Gesellschaft 14 soden zeigen deutlich Kraft der Veränderung, die dieses Gerät mit sich bringt: Vor kurzem stand eine Autofahrerin in Kalifornien vor Gericht. Sie hatte beim Autofahren die Datenbrille getragen und die Polizei warf ihr vor, unerlaubt telefoniert oder im Internet gesurft zu sein. Sie wurde freigesprochen. Ein Mann wurde mehrere Stunden von Beamten des amerikanischen Heimatschutzministeriums festgehalten, weil er während eines Kinobesuchs die Brille trug. Kontrolleure warfen ihm vor, den Film illegal mitgeschnitten zu haben – nur zwei Kleinigkeiten aus einer Zeit vor dem Verkaufsstart. Bisher konnte kaum jemand die Brille kaufen. Stellen Sie sich bitte vor, was geschieht wenn demnächst viele Menschen diese Brillen tragen? Zunächst 10%, dann 20%, dann 40% und irgendwann 80%. Aber was hat eine neue Handygeneration mit unseren Schulen zu tun? Verdammt viel! Wenn sich diese Brille wie ein ständig verfügbares Universallexikon zwischen unsere Augen und die reale Welt schiebt, dann verändert sie das Grundprinzip unserer Schulen. Das Loch in der Mauer: Man muss nur die Neugierde der Kinder wecken, und sie werden eine Lösung finden – und damit neues Wissen gewinnen. (Foto: TofflerAnn/flickr.com) Nicht für die Schule, sondern für das Leben wird gelernt! Nach wie vor streben die Schulen nach einem humanistischen Bildungsideal, das davon ausgeht, dass die Schüler einen gewissen Kanon von Fakten und Zusammenhängen aus vielen Gebieten lernen müssen, um am gesellschaftlichen Leben und der politischen Willensbildung teilhaben zu können. Diesen Faktenkanon festzulegen ist Aufgabe der Kultusminister, ihn zu exekutieren ist Aufgabe der Lehrer. Müßig zu betonen, dass ein Google Glass locker auf das Faktenlernen verzichten kann. Wir haben, in der Schule wie in den Unternehmen, zwei Wege mit dieser technologischen Entwicklung umzugehen. Erstens könnten wir versuchen, Sie zu verbieten. Dabei kennen wir uns aus, wie die heute üblichen Handyverbote in den Schulen zeigen. Auf diese Weise kann man alte Regeln und Machtverhältnisse noch für kurze Zeit zementieren. Zugleich erhebt man die Technologie durch Verbote aber in den Rang einer „gleichwertigen Konkurrenz“ zum Lehrer. Nur etwas wovor wir Angst haben, müssen wir verbieten. Zweitens könnten wir unser Leben und Lernen an die neue Technologie anpassen. Wir könnten sie adaptieren und lernen sie zu unserem Assistenten zu machen. Dann stünden Lehrer nach wie vor drüber. Allerdings müssten die Lehrer dann eine andere Aufgabe haben. Sie wären dann keine Faktenvermittler mehr. Und die Schüler müssten anders lernen. Für sie muss Schule ein Ort der Persönlichkeitsentfaltung werden. Diese Schule der Zukunft hätte also neue Schulfächer: Verantwortung, Mut, Herausforderung, Reflexion, logisches Denken, Kunst, Sport selbstverständlich auch die Basics von Rechnen, Schreiben und Lesen. Und: Das Programmieren als neue Kulturtechnik. Es liest sich eventuell wie die spinnerte Vision eines wohlmeinenden Science Fiction-Autors. Doch die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass die Schule der Zukunft nicht nur ein Hirngespinst bleibt, sondern Realität wird. Es hat etwas mit unseren Unternehmen zu tun. Mit einiger Wahrscheinlichkeit werden sie in den kommenden Jahren die Schulen der Zukunft für ihre Mitarbeiter gründen. Das Loch in der Mauer Es war ein gewagtes Experiment. Sugata Mitra kaufte einen alten Computer, stellte ihn mitten in die Slums von Neu Delhi und sorgte dafür, dass der Rechner eine Internetverbindung hatte. Mitra war eigentlich überzeugt davon, dass das Gerät binnen weniger Stunden geklaut und weiterverkauft oder aus Frust demoliert werden würde. Mitra war entsprechend erstaunt, als er einige Tage später an die Stelle seiner Installation zurückkehrte und ein paar Kinder vor seinem Computer stehen sah. Sie surften im Internet, feixten und redeten wild durcheinander. Niemand hatte ihnen zuvor erklärt, wie ein Browser funktioniert. Niemand hatte ihnen Englisch beigebracht, jene Sprache, auf die das Betriebssystem eingestellt war. Zunächst hatten die Kinder Maus und Tastatur lediglich als Spielzeug betrach- P.T. MAGAZIN 2/2014 P.T. MAGAZIN 2/2014 tet, doch schon schnell festgestellt, dass man mit diesen eigenartigen Geräten etwas auf dem Bildschirm, der da in einer Maueröffnung stand, auslösen konnte. Keine Hoffnung in Bildungssystem Bei dem Experiment ging es Mitra um zwei Dinge: 1. Können Kinder ohne Steuerung durch Lehrplan und Lehrer zum Lernen motiviert werden? 2. Ist die Motivation, Wissen zu erlangen von unserem sozialen Umfeld abhängig? Mitra entwickelte aus den Ergebnissen seinen Bildungsansatz des selbstorganisierten Lernens: „Ich muss nur die Neugierde der Kinder wecken, und sie werden eine Lösung finden und damit neues Wissen gewinnen.“ Die Frage, wie und was unsere Kinder lernen sollen, steht auch bei den meisten Eltern in Deutschland ganz oben auf der Agenda. Die Hoffnung auf eine zentrale und von allen anerkannte Idee unseres Schulsystems, geschaffen durch die Bundesregierung oder einen neu zu schaffenden Deutschen Bildungsrat, wird immer unrealistischer. Das haben die vergangenen Jahrzehnte gezeigt. Doch die kleinteilige deutsche Schullandschaft mit ihren mehr oder minder bunten Blüten birgt auch Chancen durch ihre Freiräume. Eben diese Räume werden im kommenden Jahrzehnt noch intensiver genutzt. Dabei wird es weniger darum gehen, ob die Schule in privater oder staatlicher Hand ist. Einzig das pädagogische Konzept entscheidet. Stößt das auf ein großes Maß an öffentlicher Anerkennung, entsteht für andere Schulen automatisch ein gewisser Zwang, das eigene Konzept zu überdenken oder eigene neue Ansätze zu entwickeln. Es entsteht somit ein steigender Wettbewerb der pädagogischen Modelle, unsere Schullandschaft wird noch ein wenig bunter werden. Was bedeutet Grundwissen? Die Gestaltung von Lernprozessen wird auch grundlegenden technischen Veränderungen unterworfen werden. Dabei
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