittelstandes" der Oskar-Patzelt-Stiftung

Die vergessene Seite der

Die vergessene Seite der Medaille Herausforderung Unternehmensnachfolge: 9 von 10 Betrieben in Mainfranken wollen den Staffelstab weiterreichen PT-MAGAZIN 2/2017 Bayern 56 Das Thema Start-up ist en vogue. Strukturveränderungen Branchen dank Digitalisierung und neue Geschäftschancen, der mit Startups oft assoziierte Coolness-Faktor – nicht zuletzt dem hippen, urbanen Flair von Gründerszenen und –typen in Berlin oder München geschuldet – oder ausgewählte TV-Formate wie „Die Höhle der Löwen“ rücken das Gründergeschehen wieder mehr in die Mitte der Gesellschaft. Das ist gut so! Ein Schattendasein führt hingegen zu oft die Unternehmensnachfolge. Dabei handelt es sich bei Gründung und Nachfolge stets um zwei Seiten einer Medaille: Den Schritt zu Unternehmertum und Selbstständigkeit. Ein Unternehmensnachfolger ist vielfach Existenzgründer. Das Vergessen der Unternehmensnachfolge ist fatal, sind es doch vielfach mittelständische, familiengeführte Betriebe, deren Zukunft auf dem Spiel steht. Mehr Übergabewillige, weniger Nachfolger Die Situation der Existenzgründung und die der Unternehmensnachfolgen, beides hat Ursachen nebst Konjunkturentwicklung und positiver Arbeitsmarktsituation im demografischen Wandel: Die Gesellschaft altert, auch Firmenchefs und Betriebsinhaber scheiden häufiger altersbedingt aus dem Berufsleben aus. Bereits heute stehen laut Institut für Mittelstandsforschung (IfM) in Bayern pro Arbeitstag rund 24 Unternehmensübergaben an. Parallel verringert sich die Bevölkerungsanzahl insbesondere in den ländlichen Räumen, dies mit Folgen für den (potenziellen) Unternehmerbestand. In Sachen Gründung gibt es morgen weniger Selbstständige als gestern. Laut Gründeratlas Mainfranken 2016 lag das gewerbliche Gründungswachstum zuletzt bei 272 pro Jahr. Noch im Jahr 2010 wuchs der Gewerbebestand um 1.837, 2006 um 2.143. Ein klarer Trend, wenngleich sich in jüngerer Zeit wieder Zuwächse zeigen, gerade bei den im Handelsregister eingetragenen Betrieben. Positiv in Sachen Unternehmensnachfolge in Mainfranken: Neun von zehn Betrieben wollen den Staffelstab an die nächste Generation weiterreichen. Die geplante Betriebsaufgabe ist laut letztem IHK-Nachfolgereport kaum eine Option. Bedauerlicher Weise klaffen aber genau hier Wunsch und Wirklichkeit auseinander. Die Kluft zwischen einer zunehmenden Anzahl an Übergebern und einer geringeren Anzahl an Übernehmern wächst. Noch im Jahr 2010 kamen laut DIHK bundesweit auf jeden beratenen Übergeber rund 1,7 Übernehmer, heute sind es nur noch rund 0,8. Es verwundert daher leider nicht, dass auch laut Aussage der mainfränkischen Unternehmen jeder vierte Übergabewillige als den wesentlichen Grund für ein mögliches Scheitern der Übergabe das Fehlen des Nachfolgers benennt. Sowohl bei der Suche innerhalb der eigenen Familie, der Mitarbeiterschaft, aber auch extern, ergeben sich weniger Lösungen. Kurzfristige und langfristige Lösungsansätze beachten Fakt ist, die Angebotsseite (Anstieg der Übernahmefälle) ist kaum beeinflussbar – fernab üblicher Marktbereinigungen. Lösungsansätze sind vielmehr: Massive Stärkung der Nachfrageseite (Nachfolgepotenziale), hierbei der Gründungskultur in den Regionen, sowie adhoc Unterstützung beim Generationenwechsel. Der Detailblick zeigt, dass die Lücken zwischen Übergabe- und Übernahmewilligen besonders groß ist in

Über den Autor Dipl.-Volkswirt Dr. Sascha Genders ist Bereichsleiter der IHK Würzburg-Schweinfurt für Standortpolitik, Existenzgründung und Unternehmensförderung. den Branchen Industrie-, Handel sowie Hotel- und Gastgewerbes ist. In mainfränkischen Mittelzentren gibt rund ein Viertel der Einzelhändler an, in den kommenden fünf Jahren den Betrieb aufgeben zu wollen oder müssen, mit Blick auf die Innenstadtentwicklung fatal. In Sachen Start-up-Diskussion gilt daher, unbestritten von eben deren Relevanz, dass für die Lösung der Herausforderung der Unternehmensnachfolge eben nicht nur die Förderung innovativer und kreativer Start-ups wichtig ist, sondern die Gründungskultur insgesamt zu steigern ist. Die Gründerszene in der Region ist stetig aktiver, beispielsweise an den Standorten Würzburg oder Schweinfurt. Lokale Netzwerke wie die „Gründerszene Mainfranken“ leisten darüber hinaus einen wichtigen Beitrag. Auch neue Angebote wie ein IHK-Mentoring-Programm oder das Thema Zuwanderung bieten Potenziale. Aber die Förderung der Nachfrageseite in der Nachfolgediskussion setzt nicht-diskriminierende, vertikal ausgerichtete, proaktive Rahmenbedingungen politischer und administrativer Art voraus, von adäquaten Handlungsfreiräumen für echtes Unternehmertum – mit Blick zum Beispiel auf eine vereinfachte Steuergesetzgebung oder den Verzicht auf bürokratischen Mehraufwand – bis hin zu einer langfristigen Etablierung einer sich verselbstständigenden Gründungskultur, beginnend durch Förderung von Unternehmertum in den Schulen. Herausforderung Partnersuche und Finanzierung Kurzfristig muss es dringendes Ziel sein, bestehende Probleme der Übergabeprozesse zu lösen. Die Lücke zwischen Übergeber- und Übernehmeranzahl besteht, umso bedeutsamer ist das Matching bei bestehendem Ungleichgewicht zu stärken. Es existieren gute Bausteine wie die Unternehmensnachfolgebörse „Nexxt Change“, vielfach setzt die Vermittlung aber Einzelfallarbeit vor Ort voraus und ergibt sich aus einem starken regionalen Netzwerk. In Mainfranken insbesondere benennen die Betriebe zum neben Gesprächen innerhalb des Betriebes, die Kontakte mit Rechtsanwalt und Steuerberater, aber auch mit den Wirtschaftskammern. Die IHK Würzburg-Schweinfurt leistet mit einem Servicepaket zur Unternehmensnachfolge wichtige Hilfe. Neben der Nachfolgersuche berichten Unternehmen insbesondere von Problemen bei der Verkaufspreisfestlegung sowie Finanzierung. In der Praxis zeigt sich, dass es neben den Kaufpreisfinanzierungen und hierbei denkbaren öffentlichen Förderkrediten auch wünschenswert wäre, spezielle Fördermöglichkeiten zur professionellen Begleitung im Übergabeprozess für die vielen kleinen übergabewilligen Unternehmen zur Verfügung zu stellen, so wie dies beispielsweise für Existenzgründer in Bayern in Form von Coachingprogrammen möglich ist. Die Herausforderung Unternehmensnachfolge bringt massive Herausforderungen, deren Relevanz nach nicht im öffentlichen Diskurs angekommen ist. Unternehmertum muss flächendeckend und breit in die Region und zu Entscheidungsträgern und in die Gesellschaft gebracht werden. Nur so lässt sich langfristig eine positive Entwicklung sicherstellen, nebst der Unterstützung in kurzund mittelfristiger Art. Darüber hinaus sollte bei jedweder politischer Weichenstellung immer der Einklang von Nachfolge und Gründung gesehen werden. Beide Medaillenseiten sind gleichwertig und gleichbedeutsam. Wer wie beim Glückspiel immer nur auf Kopf oder Zahl setzt, gewinnt nicht immer. Und hierfür steht zu viel auf dem Spiel. ó Sascha Genders 57 PT-MAGAZIN 2/2017 Bayern Ihr Partner für Elektronik & Technik A Elektronik, Technik & Sonderposten zu Superpreisen für Privat- & Firmenkunden A Große Auswahl mit über 20.000 Artikeln PREMIER 2016 Großer Preis des MITTELSTANDES Katalog mit über 400 Seiten Online www.pollin.de Pollin Electronic GmbH ∙ Max-Pollin-Str. 1 ∙ 85104 Pförring ∙ Tel. +49 (0)8403 920-920

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