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P.T. MAGAZIN 02/2011

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Magazin für Wirtschaft und Gesellschaft. Offizielles Informationsmagazin des Wettbewerbs "Großer Preis des Mittelstandes" der Oskar-Patzelt-Stiftung

(Foto: © Gerd

(Foto: © Gerd Altmann/PIXELIO) Die Sprache ist die Mutter der Gedanken, nicht ihr Dienstmädchen. Verbales Falschgeld Wie Manageristen die Sprache missbrauchen „An ihrer Sprache sollt ihr sie erkennen“, lautete schon in den 1920er Jahren der Hinweis des großen Wiener Sprach- und Kulturkritikers Karl Kraus, der mit diesem Satz vor allem vor der Verlogenheit der Presse warnen wollte, die er „die Journaille“ nannte. Er sagte, die Sprache sei die Mutter der Gedanken, nicht ihr Dienstmädchen, und er trat überall dort auf den Plan, wo mit der Sprache Schindluder getrieben wurde, das heißt, wo man durch unlauteren Umgang mit der Sprache Lügen verbreitete. Wie damals zur Zeit der aufkommenden Massenpresse hätte der Sprachkritiker auch heute wieder alle Hände voll zu tun. Nicht nur, dass sich die Massenmedien heute noch krasser und unverhohlener durch Unwahrhaftigkeit hervortun, er hätte es auch noch mit einer ganz neuen Spezies von Sprachverderbern zu tun – den Manageristen. Alltag Die verbale Falschmünzerei gehört zu ihrem professionellen Alltag. Freilich bedient sich auch ein Manager, der den Typus des soliden Unternehmers repräsentiert, bestimmter branchenund berufsspezifischer Ausdrücke und Begriffe, die dem Außenstehenden nicht immer geläufig sind. In den meisten Fällen erschließt sich aber bei näherem Hinhören der Sinn, weil diese Begriffe einen konkreten fachlich-sachlichen Hintergrund und Inhalt haben. Wenn man z. B. wie bei der Siemens AG bis vor nicht allzu langer Zeit von einem „geordneten Geschäftsbetrieb“ oder von „Auslagen im Firmeninteresse“ oder vom Prinzip des „ehrbaren Kaufmanns“ sprach, dann war es jedem klar, was damit gemeint war. „Leisten wir uns den Luxus, eine eigene Meinung zu haben.“ Euphemismus… Otto von Bismarck Der Managerist scheut diese Klarheit, diese Eindeutigkeit wie der Teufel das Weihwasser. Sie ist ihm zu verbindlich. Er möchte aber nicht für seine Worte einstehen, er bedient sich lieber einer Sprechweise, die man euphemistisch nennt. Euphemistisch (zusammengesetzt aus dem griechischen eu = gut und phemi = ich sage) bedeutet „Worte mit guter Bedeutung benutzen, um einen negativen Sachverhalt beschönigend, abmildernd oder in verschleiernder Absicht darzustellen.“ …ist Tarnung In der Rhetorik dient diese Ausdrucksweise dazu, einen unangenehmen Sachverhalt zu tarnen, zu vertuschen oder aufzuwerten, also dem Gesprächspartner durch rhetorische Figuren zu imponieren, zu düpieren und den Sachverhalt zu verbrämen. Die heutigen Manageristen haben sich diese Redeweise so zu eigen gemacht, dass sie praktisch überhaupt keine Normalund Realsprache mehr verwenden. Mitarbeiter werden nicht entlassen. Sie werden ausgestellt, freigestellt, in eine Auffanggesellschaft überführt, der Personalbestand wird heruntergefahren oder abgeschmolzen, Abteilungen werden verschlankt, redimensioniert oder den Betriebserfordernissen angepasst. Der übliche Grund: Man beschränkt sich verstärkt auf Kernaktivitäten. Alles im Griff… Statt offen zuzugeben, dass ein Betriebsteil aufgegeben, verlagert werden soll, spricht man von einem strategischen „Carve-out“, einer Out- 38 P.T. MAGAZIN 2/2011

Wirtschaft sourcing-Option, dem Aufbau im Ausland infolge notwendiger Portfolioanpassungen, um zukünftig noch besser aufgestellt zu sein. Mit Floskeln wie „Am Ende des Tages“, einer wörtlich dem Englischen übernommenen Redewendung, wird Entschlusskraft und Kalkül suggeriert. Management ist eine rationale Angelegenheit, man hat die Planung des Ergebnisses im Griff. …auch mit der Ungewissheit Auf der anderen Seite wird auch Ungewissheit zugelassen, die in knappen Sätzen wie „Die Zukunft bleibt volatil“ zum Ausdruck kommt. Treten vorhersehbare Krisen auf, wird, wie in der Finanzkrise, von unvorhersehbaren Ereignissen, professioneller klingend von 10-Sigma- Events gesprochen und herausgestrichen, dass man vom Ausmaß der Entwicklung tatsächlich wie alle anderen auch überrascht worden ist. Und einschlägige Medien wie das „Wallstreet Journal“ streichen lapidar das Schicksalhafte heraus: „The world’s financial system has broken down. Credit remains constraint, market and regulatory regimes have failed.“ Verursacher? Sie bleiben ungenannt. Consultant Babble Die Quartalsberichterstattungen bewegen sich grundsätzlich in einer beschönigenden, diffus-optimistischen Diktion. Man behauptet, Weltmarktführer hier und dort zu sein, verspricht die Kernkompetenzen auszubauen, überdurchschnittlich zu wachsen, innovativ bleiben zu wollen, noch globaler zu werden, und was am wichtigsten ist, das Ergebnis, die Earnings, stetig verbessern zu wollen. Warum sprechen Manageristen keine authentische, realitätsgetreue Normalsprache? Die Antwort ist einfach: Weil sie selbst keine authentischen Persönlichkeiten Verbale Falschmünzerei gehört zum professionellen Alltag der Manageristen. sind, die den Mut und die Souveränität haben, die Dinge aus eigener Sicht und in eigenen Worten darzustellen, übernehmen sie die Hohl- und Verhehlsprache der Analysten, Fondsmanager, Consultants, um damit die Erwartungen des „Marktes“, wohlgemerkt des Kapitalmarktes, zu erfüllen. Sie glauben, mit den simpelsten Mitteln der Wortmagie die Realität beschönigen oder verdrängen und eine schlechte Nachricht als gute verkaufen zu können. Dabei haben sie diese Sprache nicht einmal selbst erfunden. Ihre Lehrmeister sind die zahllosen Analysten, Consultants und Coaches, von denen sie sich beraten lassen. Diese haben alle die gleichen Business Schools besucht und sprechen alle den gleichen „Consultant Babble“. Ihre Erfüllungsgehilfen sind die Communication Officers mit ihren Investor Relations Teams. Diese haben ein ganzes Repertoire von Begriffen und Ausdrucksweisen entwickelt, das keinem anderen Zweck dient als der systematischen und vorsätzlichen Vernebelung der Realität und BlaBla Kommunikation Kommunikations-Ziele Vorspiegelung falscher Tatsachen, um sich aus der Verantwortung zu stehlen. Lügensprache Weil diese Pseudologie, auf Deutsch Lügensprache, heute weit verbreitet ist und in Manageristenkreisen praktisch zum allgemein akzeptierten Vokabular gehört, könnte man meinen, es sei dagegen kein Kraut gewachsen, und man könne sich dagegen nicht wehren. Das ist jedoch nicht der Fall. Im Gegenteil, es ist ganz einfach: Man muss so einen Manageristen nur auffordern, den Sachverhalt in einfachen Sätzen der deutschen Normalsprache zu formulieren. Kommt er dieser Aufforderung nach und zahlt sprachlich mit echtem Geld, sind Eindeutigkeit und Klarheit und damit der Realitätsbezug wieder hergestellt. Hält er am „Falschgeld“, an seiner euphemistischen, realitätsfremden Ausdrucksweise fest, outet er sich eindeutig als unverbesserlicher Managerist. Kurz: Er ist an seiner Sprache erkennbar. ■ Dr. Julius Lengert Dialog Response Bedürfnissweckung Investor-Relationship Kooperationsangebote Fusion fördern / verhindern Vertrieb vor-und nachbereiten Kundenbindung (Customer care) Customer Relationship Management Imagegewinn oder -änderung Branding (Markenführung) Bekanntheit / Reichweiter Personalakquision Corporate Image (Foto: © Matthias Balzer/PIXELIO) (Grafik: Wikipedia/GFDL/CC-3.0/Bodo Wiska) 2/2011 P.T. MAGAZIN 39

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