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P.T. MAGAZIN 05/2014

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Magazin für Wirtschaft und Gesellschaft. Offizielles Informationsmagazin des Wettbewerbs "Großer Preis des Mittelstandes" der Oskar-Patzelt-Stiftung

Werden Unternehmen zu

Werden Unternehmen zu Spiel gruppen? Eine neue Generation von Unternehmern und Angestellten steht in den Startlöchern. Mit Spielen aufgewachsen und durch Spiele geschult, haben sie ganz spezielle Fertigkeiten… und falsche Vorstellungen Foto: Chase N./Flickr.com/CC BY-SA 2.0 Wirtschaft 60 „Die wollen doch nur spielen!“ heißt es Verständnis heischend, wenn von der „Generation Game“ (ab 1990 Geborene) die Rede ist. Doch exakt hier liegt das Schlüssel-Problem für Unternehmen. Spätestens im Verlauf der kommenden fünf bis zehn Jahre wird es akut. Noch sind „Digital Immigrants“ am Ruder, die analoge und digitale Kompetenzen beherrschen. Doch ihre Ablösung durch Personen, die mit Games und Game basiertem Lernen (Gamification) aufgewachsen sind und die Welt durch spielpsychologische Eigenheiten wahrnehmen, naht. Das Leben ist (k)ein Spiel Drei Grundelemente des spielpsychologischen Designs zeigen die Brisanz auf: Pausenloses Feedback, klare Vorgaben, endlose Revidierbarkeit, eingebettet in „Fun“. Weitere notwendige Erfolgsfaktoren im Spiel sind: erreichbare, kurz getaktete Quests (Ziele), Motivierung durch das Rückgängigmachen von Entscheidungen, Belohnungen in Form von Achievements (Punkte, Trophäen, Levels, Ranglisten, Erfahrungspunkte, Fortschrittsbalken). Gamer verinnerlichen diese psychologische Programmierung; sie gerinnt zur Grundeinstellung (durchaus technisch zu verstehen). Gamer erwarten immer schon, dass sie Spaß haben, Ziele strukturiert und systematisch, mit Kurzzeit-Feedback und Auszeichnungen erreichen können. Jedoch: Wo treffen Gamer in der realen Wirtschaft auf klar strukturierte Umgebungen mit eindeutigen Regeln, Aufgaben, Zuständigkeiten, Befugnissen, Zielen? Nahezu nirgendwo. Unternehmen müssen hochgradig adaptiv sein. Das erfordert von Mitarbeitenden wie Führenden, mikropolitisch im Sinne des Augsburger Organisationspsychologen Oswald Neubergers aktiv zu werden, und Spielräume eigenverantwortlich im Sinn des Unternehmens zu nutzen. Wo finden sich aber in der Realität eine eingebaute Garantie häufiger Erfolgserlebnisse, durchschaubare Wettbewerbssituationen, die Aussicht auf Auszeichnungen, „epic win“, „Ruhm und Ehre“? Nirgendwo in dieser Bündelung. Mitarbeitende und Führende engagieren sich in einem nicht kalkulierbaren Konkurrenz- und Arbeitsumfeld. Dort ist es gerade nicht leicht, konkrete Bedingungen anzugeben, bei denen Erfolge und Belohnungen winken. Foto: (Screenshot The Elder Scrolls V: Skyrim) Kenneth DM /Flickr.com/ CC BY 2.0 In Computerspielen können Gamer ein komplexes, virtuelles (Abenteurer-) Leben führen. Alles auf Anfang? Falsch gedacht! Auch die Optionen für ein Reset sind rar gesät: Jede Entscheidung hat Folgen, die zur Grundlage weiterer Entscheidungen werden (Pfadabhängigkeit). Dabei erleben die Akteure Enttäuschungen, Fehlschläge, Niederlagen. Game- Sozialisierte haben kaum gelernt, mit Misserfolgen anders umzugehen, als „halt noch mal von vorn oder weiter unten/ hinten/ woanders anzufangen oder weiterzumachen“. Dem gegenüber verlangt die betriebliche Wirklichkeit Anz_210x106_Anschnitt-bearb-3-13_Anzeige_130x70 19.03.13 13:46 Seite 1 Nehmen Sie sich die Freiheit, zu sitzen wie es Ihnen gefällt. Die schönsten Stühle für Büro, Objekt und für Zuhause. Jetzt auch im Werksverkauf erhältlich: Leihstühle. Mauser Sitzkultur GmbH & Co. KG Erlengrund 3 · D-34477 Twistetal-Berndorf fon +49 (0) 5631 50514-0 fax +49 (0) 5631 50514-44 info@mauser-sitzkultur.com www.mauser-sitzkultur.com P.T. MAGAZIN 5/2014

Über die Autorin n Dr. Regina Mahlmann, promovierte Soziologin und Philosophin, arbeitet als Coach, Beraterin und Referentin in und für Unternehmen. Weitere Information unter http://dr-mahlmann.de/ das „Dennoch“ oder „Trotzdem“. Resilienz ist gefragt: das Wachsen an Hürden, das lernende Weitermachen auf der Basis des Geschehenen. Foto: (Screenshot Bioshock Infinite) Joshua Livingston JBLivin /Flickr.com/ CC BY 2.0 Gestalte deine Welt. Entscheidungsfreiheit mit Neustartgarantie und ohne Risiko. Der Esel und seine Karotte Jedes Game behandelt Gamer in der Karotten-Psychologie des Instant-Feedbacks mit Reset-Option. Beides wird von Personalern gefordert, gefeiert und verteidigt – ohne dass die Kosten erwähnt würden: Abhängigkeit von anderen bzw. Verunselbstständigung, aktionistisches, unverbindliches Handeln, Ablehnen von Verantwortung. (Tatsächlich will ja nur eine Minderheit der Game-Sozialisierten in Führungspositionen.) Bei allem, was Game-Sozialisierte lernen mögen: Das Game-psychologische Design steht in einem kritischen Verhältnis zu Führungsanforderungen im Dienst der Zukunftsfähigkeit von Unternehmen (Selbstorganisation, Reflexion, verlässliche Sachkompetenz, internale Steuerung, personale und organisationale Resilienz). Personaler und Weiterbildner sind gefordert Selbst wenn Spielende innerhalb eines Spiels lernen, beispielsweise mit Komplexität umzugehen, sich selbst zu organisieren, koordiniert zu handeln, bleiben bis dato grundlegende Fragen wissenschaftlich und empirisch unbeantwortet. Zwei davon lauten: Transferieren Spieler das Gelernte in andere Spiele (Spielkontexte)? Transferieren sie das Gelernte in Nicht-Spiel-Kontexte, etwa in den betrieblichen Alltag? Unternehmen, die Gamification und Games in Lernkontexten anwenden, streichen heraus, dass es intensiver moderierter Nacharbeit als Bedingung der Möglichkeit für Transfer bedarf. Von selbst geschieht die Übertragung dieser Fertigkeiten in den Beruf nicht. Hierfür bedarf es klarer und systematischer Fragen und Hilfestellungen: Etwa dieser: Ähnelt meine aktuelle Problemsituation einer in meinen Games? Was genau ist ähnlich? Was ist mit Blick auf Entscheidungskern, Umfeld, Personen etc. fundamental unterschiedlich? Welche Strategie half mir im Game? Was könnte ich davon anwenden? Mit welchen wahrscheinlichen Folgen? Apologeten der „gamifizierten“ Unternehmensführung und Anhänger der, durch manche Verhaltensökonomen „geadelten“, außerbetrieblichen Lenkungseinflüsse irren. Ihnen entgeht, dass spielpsychologisch Sozialisierten notwendige Fertigkeiten fehlen, die zu verantwortungsvoller Expertenarbeit und zu Unternehmensführung notwendig erforderlich sind. Personaler und Weiterbildner finden hier ein weites Feld korrigierender, kompensierender, komplementierender Aufgaben. Sie sollten umgehend als Anwälte von Unternehmenserfolg und „Business Partner“ agieren. „Die wollen doch nur spielen“ – „Gern, aber nur da, wo es passt.“ ■ Regina Mahlmann P.T. MAGAZIN 5/2014 Film & Video Production Translation Services Print Services Internet Services

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