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P.T. MAGAZIN 05/2014

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Magazin für Wirtschaft und Gesellschaft. Offizielles Informationsmagazin des Wettbewerbs "Großer Preis des Mittelstandes" der Oskar-Patzelt-Stiftung

Gesellschaft 6

Gesellschaft 6 „Hexenmeister am Regler“, schrieb das Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL am 7. Juli 2014 und fragte ganz unschuldig: „Ein Psycho-Experiment beunruhigt die Netzgemeinde: Wie weit können Facebook und Google das Verhalten ihrer Nutzer manipulieren?“ Diese Frage hätte er selbstkritisch an sich selber stellen und eine offene Diskussion darüber einleiten müssen, wie häufig er in seiner Existenz Information und Desinformation geschickt zum Zwecke der Manipulation vermengt hat. Hat er immer klar differenziert zwischen Information und Interpretation? Hat er nicht stets Nachricht und Meinung implizit vermischt und „Nachrichtenpolitik“ betrieben und nach seinem politischen Gutdünken durch die Berichterstattung „Wirklichkeit“ konstruiert und damit konstituiert? Der Medienkritiker Walter Lippman prägte für Journalisten den Ausdruck „Gatekeeper“. Diese „Pförtner“ entscheiden, was an „News“ weiterbefördert und was der Öffentlichkeit vorenthalten wird. Jede Zeitung sei das Ergebnis einer Serie von Selektionen, die in den Köpfen des Publikums Bilder einer politisch gewünschten Pseudoumwelt installiere, aber nicht die reale Wirklichkeit abbilde. Die derart erzeugte öffentliche Meinung ist ein Konstrukt. Moderne Massenkommunikation – DER SPIEGEL hat es speziell auf die intellektuelle und politisch relevante Elite abgesehen – arbeitet mit Stereotypen. Diese Wunschbilder entstehen durch die Reduktion der Komplexität der Wirklichkeit und manipulieren so die Wahrnehmung der Leser. Dabei sind die Nachrichtenmedien für uns alle das „Fenster zur Welt“, der Welt jenseits unserer persönlichen Alltagserfahrung. Hexenmeister am Regler Zur Rolle der Medien bei der globalen politischen Klima-Transformation Doch alles, was wir durch das „Fenster“ sehen, ist gefiltert, selektiert und politisch eingefärbt. Klaus Bölling, von 1974 bis 1984 Regierungssprecher der sozialliberalen Bundesregierung, schrieb 1988 in einem Beitrag „Der Journalist als Parteigänger“ mit Blick auf die journalistischen „Sittenwächter“: „Wer das Ideal des kritischen Bürgers, des mündigen Bürgers, missachtet, wer politische Sachverhalte schönt, wer nicht der Aufklärung dient, sondern der partiellen Irreführung, der betreibt willentlich oder fahrlässig Manipulation.“ Journalisten „sollen nicht indoktrinieren, sie sollen nicht manipulieren, sie sollen nicht den Ehrgeiz haben, in einer Welt, die nicht heil ist, Harmonievorstellungen zu verbreiten, sondern sie sollen den kritischen Bürger mit Urteilsgrundlagen beliefern. Das ist ihre Pflicht.“ Von der Druckerpresse zur „Freiheit eines Christenmenschen“ Im Jahre 1520 erschien von Martin Luther die Schrift „Von der Freiheit eines Christenmenschen“ mit einem für das ausgehende Mittelalter epochalen Satz: „Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemand untertan“. Binnen zweier Jahre erzielte sie 36 Auflagen in deutscher, englischer, niederländischer, spanischer, italienischer und tschechischer Sprache. Der ungeheure Erfolg und die alle Sprachgrenzen überschreitende Breitenwirkung der Reformation war letzten Endes Johannes Gänsfleisch zum Gutenberg aus Mainz (1400-1468) und seiner Erfindung des Buchdruckes 1435 zu verdanken. Seine Drucktechnik mit beweglichen Lettern veränderte die Formen der Kommunikation. Montage: R. Eichner-Ernst / OPS Netzwerk GmbH / Screenshot: Living Earth / Sean McGrath seanmcgrath /Flickr.com/ CC BY 2.0 / P.T. MAGAZIN 5/2014

P.T. MAGAZIN 5/2014 Im Jahre 1448 errichtete Gutenberg in Mainz eine „Druckfabrik“, in der u.a. auch das erste Formular der Weltgeschichte, der Ablassbrief, gedruckt wurde! Der Ablassbrief wurde mit der Zeit ein Politikum und rief Martin Luther auf den Plan, der schließlich zur Reformation und Spaltung der Christenheit führte. Foto: Unsplash/pixabay.com/ Public Domain CC O Medien sind unser Fenster zur Welt. Durch bewusste oder unbewusste Fehlinformation kann jedoch der Blick auf die Welt getrübt werden. Luther bediente sich fleißig der neuen Drucktechnik Gutenbergs. Dynamik und Tempo der Reformationsbewegung sind ohne sie nicht denkbar. Um 1500 zählte man in 250 Städten Europas 1.120 Druckereien, die bis dahin 27.000 Druckschriften in einer Auflage von 20 Millionen Exemplaren hergestellt hatten. Die Drucktechnik machte auch den Weg frei für eine Volksbildung. Martin Luther und Philipp Melanchthon trieben vor allem in Sachsen die Alphabetisierung kräftig voran. Um die Geistlichen und Lehrer mit Büchern zur Elementarbildung auszustatten, verfasst Luther um 1529 ein „Enchiridion. Der kleine Catechismus für die gemeinen Pfarrer und Prediger“. Vom Handels- und Nachrichtenverkehr zum Postdienst und Zeitungswesen Die Ausweitung, Belebung wie Beschleunigung des Handels im 11. Jahrhundert brachte auch Bewegung in den Nachrichtenverkehr und das Postwesen. Kaiser Maximilian I. von Österreich beauftragte Franz von Taxis 1489 mit dem Aufbau einer Poststrecke, deren Einfluss sich über halb Europa erstreckte. An den Knotenpunkten der Poststrecken entwickelten sich Nachrichtenzentralen, entstanden Zeitungen. „Zeitung“ leitet sich vom mittelniederdeutschen Wort „Tiden“ ab, das so viel wie „sich ereignen“ bedeutet. Bis ins 19. Jahrhundert ist eine Zeitung eine Nachricht. Ab 1621 entstanden Postzeitungen und zum 1. Juli 1650 erschien in Leipzig sechs Mal pro Woche die „Einkommende Zeitung“, das erste auf vier Seiten gedruckte Tagesblatt. Besonderen Aufschwung nahm das Zeitungswesen in den USA mit der Gründung des „Spektator“ 1711. Im Jahre 1783 zählte man 43 Zeitungen in den USA, um 1800 waren es 180 Zeitungen und 1850 mehr als 2.500 Zeitungen. Dieser Aufschwung war deshalb so rasant, weil die Zeitungen sich keinerlei politischen Repressalien ausgesetzt sahen. In Europa hatte einzig England bereits 1695 das alte Zensurstatut abgeschafft. In der Schweiz wurde 1848 die Pressefreiheit garantiert. Diese erfolgte im Deutschen Reich 1874 durch das Reichspressegesetz. Was den amerikanischen und englischen vom deutschen Journalismus unterscheidet ist das Problem der Objektivität, die Trennung von Nachricht und Meinung. P. C. Scott, der Herausgeber des Manchester Guardian, sagte einmal: „Facts are sacred, comments are free“. Nachricht und Meinung sind inhaltlich getrennt, auch organisatorisch in Nachrichtenredaktion (news department) und Meinungsredaktion (editorial department). Das bedeutet keine politische Abstinenz des Journalisten. Es geht um Anstand, Ehrlichkeit und Fairness, um Fairness gegenüber Lesern, Hörern, Zuschauern als Bürger eines demokratischen Staatswesens. Es ist ein Gebot journalistischer Berufsethik, dem Publikum die Chance zu eigener Meinungsbildung einzuräumen und es nicht als Manipulationsobjekt anzusehen. „Dem Bürger, der nur die eine Seite kennt, nutzt seine Entscheidungsfreiheit nichts Er wird gegängelt wie eh und je; nur diesmal von denen, die sich selbst zu den professionellen Verteidigern der Demokratie ernannt haben.“ Peter Glotz, dt. Politiker und Publizist Essentiell für eine Demokratie ist nun einmal die Meinungsfreiheit. Deutsche Journalisten reizt eher die intellektuelle Tätigkeit des Redakteurs, englische Journalisten die aufregende Tätigkeit eines Reporters. Die „neutrale“ Berichterstattung wird bei deutschen Journalisten zu 95 Prozent vom „Lehrmeister“ überschattet, der Nachricht und Meinung vermengt und sich unberufen zum „Erzieher“ und Wächter korrekten politischen Denkens berufen fühlt. Journalisten, Posaunenengel ideologischer Wunschvorstellungen einer heilen Klima-Welt „Zum ‚Ethik-Bedarf‘ eines Journalisten in hochindustrialisierten Gesellschaften“ schrieb 1988 Peter von Zahn: „Unserem Beruf wird allerhand zugemutet, je mehr er sich in die Bereiche der Wissenschaft und der Werbung, der Geheimdienste und der Öffentlichkeitsarbeit ausdehnt. Es wird Großmäuler unseres eigenen Standes geben, die den Journalisten als Vermittler, Künder, Deuter, Warner und Mahner der postindustriellen Gesellschaft im dritten Jahrtausend preisen und uns eine Funktion zuweisen, die ursprünglich einmal Religionsstifter, Komödianten und Philosophen vorbehalten war. Vor der Interpretation ist die genaue Bestandsaufnahme zu besorgen.“ Der Journalist muss sich vor allem um Tatsachengenauigkeit bemühen, um der Wahrheitspflicht zu genügen. Keinesfalls darf er sich in die Rolle eines Missionars oder Propagandisten einer heilen Welt hinein loben lassen, der dann aber doch nichts tut, als ihm bei Pressekonferenzen serviertes Herrschaftswissen unkritisch, bildmächtig und wortgewaltig zu verbreiten. Keine journalistische Meisterleistung, sondern eine Fehlleistung erster Güte gelang dem SPIEGEL am 13. August 1986. Als mögliche Folge der Klima-Katastrophe wurde der Kölner Dom in die Nordsee hinein manipuliert, wohl um die Urangst vor der Sintflut wiederzubeleben. Vorangegangen war am 20. Januar 1986 eine Pressekonferenz der Deutschen Physikalischen

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