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P.T. MAGAZIN 02/2012

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Magazin für Wirtschaft und Gesellschaft. Offizielles Informationsmagazin des Wettbewerbs "Großer Preis des Mittelstandes" der Oskar-Patzelt-Stiftung

IWF-Krisenbericht für

IWF-Krisenbericht für Zeitraum 2007 bis 2008. Dunkelrot: Länder mit offizieller Rezession. Blau: Länder mit positiver Wirtschaftsentwicklung (Grafik: Wikimedia/CC-3.0/Felipe Menegaz) Wirtschaft Der gute Mensch von Chicago Deutschland liebt US-Präsident Barack Obama für sein Charisma und seinen Gerechtigkeitssinn. Ist er der oberste Hypothekendrücker der USA? Als Obama Präsident wurde, tobte die Weltfinanzkrise. Immobilienkrise, Bankenkrise, Finanzkrise und Wirtschaftskrise waren ein schier unentwirrbares Konglomerat. Krisenauslöser war im Frühjahr 2007 die US-Immobilienkrise, bis heute verniedlichend Subprimekrise genannt. Institutionalisierter ökonomischer Irrsinn Wer detailliert studieren will, wie das passieren konnte, sollte das 40seitige Vortragsmanuskript von Leander L. Hollweg von Tenmann Prognosys vom Februar 2009 studieren. In Kurzfassung ging es so: 1934 begann mit dem National Housing Act eine seither als „Redlining“ bezeichnete Praxis, nach der zahlreiche innerstädtische, vor allem von rassischen Minderheiten besiedelte Gebiete, für generell kreditunwürdig erklärt wurden. 1961 erklärte die US Kommission für Civil Rights, das sei Kredit-Diskriminierung von Afroamerikanern. 1964 verbot der „Civil Rights Act“ jegliche Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, Religion oder Rasse. 1968 verbot der „Fair Housing Act“ das Redlining. 1974 verschärft der Equal Oppotunity Act die Antidiskriminierung: Banken wurden schadensersatzpflichtig, wenn sie Kredite wegen des Alters des Kreditnehmers ablehnen. 1975 machte der Home Mortgage Disclosure Act auch Diskriminierungen wegen der Rassenzugehörigkeit schadensersatzpflichtig. Und Jimmy Carter führte 1977 mit dem Community Reinvestment Act (CRA) erstmals staatliche Sanktionen für „renitente“ Banken ein. Ab 1989 mussten CRA-Ratings veröffentlicht werden. Wer bevorzugt Risikogruppen bediente, der galt als „gute“ Bank. Also arrangierten sich die Banken und begannen, ihr CRA- Rating als Werbeargument einzusetzen. 80 Prozent aller Großbanken sahen sich genötigt, in vorauseilendem Gehorsam eigene CRA-Abteilungen zu unterhalten. Der Dachverband National Community Reinvestment Coalition hatte schon 1988 solche Kredite im Gesamtwert von einer Billion US-Dollar erfasst. Bis 2008 wurden es 5,5 Billionen Dollar, fast die Hälfte der Gesamtverschuldung aller US-Privathaushalte. Der gute Mensch von Chicago Bürgerrechtsbewegungen, Community Groups, setzten dieses CRA-Rating als Druckmittel gegen „risikoscheue“ Banken ein. Als Bill Clinton 1994 das Trennbankensystem abschaffte und 1995 eine CRA-Reform durchsetzte, zwangen die Community Groups immer mehr Banken, große Kreditvolumina für Schuldnergruppen ohne Sicherheiten und ohne Einkommen zu verleihen. Am erfolgreichsten waren diese Bürgergruppen in Chicago. Sie hatten hier die Unterstützung eines hochtalentierten jungen schwarzen Politikers, Barack Obama. In Dutzenden von Prozessen wurden Banken gezwungen, (Foto: Annie Leibovitz/Released by White House Photo Office) einkommensschwachen Bürgern Kredite zu geben. Alle klassischen Regeln für eine sichere und angemessene Kreditvergabepraxis wurden so auf öffentlichen Druck, in Ausführung politischen Willens, Schritt für Schritt außer Kraft gesetzt. Unterstützt wurde der Run auf Kredite dadurch, dass in den USA – im Gegensatz etwa zu Deutschland – Hypothekenkredite steuerlich abzugsfähig sind. Und im Gegensatz zu Deutschland haftet ein Schuldner nicht mit seinem gesamten Einkommen, sondern nur mit dem Wert des Hauses. Bei Nichtzahlung des Kredits konnten die Kreditnehmer also ihre Häuserschlüssel an die kreditgebende Bank schicken. Niemand haftete mit eigenem Vermögen für den vermasselten Kredit. Sozialismus in Reinform Wer Kredite vergibt, ohne in der Bilanz einen Gegenwert darzustellen, ist rasch pleite. Also musste ein immer höherer Immobilienwert dagegen gesetzt werden. Das ging so lange gut, wie staatliche Förderung den Markt aufblähte. Den Durchbruch dieses „Modells“ sicherten die beiden staatlich geförderten Instituten Fannie Mae und Freddy Mac (F & F), die in Deutschland am ehesten mit der KfW-Gruppe vergleichbar sind. 1992 wurden sie in den Dienst staatlich geförderter Wohnungspolitik gestellt und nicht mehr vom Finanzministerium beaufsichtigt, sondern vom Wohnungsministerium. Als das Federal Reserve Board of Boston noch immer „rassische Diskriminierung“ am Kreditmarkt fand, brachen endgültig die letzten Hürden: Es genügt nun, an einem Kreditberatungsprogramm teilzunehmen – und schon galt man als kreditwürdig. Auch ohne Einkommen und Vermögen. Die Kreditvergabe an LMI-Schuldner (low and moderate income), die unter normalen, kapitalistischen, Bedingungen nie einen Hauskredit erhalten hätten, wurde 1999 endgültig Staatsauftrag. Die Abkürzung “Ninja” für “No Income, No Job or Assets” entstand, zu deutsch: „kein Einkommen, keine Arbeitsstelle und keine Vermögenswerte“. Das alles hatte nichts mit Kapitalismus oder Neoliberalismus zu tun. Das war Sozialismus: Sozialpolitik, finanziert mit Staatsgarantien. An Ninja-Krediten verdienten nun Verkäufer, Banken und Baufirmen. Der Staat besteuerte die Gewinne dieses Schneeballsystems. Und alle glaubten, besonders sozial zu handeln. In den eigenen Büchern will eigentlich niemand Aktiva haben, die zwar politisch korrekt sind, aber ökonomisches Harakiri bedeuten könnten. Die Bilanzen musste getunt werden. Clinton erlaubte deshalb 1995, dass F & F Subprimekredite kaufen, verbriefen und verkaufen durfte. Wegen der Staatsgarantien glaubte man an „implizites AAA-Rating“. Doch irgendwann brach dieser Scheinmarkt, diese Blase, mangels Käufern zusammen. Die Subprime-Krise brach sich Bahn. Weltweit vier Billionen Dollar Verlust entstanden. No, Mister President! Obama hat die Zusammenhänge der Krise mit dem Community Reinvestment Act und seine eigene Rolle als Bürgerrechtsanwalt in diesem Spiel entweder nie verstanden oder ausgeblendet. Jedenfalls gab er in seiner Rede zur Wirtschaftskrise im April 2009, kurz nach seinem Amtsantritt als Präsident, die Interpretationsrichtung vor: Ein „Sturm der Unverantwortlichkeit und schlechter Entscheidungen“ hätte die Krise verursacht. „Im Verlauf der letzten zehn Jahre hat sich die Formel für den Kauf eines Hauses verändert. Statt jeden Cent zu sparen, um ihr Traumhaus kaufen zu können, stellten viele Amerikaner fest, dass sie plötzlich Kredite bekommen konnten, für die ihr Einkommen nach den zuvor üblichen Standards nicht ausreichte. … Der Grund dafür, dass diese Kredite so leicht erhältlich waren, lag darin, dass die Wall Street potenziell große Gewinne am Horizont sah.“. No, Mister President, der Grund dafür, dass diese Kredite so leicht erhältlich waren, und dass potenziell große Gewinne am Horizont auftauchten, lag darin, dass das politisch gewollt und per Gesetz, Medien, Justiz, Sanktionen, Staatsgarantien und Verbriefungen durchgesetzt wurde. Der Versuch, auch denen ein Häuschen zu gönnen, die es nicht bezahlen können, war eine sozialistische Utopie. Erst als das politisch erzwungen wurde, sah die Wall Street potenziell große Gewinne am Horizont. Mehr Gerechtigkeit Jüngst, im Januar 2012 versprach Obama dem amerikanischen Volk in einer großen Rede wieder einmal größere wirtschaftliche Gerechtigkeit. Die größte Herausforderung für die USA sei es derzeit, das Grundversprechen einzulösen, dass harte Arbeit sich lohne. Das klingt gut, das wird ihm Wählerstimmen sichern. Das wird ihm die Wiederwahl erleichtern. Doch es versperrt den Blick auf die einfache Tatsache, dass im Ursprung der Immobilienkrise ein untauglicher Versuch stand, Gerechtigkeit für Benachteiligte mit politischer Gewalt gegen ökonomische Vernunft durchzusetzen. Man darf nicht ungestraft Visionen und Utopien verwechseln. Entgeistert schrieb Heike Buchter, die New-York-Korrespondentin der ZEIT, schon 2010: „Barack Obama, der oberste Hypothekendrücker der USA … Bisher hat die Notenbank Federal Reserve die Aktivitäten der öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute gestützt. So hält der oberste Zentralbanker Ben Bernanke den Zinssatz nahe null. Rund 1,25 Billionen Dollar an Hypothekenpapieren hat die Fed während der Finanzkrise zudem bei Fannie und Freddie angekauft und damit ebenfalls Geld in die maroden Institutionen gepumpt.“ Schon vor zwei Jahren warnte sie deshalb davor, dass erneut mit Regierungshilfe die nächste Immobilienblase wieder in den USA entsteht. In memoriam Wilhelm Röpke 1957 mahnte einer der geistigen Väter der Sozialen Marktwirtschaft, Wilhelm Röpke: „Die fragwürdigen Dinge dieser Welt gehen an ihrer eigenen Natur, die guten jedoch an ihrer Übertreibung zugrunde.“ Die Übertreibung des Guten ist der Feind des Guten. n Dr. Helfried Schmidt 56 P.T. MAGAZIN 2/2012 2/2012 P.T. MAGAZIN 57

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