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PT-MAGAZIN 03-04 2020

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Offizielles Magazin der Oskar-Patzelt-Stiftung. Titelthema: Keine Angst vor Krisen. Nominierungsliste 2020 des Wettbewerbs "Großer Preis des Mittelstandes". Motto: Lösungen finden

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24 Oskar-Patzelt-Stiftung Strategie- und Geschäftsmodellentwicklung „In den letzten 50 Jahren hat mehr Entwicklung stattgefunden, als in der gesamten Zeitspanne davor zusammengenommen.“ Dieses Zitat nutzt, recht frei übersetzt, der Managementvordenker Henry Mintzberg gerne in Vorträgen. Ein topaktuelles Zitat wie es scheint, aber weit gefehlt, denn es stammt aus dem Jahr 1868 und zeigt: Herausfordernde Veränderungen und radikaler Wandel sind anders als aktuell mitunter dargestellt, keine grundlegend neuen und exklusiven Phänomene unserer Zeit. Die Umwälzungen zahlreicher Branchen und die lange Liste gescheiterter Unternehmen beweisen dies. Mit diesem Wandel umzugehen und Schritt zu halten, war und ist ein integraler Bestandteil von Unternehmertum. Business as usual also? So einfach sollte man es sich vielleicht nicht machen: Zu viele Unternehmerinnen und Unternehmer empfinden es in gleicher Weise; zu viele „klassische Branchen“ durchleben angesichts der zunehmenden Globalisierung, Digitalisierung etc. grundsätzliche Transformationen; zu viele empirische Daten verweisen darauf, dass das Durchschnittsalter von Unternehmen sukzessive abnimmt. All das deutet für uns in die gleiche Richtung: Der Wandel beschleunigt sich und erfasst nach und nach immer mehr Branchen. Höchste Zeit also, sich damit zu beschäftigen, was sich ganz konkret verändern muss, damit das eigene Unternehmen auch künftig noch bestehen kann. Noch etwas grundlegender stellt sich dabei auch die Frage: Ist die Art wie es Veränderungen anstrebt, den äußeren und inneren Gegebenheiten noch angemessen? Kleine und mittlere Unternehmen finden darauf durchaus unterschiedliche Antworten: © www.piqsels.com Das intuitive Erfolgsmodell mittelständischer Unternehmensführung Das immer noch weit verbreitete und traditionelle Führungsmodell der deutschen mittelständischen Wirtschaft ist eher intuitiv, hierarchisch und arbeitsteilig. Die Chefin oder der Chef sind nah an der Materie und entscheiden über den Unternehmenskurs (als Einzelne). Die gesamte Organisation ist davon entlastet und kann sich voll auf das Tagesgeschäft und die Umsetzung der Kursänderungen konzentrieren. Dies funktioniert solange und so gut, wie die Antennen und das strategische Geschick des Taktgebers reichen. Nicht selten entwickelt sich aber gerade bei erfolgreichen Unternehmenslenkern eine gewisse Pfadabhängigkeit: Es fällt immer schwerer, links und rechts der Erfolgsgeschichte zu schauen – sie werden betriebs- und erfolgsblind. Wo früher in diesem Fall der Generationenwechsel mitunter rechtzeitig frischen Wind ins Haus brachte, verlangt heute die Beschleunigung des Wirtschaftsgeschehens, sich selbst in immer kürzeren Abständen neu zu erfinden. Die strategische Schleife Andere Unternehmen setzen dagegen auf eine breitere Basis an Perspektiven und ein systematischeres Vorgehen. Der Führungskreis ringt sich wertvolle Stunden ab, um quasi in einer Schleife jenseits des Alltagsgeschäfts (mit oder ohne Hilfe von externen Beratern) Strategiearbeit zu betreiben: Die Ausgangssituation wird (ausführlich) analysiert, ein Ziel abgeleitet, der Weg dorthin geplant, dokumentiert und in die Umsetzung gebracht. Je nach Vorliebe, Zeitgeist, Zielsetzung und Situation des Unternehmens passiert dies mehr oder minder methodisch, mal streng analytisch, mal stärker um Kreativität bemüht. Mal wird eher die Entwicklung des Marktes und der Wettbewerber in den Blick genommen, mal die eigenen Stärken und Erfolgspotenziale. Man sucht blaue Ozeane, orientiert sich radikal am Kundenbedarf oder an (technologischen) Trends. Die Organisation macht sich damit unabhängiger von der Urteilskraft und dem Engagement einer Person und schwört das Team auf die neue Linie ein. Das stellt hohe Anforderungen an die beteiligten Akteure, gerade wenn mutige Richtungswechsel gefragt sind, die das Selbstverständnis und bisherige Rollen betreffen. Fehlt es an Motivation und Energie in der Umsetzung läuft der Strategieprozess mitunter Gefahr, recht starr und schwerfällig zu werden. Die Anforderungen des Alltagsgeschäfts tun nicht selten ihr Übriges und das hehre Vorhaben, regelmäßige Strategiereviews durchzuführen, gerät ins Hintertreffen oder man konzentriert sich eher auf die Kontrolle von Zielabweichung und ggf. leichten Plananpassungen. Sich verändernde Rahmenbedingungen, Informationen und Ideen, drohen der Formalisierung zum Opfer zu fallen. Im schlimmsten Fall verkommt die Strategie zu einem Papiertiger und / oder der Plan hat sich bereits während seiner Umsetzung überlebt. PT-MAGAZIN 3/4 2020

25 im Wandel PT-MAGAZIN 3/4 2020 Agile Strategieentwicklung = Geschäftsmodellentwicklung Agilität ist nicht zuletzt aufgrund solcher Erfahrungen derzeit omnipräsent und hält auch verstärkt Einzug in die Strategiearbeit. Das heißt hier, den Plan bewusst als vorläufig zu akzeptieren, dessen Passung immer erst die Zukunft beweist oder widerlegt. Deshalb werden die eigenen Fortschritte deutlich kurzzyklischer unter die Lupe genommen und auch der Fokus verändert sich: Die Aufmerksamkeit gilt weniger der Frage, ob das Ziel noch richtig angesteuert wird (Effizienz), als vielmehr der Beschäftigung damit, ob noch das richtige Ziel angesteuert wird (Effektivität). Unserer Erfahrung nach eignet sich für Strategieprozesse dieser Couleur das Geschäftsmodell als orientierender Rahmen gerade für kleine und mittlere Unternehmen besonders gut. Es beschreibt die grundsätzliche DNA eines Unternehmens: für wen es über welche Kanäle was anbietet, was es dafür tun muss und wie es damit (ausreichend) Geld generiert. Dies ermöglicht es, sich relativ intuitiv und schnell ein gemeinsames Verständnis der bisherigen und zukünftigen Funktionsweise des Unternehmens zu erarbeiten. Damit gerät das Große und Ganze während der Umsetzung nicht aus dem Blick und kann leicht angepasst werden. Die Einfachheit des Modells und die hohe Flughöhe machen es leichter, gemeinsam am Bild des Geschäfts von (über)morgen im Sinne größerer Veränderungen zu feilen. © RKW Kompetenzzentrum Die Dynamik und Flexibilität des Ansatzes haben aber auch ihren Preis: Sie verlangen von allen Beteiligten einen professionellen Umgang mit den daraus resultierenden Unsicherheiten, eine hohe Prozessdisziplin und Aufmerksamkeit in der Führung sowie einen höheren Aufwand für Verständigungsprozesse. Eine Strategische Identität kann dabei ausreichend Orientierung und Spielraum bieten, weil sie ein überzeugendes Geschäftsmodell erweitert um eine schlüssige Beschreibung, worauf sich der künftige Erfolg stützen soll: Konkret genug für alle im Unternehmen, um einschätzen zu können, wohin es grundsätzlich gemeinsam gehen soll, gleichzeitig aber offen genug, um auch den Weg situativ anpassen zu können. Bei diesen drei Formen handelt es sich natürlich um grundsätzliche Typen, die immer holzschnittartig vereinfachen, angesichts der Vielfalt an Lösungen und Mischformen. Viele Wege führen also zur eigenen Transformation und jeder Ansatz hat sein Für und Wider. Welchen Pfad es einzuschlagen gilt, hängt im konkreten Einzelfall immer noch in hohem Maße von den inneren Bedingungen, den äußeren Zwängen und den eigenen Ambitionen ab. Dennoch sind Unternehmerinnen und Unternehmer mehr denn je gefragt, gewohnte Bahnen in Frage zu stellen und neue Wege zu wählen, denn die Zeichen der Zeit deuten ohne Frage in Richtung von mehr Dynamik und Veränderungsfähigkeit. ó Patrick Großheim Patrick Großheim und Alexander Sonntag leiten gemeinsam das Projekt „Wettbewerbsfähig mit digitalen Geschäftsmodellen und Personalstrategien“ im RKW Kompetenzzentrum. Dort arbeiten sie mit kleinen und mittleren Unternehmen vor allem daran, stimmige Zukunftsbilder zu entwickeln – und diese auch umzusetzen. Der dabei entwickelte Ansatz zur Geschäftsmodellentwicklung kann als Leitfaden oder Buch unter www.geschäftsmodellentwicklung.de kostenfrei bezogen werden. Kontakt: grossheim@rkw.de und sonntag@rkw.de Alexander Sonntag © RKW Kompetenzzentrum

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