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PT-Magazin_01_2017

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Magazin für Wirtschaft und Gesellschaft. Offizielles Informationsmagazin des Wettbewerbs "Großer Preis des Mittelstandes" der Oskar-Patzelt-Stiftung

Populär und nützlich

Populär und nützlich Aktuelle Führungsmethoden und ihr Nutzenversprechen PT-MAGAZIN 1/2017 Gesellschaft 14 Big Data, so die These, mache Theorie und Strategie in der Unternehmensführung überflüssig, weil a) dank Big Data-Analysen reine Empirie genüge, um Muster zu erkennen und disruptive Geschäftsfelder zu identifizieren, und b) in veränderungsreichem Umfeld agil-adaptives Handeln gefragt sei. Das Pathos reiner praktischer Ausrichtung befördert das Prinzip von Versuch und Irrtum und ersetzt aus Theorien abgeleitete Modelle durch mehr oder weniger beliebige Methoden mit Effektivitätsversprechen (Handlungsanleitungen) – zu dem Preis, bestenfalls intuitiv mit vorhandener Führungskultur kompatibel zu sein. Trotz des wissenschaftlich-empirischen Defizits lohnt es sich für modeaversive KMU, einige gegenwärtig populäre Führungsmethoden auf ihre etwaige Nützlichkeit zu sichten. Sie genießen den Ruf, im Rahmen der digitalen Transformation besondere Führungshilfe zu bieten. Um die Nützlichkeitsüberprüfung zu erleichtern, ordne ich den Methoden Kernziele zu. Führungsmethode: visionär-disruptiv; Kernziel: Innovation Visionen geben an, wohin das Unternehmen sich entwickeln soll. Diese Zukunftsperspektive ist eher perforiert als ausgemalt, um für Anpassungen, die sich aus Umfeldentwicklungen ergeben, offen zu sein. Als emotionale und motivierende Verstärker visionären Führens erweisen sich Charisma und transformationales Führen. Mitarbeitende gewinnen das Gefühl, an etwas Außergewöhnlichem teilzuhaben, und finden Freiräume für Kreativität und Experimentierfreude vor. Diese Probierkultur schließt das erwünschte Anwenden von Kreativitätsund Innovationsmethoden ein. Visionär-disruptives Führen visiert Innovation an. Die Entwicklung von Geschäftsmodellen, Produkt-, Dienstleistungsangeboten verschreibt sich dem Ziel, durch eine so grundlegende oder schlagkräftige Innovation Absatzfelder und Zielgruppen zu erschließen, dass vorhandene Anbieter das Feld räumen oder das Neuartige eine Nische füllt, von der aus es den Markt aufrollt. © sdecoret / Fotolia Die Bemühungen werden häufig kombiniert mit Konzepten wie Blue Ocean, Design Thinking; ferner mit verschiedentlich orchestrierter Kooperation mit Partnern (Unternehmen, Hochschulen, Forschungsinstitutionen), die auch branchenfremd sein können, mit Startups, Sonderzonen oder Projektteams, deren Aufgabe es ist, disruptive Veränderung herbeizuführen. Infrastrukturelle Rahmenbedingungen unterstützen dabei, kreative Schübe zu befördern. Neben informationstechnologischen Angeboten etwa spezielle Freiheiten in der Kooperation, vielfältig eingerichtete Räume mit materiellen Denkanstößen wie Gegenständen aus verschiedenen Jahrhunderten, (Sub-) Kulturen, Branchen, Lebensphasen. Führungsmethode: agil und inkremental; Kernziel: Anpassung an veränderliche Rahmenbedingungen Die Methode des agilen Führens (aus dem Projektmanagement kommend) antwortet auf gewachsene Komplexität und hohe Veränderlichkeit. Agiles Führen geht davon aus, dass das unternehmerische Umfeld fluide und volatil, Strukturen, Prozesse, Zusammenarbeit dynamisch sind. Agilität gilt als Überlebensgarant. Unternehmen müssen Zukunftsfähigkeit deshalb mit Begriffen der Anpassung (Assimilation, Adaption) sichern. Führende sollen alles bereitstellen, was der erfolgreichen Anpassung an neue Bedingungen dient. Rasches, auch adhocratisches, Reagieren erfordert eine Arbeitsführung im Alltag, die sowohl die Intelligenz informationstechnologischer Optionen nutzt als auch selbstorganisierende Fertigkeiten und enge kommunikative Schleifen zwischen den Akteuren. Abstimmungen und Iterationen werden zudem persönlich durchgeführt, etwa in täglichen Stehtreffen (Daily Stand-up) und medial on- und offline vermittelt (z.B. Videotelefonie, Internetplattformen, soziale Netzwerke, Foren). Agile und inkrementale Vorgehensweisen ähneln einander in Funktion und Verfahren. Gemeinsam ist ihnen, Veränderungen in ihrer Bedeutung für das eigene Geschäft schnell zu erfassen, einzuordnen und rasch unternehmerisch nutzbringend zu reagieren. Im Unterschied zur agilen Methode fokussiert die inkrementale Reparatur und Reform, nicht Revolution (die zumindest im „Mindset“ des Agilen steckt). Sie geht davon aus, größere Herausforderungen mit punktuellen Reaktionen nicht nachhaltig bewältigen zu können – und speist folgerichtig das Nachjustieren als unvermeidbare Reparatur- und Reformarbeit programmatisch ein. Im Gegensatz zur agilen Methode verzichtet die inkrementale darauf, mit Blick auf ein großes Ganzes zu fungieren. Im Gegenteil: Die Methode empfiehlt Anpassungsprozesse (Intervenieren, Korrigieren, Innovieren) in kleinen Schritten, deren Fokus das unmittelbar Relevante und Machbare ist. Es geht nicht darum, auf eine Vision hin zu arbeiten, sondern sich durch andauerndes Reagieren adaptiv und dadurch überlebensfähig zu halten. Sub-inkrementale Methoden sind folglich auch muddling-through und local action, ebenfalls Antworten auf gewachsene Komplexität und abnehmende Planungsvernünftigkeit. Inkrementalismus wird zur Zeit als nötiges Komplement zu rationaler Planung diskutiert. Methode: Collaborative Leadership: 4 C-Modell; Kernziel: Symbiose von Kreativität und Kooperation Kollaboratives Führen will Kreativität (Creativity), Kommunikation (Communication), Konsens (Consensus) und Beitrag (Contribution) so eng im Alltag verknüpfen, dass sowohl ein Höchstmaß an Kreativität als auch an Kohäsion realisiert wird. Dazu müssen Führende

© freshidea / Fotolia Über die Autorin Dr. Regina Mahlmann unterstützt Führungskräfte und Mitarbeitende professionell mit Beratung, Coaching, Schulung und Vorträgen. Ihr Ziel ist es, Unternehmen zu einem nachhaltigen und verantwortungsvollen Erfolg zu verhelfen. PT-MAGAZIN 1/2017 Rahmenbedingungen, Ressourcen und Regeln schaffen bzw. erarbeiten lassen, die den vier C gerecht werden, sowie diverse Kollaborationstools einsetzen, die das Vernetzen der Akteure befördern und der Idee des social enterprise dienen. In Bezug auf die 4 C eine Kultur mit folgenden Charakteristika zu fördern: Eine Kreativitätskultur, die von offenem Austausch, Probieren, Weiterentwickeln lebt und gleichzeitig darauf achtet, nach welchen Werten und Normen Kooperation, Umgehen mit kreativen Outputs, Erkennen von Chancen, Installieren enger Feedbackschleifen, Gestalten von Entscheidungsprozessen abläuft. Eine Kommunikationspraxis, in der Führende ansprechbar sind und Kommunikation als permanenten Dialog inszenieren (Meetings, Kollaborations-, Vernetzungstools, Instant Messaging, Foren für informellen Austausch). Eine Konsenspraktik, die hierarchiefreie Auswahl der „besten Idee“ im Horizont relevanter Akteure, auch sozialer Netzwerke, betont und die Güte einer Idee maßgeblich durch den Konsens misst. Lösungs- und Entscheidungsfindung erscheinen als Resultat von Aushandlungsprozessen durchführen. Das Nützlichkeitsmaß für Beiträge bestimmen Gesamtkontext (Unternehmensziele, -umwelt, individuelle Bedürfnislagen) und der Effektivitätsvergleich verschiedener Beiträge. Methode: demokratisches Führen; Kernziel: Mitarbeiterbindung. Unter den partizipativen Methoden steht die demokratische hoch im Kurs. Konkrete methodische Anleitungen bieten Facetten des soziokratischen, holakratischen Führens mit Blick auf Struktur und Prozess, sowie Konzepte rund um gerechtes und individualisiertes Führen mit Blick auf den Einzelnen. Sie streben eine Konvergenz zwischen Partizipation, Bedürfniserfüllung und Unternehmenszielen an. Unvermeidliche Zutaten demokratischer Methode sind: egalitäre Haltung, empathisches Verhalten, Partizipationsofferten (Mitsprache- und Mitgestaltungsoptionen, Abstimmung (Voting )), Frei- und Experimentierräume – häufig formuliert in den Begriffen Augenhöhe, fluide Hierarchie, Wertschätzung als Mensch, Potenzialentfaltung, offene Arbeitsformen. KMU können nach gründlicher Prüfung schauen, welche Methode sich für ein Experiment oder ein Pilotprojekt in welchem Unternehmensbereich eignet - ohne die gesamte Führungsphilosophie oder -kultur umstellen zu müssen. ó 15 Gesellschaft

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