Mobilität braucht Wettbewerb auf Augenhöhe PT-MAGAZIN 1/2019 Gesellschaft 12 Ob mit dem Fahrrad, Pkw oder auf der Schiene – das ist doch (eigentlich) egal?! Wenige Themen sind so emotionsgeladen wie Mobilität im Alltag. Ob die Erhöhung von Parkgebühren in Innenstädten oder die der Ticketpreise im ÖPNV, Luftverschmutzung der Städte durch Autoabgase oder Verkehrskollapse durch Pendlerströme – sachorientierte Debatten finden in diesem Kontext selten statt. Grund hierfür: Jeder ist betroffen, jeder kann mitreden. Bedauerlicher Weise ist die Diskussion aber oftmals ideologiegetrieben und zugleich stigmatisierend. Vielmehr wird darum konkurriert, welche Mobilitätsform und welches Fortbewegungsmittel das beste, sauberste oder preiswerteste Mittel seiner Art ist. Wettbewerb in Sachen Mobilitätsformen ist gut, nur leider wird dieser Ansatz nicht immer zu Ende gedacht. Vielfach fehlen nämlich die Grundprämissen für einen funktionierenden Wettbewerb in diesem Bereich. Die Folge hierdurch ist sachgrundlose Argumentation. Gerade beim Thema Mobilität wäre hingegen Rationalität hilfreich. Nur dann bestünde die Chance, die Herausforderungen hin zu einer Mobilität von morgen zu diskutieren und auch zu lösen. Mobilität hat nur selten einen Selbstzweck Was ist Mobilität? Es geht – ob zu Fuß, mit dem E-Bike, per Auto oder auf der Schiene – stets um die Überbrückung einer Distanz von einem Punkt A zu einem anderen Punkt B. Zweck von Mobilität ist es hierbei meist, ein Gut, eine Ware, eine Dienstleistung oder einen Menschen von dem einen Punkt zum anderen zu bringen. Im Kern steht also die Frage der physischen Überwindung einer räumlichen Distanz. Mobilität hat, und dies wird im Wettbewerb der Mobilitätsformen in der aktuellen Diskussion zumeist vernachlässigt, eben eines nicht: einen Selbstzweck. Ausgenommen sind zum Beispiel Sportler, Eisenbahnenthusiasten oder Hobbypiloten. Mobilität ist in der Regel Mittel zum Zweck, um morgens ins Büro zu kommen, um den Arztbesuch zu erledigen, Einkäufe durchzuführen oder – im Falle eines Paketzustellers – Produkte zum Kunden zu bringen. Die Art der Mobilitätsform ist hierbei zunächst irrelevant. Gesamtnutzen und Substitute sind entscheidend Die Mobilitätsform hängt eng mit dem Nutzen zusammen, der aus Sicht des Nachfragers bei der Inanspruchnahme eben dieser Form entsteht. Hierbei ist der individuelle Nutzen stets ein Zusammenspiel unterschiedlichster Einflussfaktoren. Dies kann die Flexibilität beim eigenen Pkw in Sachen Abfahrtszeit, die Pünktlichkeit der Bahn oder die Reisegeschwindigkeit mit dem Flugzeug sein. Wichtig ist, dass zum Transfer vom Punkt A zum Punkt B diejenige Mobilitätsform genutzt wird, die den höchsten Gesamtnutzen mit sich bringt. Letzterer als Gemengelage aus Faktoren wie Preis, Pünktlichkeit und Geschwindigkeit, ebenso wie Sauberkeit oder Sicherheit. Mit Blick auf die Frage des Wettbewerbs der Mobilitätsformen ist festzuhalten, dass exakt diese Gesamtnutzenbetrachtung bei der Wahl der Mobilitätsformen in der Praxis vielfach nicht zu Ende gedacht ist. Vielmehr wird eher der Fehler gemacht, ausschließlich einen Teil des Gesamtnutzens (Kosten, Umweltverträglichkeit usw.) auszuwählen und hierauf aufbauend mit Emotionen in den „Ring zu steigen“. Dies ferner mit der Annahme, es beeinflusse die Art der in Anspruch genommenen Mobilitätsform. Aber das ist zu kurz gedacht aus zwei Gründen: Das ausschließliche Abstellen auf einen Faktor des Gesamtnutzens führt selten zum gewünschten Ergebnis und für echten Wettbewerb braucht es Alternativen. Deutlich wird dies am Beispiel der Parktarifgestaltung (bspw. einer Anhebung der Gebühren) in den Innenstädten, um einen Umstieg auf den ÖPNV zu forcieren. Die Wirkung einer Preisanhebung auf den Gesamtnutzen einer Mobilitätsform aus Sicht einer Person, die bislang mit dem Pkw in die Innenstadt fährt, wird nur dann derart anders sein, dass ein Umstieg auf den ÖPNV erfolgt, wenn andere Vorteile der Mobilitätsform Pkw (bspw. Bequemlichkeit, Planbarkeit, Individualität) deutlich dominiert werden. Und nur dann, wenn zwei mit Blick auf den individuell bewerteten Gesamtnutzen identische Mobilitätsformen bestehen, wird sich eine erwünschte Einschränkung der Nachfrage nach der einen Form (hier: Pkw) in einer höheren Nachfrage nach der anderen Form (hier: ÖPNV) auswirken. Ohne aber – um beim Beispiel zu bleiben – die ÖPNV-Angebote auszuweiten, die Taktungen zu verstetigen oder die Haltepunkte zu erweitern, wird diese Mobilitätsform im Gesamtnutzen allein mit Blick auf den Faktor Preis nur schwer ein adäquater Konkurrent zur Mobili-
Über den Autor Dr. Sascha Genders, Bereichsleiter Standortpolitik sowie Existenzgründung und Unternehmensförderung, Freiberuflicher Dozent und Autor. ändern sich eher die Güter- und Faktorströme. Die Folgen im Praxisbeispiel Pkw in den Innenstädten sind, solange keine Alternativen vorliegen, sich leerende Ballungszentren, weniger Nachfrage im Einzelhandel oder Umsatzrückgänge bei den Gastronomiebetrieben, da sich nicht die Mobilitätsformen ändern sondern die Wege. PT-MAGAZIN 1/2019 tätsform Pkw. Ohne Substitut, dessen Gesamtnutzen aus Sicht des Nutzers nahezu gleich bewertet wird, sind die erhofften Lenkungswirkungen selten haltbar. Diejenigen, die auf Lenkungswirkungen bei Mobilitätsformen setzen, müssen sich stets bewusst sein, dass nur bei gegebenen Alternativen und ähnlichen Nutzensubstituten erhoffte Effekte erwartet werden können. Im Beispiel: Ohne adäquaten ÖPNV wird es keinen Wechsel der Mobilitätsform weg vom Pkw geben, um von A nach B zu kommen. Anstelle der Mobilitätsform ändern sich Wege Besonders fatal: Bieten sich – bei Annahme, dass Mobilität ausschließlich erfolgt, um etwas von einem Punkt zu einem anderen zu bringen – keine Substitute, ändern sich statt der Mobilitätsformen aber andere Variablen, nämlich die Start- oder Zielpunkte. Die auf die Mobilitätsformen erhofften Wirkungen schlagen um und verändern die Wege. Konkret im obigen Beispiel der Innenstadt: Pendler suchen sich vielleicht einen anderen Arbeitgeber oder wechseln ihren Wohnort. Ein Tourist besucht einen anderen Ort. Einkäufe oder Gaststättenbesuche werden verlagert, erstere vielleicht eher online geordert anstatt im stationären Ladenlokal erworben. Das Ziel, die Mobilitätsformen verändern zu wollen, schlägt fehl. Es ver- Offene und ehrliche Debatte erforderlich So wichtig die Diskussion rund um neue Mobilitätsformen ist – aus all den wichtigen und zu lösenden Herausforderungen Umweltschutz, Gesundheit oder Anreize für neue Geschäftsmodelle –, es muss ein Bewusstsein entstehen in der Diskussion, dass Mobilität oftmals nicht aus dem Selbstzweck heraus erfolgt, sondern stets einem Ziel folgt, nämlich der Bewegung zwischen den beiden Punkten A und B. Wenn Lenkungswirkungen mit Blick auf den Wettbewerb der Mobilitätsformen gefordert werden, muss Klarheit bestehen, dass – insofern die Wirkung eintritt – nur dann eine Änderung der nachgefragten Mobilitätsform erfolgen kann, wenn alternative Angebote vorhanden sind. Andernfalls benachteiligt man eine Form der Mobilität, bietet aber keine Alternative. In der Konsequenz werden sich ohne Substitute nicht die Mobilitätsarten verändern, sondern Wege und Destinationen. Umso wichtiger ist es, verkehrspolitische Diskussionen und die Auseinandersetzung mit Mobilität ganzheitlich zu betrachten, über alle Verkehrsträger und Formen hinweg. Es darf nicht um die Verteufelung einer Art gehen und um Sonderstellung einer anderen. Nur wenn alle Varianten und Möglichkeiten offen, ehrlich und transparent – ohne ideologische Grabenkämpfe – diskutiert und betrachtet werden, kann eine echte Wende bei der Mobilität geschafft werden. ó 5 Mio. Gäste bringen wir täglich sicher ans Ziel. Denn Gehäuse der caleg-gruppe schützen Fahrgäste während Hochspannung aus der Fahrleitung in Betriebsspannung ihrer Straßen - bahn umgewandelt wird. Mit modernster, Ressourcen schonender Technik produziert, sorgen sie für eine saubere und sichere Zukunft. We protect hightech. www.caleg-gruppe.de
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