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PT-Magazin_5_2016

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Magazin für Wirtschaft und Gesellschaft. Offizielles Informationsmagazin des Wettbewerbs "Großer Preis des Mittelstandes" der Oskar-Patzelt-Stiftung

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Wirtschaft PT-MAGAZIN 5/2016 32 „Deep Work“ – was ist das? © kieferpix / Fotolia Nach Jahren der Begeisterung für Großraumbüros, Teamarbeit, Kollaboration, ständigen kommunikativen Austausch naht mit wedelnden Armen eine Warnung aus Wissenschaft und Praxis: „Aufpassen! Das ständige Miteinander und Kommunizieren zeitigt unerwünschte Effekte, und die gehen zu Lasten von Qualität und Innovation!“ Das Etikett „Deep Work“ suggeriert zunächst eine Novität. „Deep Work“ meint schlicht konzentriertes, in diesem Sinn tiefes Arbeiten – also nichts Neues unter der Sonne der Arbeitswelt. Der unruhige Arbeitsalltag Seit Jahrzehnten organisations- und arbeitspsychologischer Forschung und dank der Untersuchungen von Henry Mintzberg (Managementforscher) ist klar: Menschen, die in Gegenwart anderer Menschen sowie in einer Stand-by- Kommunikationskultur konzentriert arbeiten wollen, schneiden in eben dieser Hinsicht schlecht ab. Dauergeplapper lässt sich inhaltlich und akustisch kaum bis nicht ignorieren – und die persönliche Neugier mag ein Übriges tun, um Unterbrechungen in einer Verrichtung zur Regel werden zu lassen. Der Arbeitsalltag zerfasert immer mehr in kommunikative und kooperative Schnipsel, die gründliches Ab- oder Erarbeiten verhindern. Neueren Datums ist lediglich eine Zutat, die das Switchen forciert, nämlich die Erwartung, analog zu Maschinen in Echtzeit zu reagieren sowie Sofort-Feedback zu geben. Der Begriff „Deep Work“ Die Wortkombination „Deep Work“ ist aus Sicht von Marketing und Beratern klug gewählt: Sie vermittelt unterschwellig, eine neue Antwort auf ein neues Problem zu sein, das ihre Geburt dem Kontext der multimedialen und digital vermittelten Arbeitswelt, der „New Work“, verdankt. Die Wortkombination profitiert auf der konnotativen Ebene zudem von zukunftsträchtigen Perspektiven. Der Ausdruck lehnt an das Modell des „Deep Learning“ an, das für die Entwicklung vernetzter selbstlernender Software, neuronaler Netzwerke und smarter Technologien ebenso relevant ist wie im Bereich Lernpsychologie (seit ihren Anfängen). Der Fluch der Zusammenarbeit Da das Arbeiten in der Gruppe heutzutage den Alltag bestimmt, richtet sich der Schwerpunkt der aktuellen Klage auf den „Fluch der Zusammenarbeit“, so die Überschrift eines Artikels in manager-

„Ohne konzentriertes, vertiefendes Arbeiten sei es unmöglich, ein hohes intellektuelles Level zu halten, das erforderlich sei, um geschäftsnötige Kreativität zu entfalten und diese in erfolgreiche umsatzstarke Produkte und Dienstleistungen zu übersetzen. “ Seminare (Heft 218, Mai 2016, 54ff). Der Ausdruck verdient nähere Betrachtung. Denn das Problem mangelnder, konzentrierter Arbeit wird durch den Begriff „Fluch“ mit einem Schicksalskonzept eingeführt. Entsprechend suggeriert er, dass eine höhere Macht dafür verantwortlich ist. Unkonzentriertes Arbeiten erscheint als unbeeinflussbar und als etwas, das auf die Betroffenen unabhängig von deren Einstellung und Handeln herabfällt, sie vereinnahmt und steuert – und exkulpiert: Wer diesem Einfluss ausgesetzt ist, ist ihm gegenüber machtlos. Die Flut an Mails und anderen Kommunikationsangeboten, die Anzahl von Meetings, Chats, virtuellen Konversationen und Konferenzen etc. – kurz: die Frequenz, in der die Aufmerksamkeit wechselt und Ablenkungschancen ergriffen werden – all dies scheint quasi naturgesetzlich zu verlaufen und unabwendbar zu sein. Ganz anders die Thesen und Hinweise der Kronzeugen, die „Deep Work“ im Dienst des individuellen und unternehmerischen Wollens und Erfolges einfordern. Rob Cross, Assistenzprofessor für Computerwissenschaft an der University of Virginia, Guido Hertel, Psychologieprofessor an der Universität Münster und Cal Newport, Assistenzprofessor für Computerwissenschaft an der Georgetown University (2016) heben die Dominanz von E-Mails, Meetings, Telefonaten, Sofortnachrichtensystemen und Kurzbotschaften hervor und weisen auf den einen Anstieg an Interaktionsdichte hin, der durch virtuelle Kollaboration extrem zugenommen habe. Guido Hertel betont entgegen der oben genannten Schicksalsrhetorik, dass die Betroffenen dazu ihren Teil beitragen: Die Virtualität von Meetings und Teamarbeit verführe dazu, die eigene Teilnahme eher zuzusagen als zu physischen Meetings und Teamarbeit, weil die Virtualität einen minderen Aufwand vermuten lasse – schlicht durch den Umstand, dass die Betroffenen nirgendwohin reisen müssen. Unternehmerische Notwendigkeit Dezidiert individualistisch argumentiert Cal Newport. „Deep Work“ ist für ihn eine unternehmerische Notwendigkeit, weil nur „Deep Work“ wirksame, tragfähige, nachhaltige Qualität und Innovativität ermögliche. Ohne konzentriertes, vertiefendes Arbeiten sei es unmöglich, ein hohes intellektuelles Level zu halten, das erforderlich sei, um geschäftsnötige Kreativität zu entfalten und diese in erfolgreiche umsatzstarke Produkte und Dienstleistungen zu übersetzen. „Deep Work“ bezeichnet hier eine individuelle Fähigkeit und Leistung, die im Dienst des persönlichen Ehrgeizes und Erfolgs ebenso steht wie im Dienst des langfristigen Erfolgs des Unternehmens. Insofern ist „Deep Work“ auch ergebnisrelevantes Tun. Fazit Für Unternehmen heißt das: Zurück zu den Wurzeln bzw. diese wieder freilegen, um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, dass „Deep Work“ im Sinn konzentrierten Arbeitens wieder (!) vermehrt praktiziert wird. Dazu genügt es erfahrungsgemäß, bekannte Aspekte und vorhandene Optionen in den Kegel besonderer Aufmerksamkeit zu schieben. Im Wesentlichen geht es darum: 1 Das Unternehmen bietet infrastrukturelle, regulatorische und kulturelle Optionen, örtliche und zeitliche Rückzugsräume bzw. -gelegenheiten, um konzentriertes Arbeiten zu ermöglichen. 2 Auf der kulturellen Ebene flankieren Manager in Wort und Tat den Wert von Einzelarbeit und verdeutlichen, in welchen Kontexten Kollaboration/ Kooperation bzw. „Deep Work“ zielführender ist. 3 Die Forderung nach kollektiver Selbstorganisation nimmt die Anforderung nach „Deep Work“ auf. Unternehmensmitglieder werden aufgefordert, in eigener Verantwortung Rückzüge in konzentriertes Arbeiten zu organisieren, abzustimmen und ergebnisbezogen anzuwenden. 4 Selbstorganisation schließt Selbstregulation expressis verbis ein: Personen müssen ihren Bedarf an „Deep Work“ bezogen auf Aufgaben, Ziele und Verantwortlichkeit selbstständig herausfinden, anmelden und realisieren. Erfreulich also: Auf Unternehmen rollt keine neue Welle zu. Der Ruf nach „Deep Work“ weist lediglich auf etwas hin, dem wieder mehr Geltung verschafft werden sollte. ó Über die Autorin Dr. Regina Mahlmann unterstützt Führungskräfte und Mitareitende professionell mit Beratung, Coaching, Schulung und Vorträgen. Ihr Ziel ist es, Unternehmen zu einem nachhaltigen und verantwortungsvollen Erfolg zu verhelfen. Wirtschaft PT-MAGAZIN 5/2016 33

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