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P.T. MAGAZIN 02/2014

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Würden Sie ein Auto

Würden Sie ein Auto downloaden? Daimler und BMW schaffen Online-Konkurrenz für Autohäuser, Online-Börsen verkaufen zunehmend Neuwagen und die Demografie spricht auch nicht unbedingt „Auto“ Wirtschaft 44 In Zeiten, in denen Online-Versandhändler Milliardenumsätze fahren (Amazon 25,6 Milliarden Dollar im vergangen Quartal), Elektronikartikel mit verlockenden Rabatten im Internet bestellt werden und sogar hochindividuelle Dinge wie Schuhe, Brillen oder Arznei zunehmend in Paketform nach Hause geordert werden, scheint der Kfz-Handel mit seinen Vertragsniederlassungen und den geputzten Glasfassaden zigtausender Autohäuser wie eine letzte, trotzige Bastion im schnell gewordenen Marktgeschehen zu stehen. Noch. Denn der Vertrieb von Neuwagen übers Internet bedroht möglicherweise die Existenz der Autohäuser im Land. Wie jüngst in der AUTO BILD zu lesen war, befürchten viele Autohaus- Besitzer, dass sich wie beim Einzelhandel ein großer Teil des Umsatzes ins Internet verschiebt. Daimler und BMW bieten bereits Neuwagen im Internet an, andere werden mit Sicherheit folgen. Einer Studie des Unternehmensberaters PwC zufolge soll die Zahl der Autohändler bis zum Jahr 2020 von 7.800 auf 4.500 sinken – und das nicht nur wegen des Internets. Was ist dran am automobilen Schwanengesang? Kiesbetthändler 2.0 Fakt ist, dass das Internet für die Vermittlung von Gebrauchtwagen inzwischen eine wichtige Rolle übernommen hat. Portale wie mobile.de und autoscout24. de sind die Kiesbetthändler des Netzzeitalters, das Internet längst der größte Automarkt der Welt. Dabei waren solche Börsen lange Zeit nur Vermittler zwischen Käufer und Verkäufer und damit letztlich nur eine andere Ausprägung der Suche-Biete-Rubriken gedruckter Tageszeitungen. Mit dem zunehmenden Abverkauf von Neuwagen graben die Online-Portale allerdings den Autohäusern das Wasser ab, selbst dann, wenn sie lediglich als Vergleichsplattform für ebendiese Neuwagenhändler dienen. Zwar beteuern Hersteller, dass der Autokauf im Internet Kunden derzeit kaum Vorteile bietet. Peter Ritter, Chef des Mercedes-Händlerverbandes, verweist etwa darauf, dass sich in den Online- Autohäusern von Mercedes nicht handeln lasse, eine Inzahlungnahme von Gebrauchtwagen sei ebenso wenig vorgesehen. „Die Autos sind online nicht günstiger als im Handel“, sagt zudem Daimler-Sprecherin Ulrike Bless. Nun mag das zwar für den direkten Online-Abverkauf der Hersteller durchaus stimmen, tatsächlich findet im Internet jedoch ein zunehmender Rabattkampf statt – ausgetragen von Marken- und Vertragshändlern. Auto per Klick In den letzten Jahren haben Online- Autobörsen nicht nur mit dem Handel gebrauchter Kfz Erfolge eingefahren, sondern auch große Zuwachsraten in der Vermittlung von Neuwagen zu vermelden. Wer nach Gründen fragt, muss nicht lang suchen: Die teilweise hohen Preisnachlässe – 15 % des Listenpreises sind keine Seltenheit – machen den Kfz- Kauf per Mausklick so attraktiv wie das Bestellen von Festplatten oder RAM-Riegeln. Das Geschäftsmodell funktioniert, wie im Netz üblich, über Konkurrenzkampf der Anbieter untereinander: Auf der Online-Plattform wechseln die angeschlossenen, zertifizierten Markenhändler lediglich den gefliesten Autohausboden mit dem digitalen Portal, um ihre Modelle zu Markte zu tragen. Potenzielle Käufer stellen sich online ihr Traumauto – oder eben das, was sie haben möchten – zusammen und erhalten entweder Lagerfahrzeuge von Händlern aus der Region zum Vergleich oder einen meist saftig rabattierten Onlinepreis für die Neubestellung. Nun könnte man ja einwenden, dass es prinzipiell egal wäre, ob der Händler seiner Ware direkt per Handschlag im Autohaus oder im Internet an den Mann bzw. die Frau bringt. Faktisch heizen die Online-Börsen jedoch die ohnehin schon tobende Rabattschlacht zusätzlich an. „Am Ende werden dann irgendwann eingeräumte Schleuderpreise zum Maßstab für viele Preisverhandlungen“, macht Robert Rademacher, der Präsident des Zentralverbands Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK), seinem Ärger Luft. Daher möchte der ZDK auch gern eine eigene, markengebundene Online- Vertriebsplattform für Neuwagen aufbauen, die neben dem Rabatt beispielsweise auch Serviceleistungen der Händler berücksichtigt. Denn, da ist sich Rademacher sicher, werden auch zukünftig Hersteller ihre Ware nicht nur über das Netz absetzen. Gerade komplexe Konsumgüter wie Autos kämen ohne intensive Beratung und Betreuung vor Ort nicht aus, so der ZDK-Präsident. Daimler mit Online-Shop Es ist gegenwärtig nicht abzusehen, welches Potenzial freie und markengebundene Portale beim Neuwagenverkauf entwickeln können. Der selektive Vertrieb ist zwar nach wie vor das bevorzugte Geschäftsmodell der Automobilindustrie in Deutschland für den Absatz von Neufahrzeugen, dennoch preschen P.T. MAGAZIN 2/2014 P.T. MAGAZIN 2/2014 Hersteller wie Daimler und BMW nach vorne. Die Stuttgarter verkaufen seit Kurzem drei Modelle direkt über ihren Online-Shop „Mercedes-Benz Connect me“. Die Preise sind nicht verhandelbar, die Ausstattung fest. Eine direkte Konkurrenz zu den Autohäusern wolle man mit dem Angebot nicht aufbauen, so heißt es, und bietet die Modelle zum entsprechend gleichen Preis an. Mercedes folgt damit den Münchner Autobauern von BMW, die ihren urbanen Elektroflitzer BMW i3 in einem eigenen Onlineshop anbieten. Große Umsatzzahlen werden sich vom Onlinehandel zwar noch nicht erhofft, dennoch ist der erste Schritt gemacht, um den Internetmarkt nicht komplett den Plattformbetreibern zu überlassen. Service ist nicht downloadbar Wo Autohäuser in Zukunft punkten müssen, ist der After-Sales- und Gebrauchtwagenbereich. Hier ist viel persönlicher Kontakt gefragt, denn der Aufbau einer Vertrauensbeziehung ist online ungleich schwere als im direkten Gespräch. Im Rahmen des Kundendienstes können Wartungs- und Reparaturaufträge ohnehin nur vor Ort ausgeführt werden. Die vergangenen Jahre können auch aus dem Blickwinkel des Servicegeschäfts eine gute Entwicklung aufweisen. Die Anzahl der verkauften Werkstattstunden und Kfz-Teile ist in diesen Jahren deutlich gestiegen. Nach Aussage des DAT- Reports 2013 ist das Werkstattgeschäft unverändert ein wichtiger Umsatzträger für die Kfz-Betriebe. Der jährliche Aufwand für Wartungsarbeiten, die Beseitigung von Verschleißschäden, Reparaturen und Unfallschäden liegt inzwischen bei über 39 Mrd. Euro. Demografie und Verstädterung Egal, ob Online-Anbieter oder Vertragshändler um die Ecke – einige Trends werden beide nicht aufhalten können: Erstens sorgt der demografische Wandel dafür, dass es bereits 2020 rund 1,5 Millionen potenzielle Autokäufer weniger gibt als 2010, und das bei einem um zehn Jahre steigenden Altersdurchschnitt der Kundengruppe. Zweitens steigt der Anteil der Single-Haushalte weiter von knapp unter 40 % im Jahr 2010 auf 42,5 % im Jahr 2020, und drittens werden am Anfang des kommenden Jahrzehnts 86 % der Autokäufer in Städten bzw. Ballungszentren leben – 1995 waren es erst 82 % (PwC-Studie 2013). „Wer in der Stadt lebt und alleine wohnt, braucht Imagewende: Das jahrelange Warten auf einen Trabant machte aus einem Nutzgegenstand eine heilige Kuh. In Zeiten, in denen Neuwagen nur einen Klick im Internet entfernt sind, wird aus dem Kultgegenstand „Auto“ wieder ein normales Alltagsobjekt – wie Schuhe, Brillen oder DVD-Player. (Foto: Trabi Safari Berlin/Flickr.com) Standbein After-Sales: Das Werkstattgeschäft ist unverändert ein wichtiger Umsatzträger für die Kfz-Betriebe. (Foto: greyman/sxc.hu) seltener ein Auto – und kaum einmal ein großes. Die Urbanisierung lässt allerdings die Nachfrage nach Kleinwagen und alternativen Mobilitätskonzepten steigen. Im dünner besiedelten ländlichen Raum werden hingegen in allen Segmenten weniger Fahrzeuge gekauft und auch weniger Mobilitätsdienstleistungen nachgefragt. Insbesondere auf dem Land wird es daher immer schwieriger, im Autohandel profitabel zu bleiben“, betont Dr. Rainer Mehl, Leiter NTT DATA Automotive. Händler in ländlichen Regionen sollten verstärkt auf Kooperationen und eine Multimarkenstrategie setzen, um Service- und Verkaufsstützpunkte rentabel zu betreiben. In der Stadt nimmt die Kundenforderung nach flexibleren Öffnungszeiten und individueller Beratung zu. Dies gilt vor allem im Premiumbereich. Eine besondere Herausforderung für den stationären Handel ist der Trend zu Mobilitätsdienstleistungen. Für viele Menschen steht nicht das Verkehrsmittel, sondern die günstigste Fortbewegung von A nach B im Vordergrund. Bislang wird dieses Segment vor allem von reinen Car-Sharing-Anbietern bedient, zumindest in den Großstädten drängen aber auch die Hersteller in das Geschäftsfeld. Hier muss angesetzt werden: Auch wenn die Einstiegsschwelle hoch ist, unüberwindbar ist sie nicht. Denn wie andere Geschäftsfelder verlangt auch der Automarkt der Zukunft nach unternehmerischer Flexibilität, Kreativität und letztendlich Mut. n

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