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P.T. MAGAZIN 03/2013

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Magazin für Wirtschaft und Gesellschaft. Offizielles Informationsmagazin des Wettbewerbs "Großer Preis des Mittelstandes" der Oskar-Patzelt-Stiftung

Wirtschaft Blick auf

Wirtschaft Blick auf Dubai: Die Wüstenmetropole ist eine von vielen Bühnen für soziale Hoffnungen und Enttäuschungen, Experimentierfeld für Neuerungen und Chance für unkonventionelle Lösungen. Stadt, Land, Zukunft Probleme und Chancen der globalen Urbanisierung An irgendeinem Tag im Jahr 2007 war der Punkt erreicht, an dem weltweit mehr Menschen in Städten wohnten als auf dem Land. Das haben Experten der Vereinten Nationen ermittelt. Gleichzeitig sagt die Statistik: Etwa jeder zehnte Stadtbewohner lebt schon heute in einer Megacity mit mehr als zehn Millionen Einwohnern. 1851 war London laut einer Volkszählung mit 2.651.939 Einwohnern die größte Stadt der Welt. Gegen das heutige Tokio mit seinen schon über 36 Millionen Menschen erscheint das geradezu provinziell. Ein Drittel der japanischen Bevölkerung wohnt hier. Die Menschen in dieser Stadt erwirtschaften 31 Prozent des japanischen Bruttoinlandsprodukts, etwa so viel wie Spanien und Portugal zusammen. Die Städte der Welt wachsen mit atemberaubender Geschwindigkeit: Jährlich ziehen etwa 60 Millionen Menschen vom Land in die urbanen Zentren, weil sie dort bessere Lebensbedingungen erwarten. Lokomotiven der globalen Wirtschaft Sie hoffen auf Arbeit und bessere Bildungs- und Wohnmöglichkeiten. Metropolen bleiben auch künftig Fluchtpunkt für Aufsteiger und Habenichtse, denn in vielen Teilen der Welt wird das Leben auf dem Land zunehmend schwieriger: Die Weltmarktpreise für Agrarprodukte sinken, viele Kleinbauern fühlen sich durch Großgrundbesitzer unterdrückt und ausgebeutet, und die ländliche Infrastruktur entspricht oft nicht den Erwartungen. So scheint das Abwandern in die Großstädte häufig die einzige Option zu sein, sie sind die Lokomotiven der globalen Wirtschaft. Gleichzeitig sinkt dank guter medizinischer Versorgung die Säuglingssterblichkeit in den Zentren: Deren Einwohnerzahl wächst so auch von innen heraus. Durch die Verschiebung des Stadt-Land-Gefälles zusammen mit dem Gesamtbevölkerungswachstum auf 9,2 Milliarden im Jahr 2050 wird sich der Bedarf an Stadtraum in den nächsten Jahrzehnten gegenüber heute verdoppeln. Gerade die Distrikte, in denen sich die Neuankömmlinge ansiedeln und ein eigenes Netzwerk bilden, sollten besonders im Fokus stehen. „Wir müssen diesen Orten sehr viel mehr Aufmerksamkeit widmen“, meint Doug Sanders in seinem Buch „Arrival City“, denn sie sind nicht nur die Schauplätze potenzieller Konflikte und Gewalttaten, sondern auch die Gebiete, in denen sich der Abschied von der Armut vollzieht, in denen sich die nächste Mittelschicht herausbildet und die Träume, Bewegungen und Regierungen der nächsten Generation entstehen.“ Ein Ort, an dem sich die Zukunft unseres Globus entscheiden kann: Bühne für soziale Hoffnungen und Enttäuschungen ebenso wie Experimentierfeld für Neuerungen, Chance für unkonventionelle Lösungen in vielen Bereichen. Stadtentwicklung darf man nicht dem Zufall überlassen Das Bild der Stadt hat sich gewandelt, seit Mitte des 19. Jahrhunderts in Deutschland die Urbanisierung begann: Was vorher noch ein durch eine Stadtmauer eng umgrenztes Gemeinwesen war – oft sogar mit eigenen Zollschranken – wuchs nun darüber hinaus und gewann immer mehr an Diversität. Zunächst vielleicht nur ein Marktort, also eine Schaltstelle für den regionalen Handel, wurde die Stadt unaufhaltsam zum Kristallisationspunkt für die unterschiedlichsten Funktionen: Produzierendes Gewerbe und Handel, neu entstehende Industrie, Militär, religiöse Versammlungsorte, aufkommender Massenverkehr prägten nach und nach die Zentren. Je mehr Menschen sich hier konzentrierten, desto mehr Infrastruktur wurde gebraucht, von der Wasserversorgung bis hin zur Unterhaltung für die Massen. Das bedeutete auch, dass sich (Foto: Wikimedia/CC-2.0/McKay Savage) die politischen Verhältnisse auf kommunaler Ebene weiter entwickeln mussten, zumal sich die soziale Schichtung der Stadtbürger von der auf dem Land unterscheidet: Sie ist weitaus stärker ausgeprägt und kann sich in den einzelnen Wohnquartieren deutlich unterscheiden – nicht nur in den ehemaligen Kolonialstädten Asiens und Afrikas, sondern auch in den modernen Metropolen. Keiner kennt mehr den anderen, die Anonymität nimmt zu; damit gehen nicht nur Traditionen, sondern auch viele soziale Kontrollmechanismen verloren. Die Stadt lebt vom Aufbruchsgeist ihrer neu Zugezogenen, von ihren Bedürfnissen und Phantasien. Sie bringen frische kulturelle Impulse, oft auch innovatives technisches Know-how mit. Betrachtet man die Entwicklung der Städte, wird die Veränderung deutlich: Wo früher Kirchtürme und Rathäuser die Stadt dominierten, fallen heute Hochhäuser, Bahnhöfe, Bankpaläste, Kaufhäuser, Industrieanlagen und Fernsehtürme ins Auge. Neben der Infrastruktur wird deshalb zunehmend auch die architektonische und stadtplanerische Gesamtsicht wichtig: Ästhetik, Lebensqualität und Erholungswert prägen das Bild von Städten oft mehr als ihre wirtschaftliche Potenz. Städte belegen nur rund zwei Prozent der Erdoberfläche, verbrauchen aber drei Viertel aller Ressourcen War 1950 noch New York die einzige Stadt der Welt mit einer Einwohnerzahl von über zehn Millionen, so existierten 20 Jahre später weltweit drei solcher Megastädte; 1985 waren es neun, 2004 zählten die Geographen bereits 19, und heute sind es 25. Immer mehr Superstädte Die Zahl der Superstädte wächst also immer schneller. Dieser Trend ist vor allem in den Schwellen- und Entwicklungsländern sehr stark, während sich das Wachstum in den Industrieländern allmählich abflacht. Als Extrembeispiele für diese Entwicklung gelten im pazifischen Asien die Megastädte Osaka (Japan) und Yangon (Myanmar): Während im Ballungsraum von Osaka-Kobe das Bevölkerungswachstum zum Stillstand gekommen ist, wird die Einwohnerzahl der Hauptstadt von Myanmar voraussichtlich innerhalb der nächsten drei Dekaden von heute rund 4,5 Millionen Einwohnern um mehr als das Zweieinhalbfache zunehmen. Aber nicht nur in Asien entstehen Superstädte, sondern auch in Afrika und Südamerika, sogar in Saudi-Arabien: „Riad wächst in 15 Jahren von jetzt 1,5 Millionen auf über zehn Millionen Einwohner. Mitten in der Wüste!“, prognostiziert der international angesehene Stadtplaner Professor Albert Speer im Jahr 2006. Das Leben in diesen Molochen ist keineswegs nur angenehm, manches hat sich seither verbessert, aber die Grunddiagnosen bleiben bestehen – und wenn alles weitergeht wie bisher, werden sich die Probleme noch verschärfen. Städte belegen nur rund zwei Prozent der Erdoberfläche, verbrauchen aber drei Viertel aller Ressourcen und stoßen dabei gigantische Wolken von Treibhausgasen aus, Milliarden Tonnen Müll und ganze Ströme giftiger Abwässer. Ihre Bewohner beanspruchen ungeheure Flächen für Wasser- und Nahrungsversorgung: So braucht beispielsweise London 125-mal die Fläche seines Stadtgebiets, um seine Bewohner mit allem Nötigen zu versorgen, berichtet der britische Umweltberater und Autor Fred Pearce im New Scientist. Die Frage ist also: Kann dieses Wachstum ungebremst weitergehen? Wo liegen die Grenzen für eine funktionierende Stadt? Forscher glauben, dass in Städten, die sich um ein einziges Zentrum gruppieren, bei zehn bis 15 Millionen Einwohnern die Schmerzgrenze erreicht ist. Dann nehmen Verkehrsstaus und Luftverschmutzung so überhand, dass Menschen und vor allem die Wirtschaft wieder aus den Innenstädten fliehen. 46 P.T. MAGAZIN 3/2013 3/2013 P.T. MAGAZIN 47

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