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PT-Magazin 03 2019

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Offizielles Magazin des Wettbewerbs "Großer Preis des Mittelstandes" der Oskar-Patzelt-Stiftung, Regiotop, German Mittelstand, Plattform-Ökonomie, Geschäftsgeheimniss, KIA Stinger 3.3, Viraler Wandel,

Kapitalmarkt &

Kapitalmarkt & Mittelstand PT-MAGAZIN 3/2019 © Johannes Wosilat Wirtschaft 34 Informationsaustausch unter Gleichgesinnten ist hilfreich, denn die Einführung von Basel IV wird kleinen und mittleren Unternehmen den Geschäftsalltag weiter erschweren. Seit der Einführung des Regelwerkes von BASEL III ist die Kreditvergabe an mittelständische Unternehmen deutlich erschwert worden. Ab Januar 2020 werden mit Einführung von Basel IV die Hürden für die Kreditvergabe ein weiteres Mal höher gesetzt. In den vergangenen Jahren wurde deshalb von vielen mittelständischen Unternehmen der Gang an die Börse genutzt. Aber auch hier gibt es Eintrittsbarrieren, die von der EU und der deutschen Politik gestellt werden. Deutsche Mittelständler sehen oft nicht, was über ihren Köpfen hinweg sowohl in Brüssel als auch in Berlin entschieden wird – oder werden soll. Umgekehrt kommt die Meinung der Basis häufig weder in der deutschen noch der europäischen Gesetzgebungshauptstadt an. Das PT-Magazin im Gespräch mit Ingo Wegerich, Präsident des Interessenverbands kapitalmarktorientierter kleiner und mittlerer Unternehmen e.V. („Kapitalmarkt KMU“) und Hans-Jürgen Friedrich Vorstandsvorsitzender der KFM Deutsche Mittelstand AG und Vorstandsmitglied des Verbandes über Friktionen zwischen der Basis, Berlin und Brüssel. PT-Magazin: Herr Wegerich, den Interessenverband gibt es jetzt rund eineinhalb Jahre. Wie beurteilen Sie die Entwicklung? Wegerich: Unser Interessenverband ist bis heute eine erfreuliche Erfolgsgeschichte. Wir haben sehr viel in der kurzen Zeit erreicht. Wir haben gleich mehrfach im Interesse des kapitalmarktorientierten Mittelstandes auf die Gesetzgebung Einfluss nehmen können. Ursprünglich wollte der nationale Gesetzgeber von den Spielräumen, die die europäische Prospektverordnung den Mitgliedsstaaten einräumt, keinen Gebrauch machen. Durch unsere Lobbyarbeit wurde der Spielraum weitest möglich ausgeschöpft. Prospektfreie Emissionen sind nun bis zu 8 Millionen Euro möglich. Durch einen Gesetzesfehler waren von den prospektfreien Emissionen jedoch zunächst Bezugsrechtskapitalerhöhungen ausgeschlossen. Dies konnten wir durch unsere Petition und Stimmensammlung korrigieren. An unserer Petition haben sich über 100 Vorstände kapitalmarktorientierter Unternehmen beteiligt. Die hohe Stimmenzahl ist auch ein Beleg für unsere große Akzeptanz im kapitalmarktorientierten Mittelstand. Mittlerweile liegt ein Regierungsentwurf auf dem Tisch, der prospektfreie Bezugsrechtskapitalerhöhungen bis zu 8 Millionen Euro ermöglicht. Die Einflussnahme auf den Gesetzgeber durch eine Petition und Stimmensammlung ist ein bisher einmaliger Vorgang in der Geschichte des deutschen Kapitalmarktrechts. PT-Magazin: Herr Friedrich, der von Ihnen initiierte Deutscher Mittelstandsanleihen Fonds, investiert in Anleihen von mittelständischen Unternehmen. Sie gelten als Experte in diesem Marktsegment. Ist eine solche Einflussnahme aus Ihrer Sicht notwendig? Friedrich: Sie ist aus meiner Sicht für die deutsche Volkswirtschaft, für mittelständische Unternehmen, institutionelle und private Investoren dringend erforderlich. In 2015 wurde durch die europäische Kommission der Aktionsplan „Bildung der Kapitalmarktunion“ ins Leben gerufen. Ziel war und ist es, mittelständischen Unternehmen, institutionellen und privaten Anlegern den Zugang zum Kapitalmarkt zu erleichtern. Das ist auch zwingend notwendig. Mit Einführung des Regelwerkes von BASEL III sind die Banken bei der Kreditvergabe deutlich eingeschränkt worden. Fehlende Finanzierungsmittel müssen unter anderen über Aktien oder Anleihen am Kapitalmarkt beschafft werden. Diese Finanzierungsinstrumente können für Investoren und Anleger in Zeiten der Null- und Negativzinspolitik der EZB auch eine attraktive Anlagealternative darstellen. Der Verband setzt sich dafür ein, dass mittelständische Unternehmen am Kapitalmarkt ein Investment anbieten und dass institutionelle Investoren und private Anleger diese Anlagen nutzen können. Am Beispiel des MiFiD Regelwerkes und anderer Gesetzesvorschläge gewinnen viele Experten den Eindruck, dass in Deutschland diametral in eine andere Richtung gearbeitet wird. Anlageberater und Anleger werden durch das Regelwerk entmündigt und erhalten keine Beratung zu alternativen Anlagemöglichkeiten. Dank der Initiative des Verbandes kann im ersten Schritt der Mittelstand mit deutlichen verbesserten Rahmenund Kostenbedingungen an den deutschen Börsenplätzen Aktien oder Anleihen anbieten. Wir stellen fest, dass viele Angebote attraktiv sind und sich als Kapitalanlage zur Beimischung in der Vermögensanlage eignen. Im nächsten Schritt versucht der Verband auch den Zugang für institutionelle und private Anleger an die Kapitalmärkte zu verbessern. Hier besteht nach unserer Einschätzung noch großer Handlungsbedarf.

Expertengespräch zu Friktionen zwischen der Basis, Berlin und Brüssel PT-Magazin: Welche weiteren Themen haben Sie durch Ihren Verband besetzt? Wegerich: Unser Interessenverband war einziger KMU-Vertreter aus Deutschland auf einem Expertenhearing der EU-Kommission zu Erleichterungen und Ausnahmen für KMUs von der Marktmissbrauchsverordnung. Ohne unseren Verband hätte niemand aus Deutschland in Brüssel hier Stellung bezogen. Wir haben uns zudem in mehreren Konsultationen der EU-Kommission für Erleichterungen für KMUs von der Marktmissbrauchsverordnung eingesetzt. Unser Interessenverband hat auch eine Stellungnahme in Brüssel zum sogenannten „EU-Wachstumsprospekt“, dem neuen Prospektformat für KMUs, abgegeben – in der hundertseitigen englischsprachigen Konsultation der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) wurde u. a. diskutiert, dass Mittelständler zukünftig nur nach IFRS und nicht mehr nach HGB bilanzieren sollen. Hiergegen haben wir uns mit Nachdruck ausgesprochen. Diese Regelung konnten wir verhindern. PT-Magazin: Sind das die Themen, die den kapitalmarktorientierten Mittelstand bewegen? Wegerich: So ist es. Genau aus diesem Grund haben wir den Interessenverband gegründet. Was in Berlin und Brüssel passiert, hat der kapitalmarktorientierte Mittelstand nicht immer im Blick; die Mittelständler konzentrieren sich lieber auf ihr Tagesgeschäft. Von daher ist es wichtig, dass die Interessen der KMUs gesammelt und über eine Interessenvertretung kommuniziert werden. Durch unseren Verband erhalten die KMUs eine Plattform und eine Stimme. Aktuell beteiligen wir uns an einer Konsultation des Bundesministeriums der Finanzen zu den Auswirkungen der MiFID. Wir werden hier insbesondere auf die Research-Problematik für KMUs hinweisen. Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen treffen die MiFID-Regelungen zum Research besonders hart. Das Ökosystem Börse ist hier für die KMUs gefährdet. PT-Magazin: Sie erwähnten zuvor, dass die MiFiD-Regeln auch die Anlageberatung und Anleger treffen. Welche Herausforderungen sehen Sie hier? Friedrich: Viele Investoren und Anleger verlangen eine Beratung zu alternativen Investmentmöglichkeiten. Kein Wunder, denn die Zinsen für Sparbücher, Festgelder, Bundesanleihen oder große Industrieanleihen decken nicht mal die Inflationsrate. Im vergangenen Jahr haben nach den jüngsten Analysen deutsche Anleger rund 38 Mrd. Euro verloren, weil sie das Geld auf Spar- und Termingeldkonten anlegen und Alternativen nicht mehr angeboten werden können. Die aktuellen Vorschriften für die Anlageberatung müssen daher dringend angepasst werden. Dem Anlageberater muss es wieder möglich gemacht werden als „Arzt fürs Portemonnaie“ tätig zu sein. Die Anlageberatung ist durch den Verbraucherschutz zu einem Verhör mutiert, dessen Sinn sich weder dem Anleger noch dem Berater erschließt. Es besteht der dringende Bedarf, dass der Anlageberater wieder als Lotse tätig werden darf und eine Anlageberatung zu Aktien und Anleihen – auch von mittelständischen Unternehmen - durchführen kann. PT-Magazin: Wie ist denn Resonanz Ihre Arbeit bei den mittelständischen Unternehmen und anderen Kapitalmarkteilnehmern? Wegerich: Wir haben großen Zuspruch. Mitglieder sind KMUs, Dienstleister, Finanzinstitute und Medien. Wir konnten die Mitgliederzahl seit unserer Gründung verdoppeln. Friedrich: Auf der einen Seite benötigen mittelständische Unternehmen dringend einen Fürsprecher in der Politik, wenn es um das Regelwerk zum Eintritt in den Kapitalmarkt geht. Auf der anderen Seite fordern emissionsbegleitende Banken, Börsenplätze, Investoren und Anleger ein Regelwerk, das in der Praxis umsetzbar ist und dazu beiträgt, dass Finanzierungsmittel den Mittelstand erreichen. Der Verband leistet hier einen wichtigen Beitrag und das mit vielen ehrenamtlichen Mitstreitern. Was macht Kapitalmarkt-KMU? Der am 30. August 2017 gegründete Interessenverband kapitalmarktorientierter kleiner und mittlerer Unternehmen e.V. mit Sitz in Frankfurt am Main setzt sich für die Verbesserung der maßgeblichen Rahmenbedingungen für kleinere und mittlere Unternehmen bei der Kapitalmarktfinanzierung ein und tritt aktiv für die Belange des kapitalmarktorientierten Mittelstandes im Dialog mit der Politik, den Gesetzgebungsorganen, den Aufsichtsbehörden, den Institutionen des Kapitalmarkts, den Interessenverbänden und der Öffentlichkeit ein. Mitglieder sind KMUs, Dienstleister, Finanzinstitute und Medien. Internet: http://www.kapitalmarkt-kmu.de/ Die Gesprächspartner Ingo Wegerich ist Rechtsanwalt und Partner der Luther Rechtsanwaltsgesellschaft und spezialisiert auf Kapitalmarktrecht. Wegerich ist Präsident des Interessenverbandes kapitalmarktorientierter kleiner und mittlerer Unternehmen e.V. (KMU Verband) Hans-Jürgen Friedrich ist Gründer und Vorstandsvorsitzender der KFM Deutsche Mittelstand AG. Der von ihm initiierte Deutsche Mittelstandsanleihen Fonds wurde in 2018 als Hidden Champion Fonds ausgezeichnet. Er unterstützt ehrenamtlich als Vorstandsmitglied den KMU Verband. PT-Magazin: Wie geht es mit dem Verband weiter? Was sind zukünftige Themen? Wegerich: Wir haben einen Journalistenpreis für kapitalmarktorientierte Mittelstandsthemen ins Leben gerufen, den sogenannten „kumU“. Hierdurch wollen wir erreichen, dass Themen um KMUs und Kapitalmarkt wieder stärker in den Fokus rücken. Außerdem werden wir in verschiedenen Regionen Deutschlands Informations-Veranstaltungen zu dem Thema „Finanzierung über den Kapitalmarkt“ durchführen. Wir wollen interessierten Unternehmen Hilfestellung liefern und Alternativen zu den Konsequenzen von Basel IV aufzeigen. Bankfinanzierungen werden zukünftig schwieriger werden – der Kapitalmarkt ist hier eine willkommene Alternative. PT-Magazin: Herr Wegerich, Herr Friedrich, wir danken Ihnen für das Gespräch und wünschen Ihnen und dem Verband viel Erfolg für die weitere Entwicklung. ó 35 PT-MAGAZIN 3/2019 Wirtschaft

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