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PT-Magazin 03 2018

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Magazin für Wirtschaft und Gesellschaft. Offizielles Informationsmagazin des Wettbewerbs "Großer Preis des Mittelstandes" der Oskar-Patzelt-Stiftung

PT-MAGAZIN 3/2018 Gesellschaft 8 Mit Schleimpunkten fängt es an … ©svetazi - stock.adobe.com mit Denunziantentum im Auftrag des Staates ist es Totalitarismus #KPChina #Mobike #WeChat #bgbd18 Chinesische Web-Dienste gibt es mittlerweile auch in Deutschland. Beispielsweise Mobike – ein Sharing-Service für Fahrräder. Alles prima, alles gut. Klingt doch super nützlich und harmlos nach Weltverbesserung: „Gerade in Städten ist der Bedarf nach alternativen Mobilitätsangeboten für Kurzstrecken groß. Gegenwärtig gibt es nicht viele gute Lösungen, um dieses Problem anzugehen. Mobike basiert daher auf dem Gedanken, diesen Wunsch zu erfüllen – Menschen zu helfen, kurze Entfernungen auf eine erschwingliche und bequeme Art und Weise zurückzulegen. Um dieses Ziel zu erreichen, haben wir uns für das universellste und einfachste Transportmittel entschieden – das Fahrrad. Mit einer Idee und innovativer Forschung haben wir den Fahrradrahmen und das intelligente Schloss entwickelt, um das Überbrücken von Kurzstrecken einfach und bequem zu machen. Mobike trägt auch zur Verbesserung des innerstädtischen Verkehrs bei und führt somit zu einer besseren Lebensqualität für alle.“ Liest man die AGBs etwas genauer, stößt man auf diese Formulierung: „Die App-Versionen ab 3.1 enthalten die Funktion Mobike Credit. Je verantwortungsbewusster du Mobike verwendest, desto höher wird dein Guthaben. Zum guten Verhalten gehört, dass das Fahrrad an den bevorzugten Mobike-Stationen abgestellt wird, falsch geparkte Fahrräder gemeldet werden oder defekte Bikes angezeigt werden. Genauso führt schlechtes Verhalten zu einer Reduzierung des Mobike Credits. Wenn dieser auf 0 sinkt, wird dein Konto eingefroren und du kannst den Service nicht länger nutzen. Um dein Mobike Credit zu überprüfen, gehe auf ‚Mein Konto‘ -> Mobike Kredit.“ Klingt das jetzt weniger nach Weltverbesserung? Viele werden das verneinen. Es sei ja eine Selbstverständlichkeit, die Räder an den Mobike- Stationen abzustellen, falsch geparkte Räder zu melden (erste Schleimpunkte fürs Denunziantentum) und sich generell vor schlechtem Verhalten zu hüten. Was so harmlos klingt, ist der erste Schritt in ein digitales Blockwart-System im Sinne der Kommunistischen Partei China (KPC). Wer andere anschwärzt, wird belohnt – dahinter steckt System:

PT-MAGAZIN 3/2018 „Wenn du illegal (was illegal ist oder nicht, beurteilen in Deutschland die rechtsstaatlichen Instanzen, nicht irgendwelche Privat-Sheriffs) oder schlecht geparkte Mobikes siehst, sende uns bitte dein Feedback und du wirst mit Mobike Credits belohnt.“ In der „verfeinerten Variante“ werden auch Punkte abgezogen durch Meldungen einer Regierungsbehörde oder „Aufsicht“ oder eben eines anderen „Nutzers“. 1) Diktaturen beginnen immer so: Mit Verdachtstotalitarismus 2). Was die KP China will, ist klar. Linientreue Bürgerinnen und Bürger mit Triple AAA Bewertung. Gelockt wird am Anfang mit günstigen Krediten, Was ist Mobike? „Mobike ist die weltweit erste bargeldlose und stationslose Sharing-Plattform, die das Problem der Kurzstreckenverbindung in Städten löst. Mobike verwendet ein einzigartiges, patentiertes Fahrraddesign, ein intelligentes Schlosssystem und kombiniert dies mit der Smartphone-App, um dir besseren Zugang und Komfort in der Stadt zu bieten.“ (Quelle: mobike.com) guter Krankenversorgung, Studienplätzen für die lieben Kinderchen und sonstigen Vergünstigungen. Wer abfällt, wer auffällt, wer gegen die Normen verstößt, wer das System in Frage stellt (übrigens auch das System der gegenseitigen Verdächtigungen), der wird runtergestuft. Im schlimmsten Fall wird man zur Unperson, verliert den Job, wird ausgestoßen, bekommt nichts mehr. Betroffene müssen sogar befürchten, ihre Jobs zu verlieren. Die KP China macht das übrigens sehr transparent, so dass jedem Schäfchen des Landes klar ist, was die Parteiführung von „ihrem“ Volk erwartet. Man kann in dem „moralischen“ Dokument der KP nachlesen, was zu einem schlechten Score-Wert führt. Über eine App kann sich jeder sehr bequem über den eigenen Punktestand informieren. Neben Behörden sollen auch Banken, Arbeitgeber, Vermieter, Einkaufsplattformen, Reiseveranstalter und Fluggesellschaften Einsicht in die Bewertung erhalten. Als Datenquellen kommen Kranken- und Gerichtsakten, Onlineshopping oder Beiträge in sozialen Netzwerken in Betracht – auch das korrekte Verhalten bei der Nutzung des Bike-Sharing-Angebots. Ebenso Internet-Suchanfragen, Reisepläne oder Einkäufe mit Kreditkarte oder den Bezahl-Apps, die in China weit verbreitet sind. Diese Daten analysiert und gewichtet das System, um daraus die Punktzahl für braves Staatsbürgertum abzuleiten. Schon 2020 könnte es für jeden in China zur Pflicht werden, sich mit seiner Sozialausweisnummer dafür registrieren zu lassen. Was war ein Blockwart? Nach 1933 gab es für jeweils 40 bis 60 Haushalte einen nicht hauptamtlichen NSDAP-Blockwart mit „hoheitlichen“ Aufgaben: „Der Hoheitsträger muss sich um alles kümmern. Er muss alles erfahren. Er muss sich überall einschalten.“ Die 200.000 Blockwarte organisierten die politische Überwachung und notierten in normierten Haushaltskarteien Unmutsäußerungen und politisch „falsches“ Verhalten, gaben Leumundszeugnisse ab und waren allgegenwärtiger Ansprechpartner für Denunziationen. Chinas Internetfirmen wie Alibaba oder Tencent sind dafür übrigens die Trendsetter. Also auch WeChat und Co. ó 1) Siehe auch den Vortrag von Dr. Harald Gapski vom Grimme Institut auf den Bonner Gesprächen 2018 https:// www.facebook.com/bpb.de/ videos/10155334250077688/ 2) Siehe auch: Bannflüche statt Mediation im Netz. http://www.netzpiloten.de/ tandem-bannflueche-mediation-governance/ 9 Gesellschaft Melde schlechtes Parkverhalten Wenn du illegal oder schlecht geparkte Mobikes siehst, sende uns bitte dein Feedback und du wirst mit Mobike Credits belohnt. Um dies zu melden, klicke auf das Symbol in der unteren rechten Ecke, wähle dann „Falsch Parken“ und sende uns dein Feedback! Bitte denke daran, die Fahrradnummer anzugeben. Über den Autor Gunnar Sohn (Bonn) www.ichsagmal.com ist Diplom-Volkswirt (FU Berlin). Freiberufler. Wirtschaftspublizist, Buchautor, Blogger, Medienberater, Moderator und Kolumnist. Leidenschaftlicher Barcamper und Wanderer zwischen den Welten.

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