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PT-Magazin 01 2019

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Magazin für Wirtschaft und Gesellschaft. Offizielles Informationsmagazin des Wettbewerbs "Großer Preis des Mittelstandes" der Oskar-Patzelt-Stiftung

PT-MAGAZIN 1/2019 Wirtschaft 46 © magele-picture - stock.adobe.com Außerdem strebt nur eine Minderheit von Hochschulabsolventen eine Führungslaufbahn an. Die dominante Begründung hebt auf den Arbeitsaufwand und das Ausmaß an Disstress und Verantwortung ab sowie auf die mangelnde Möglichkeit, das Ausmaß des nötigen Engagements mit persönlichen Interessen zu verbinden. Der Trend geht hin zum „Arbeiten, um sehr gut und vergnüglich leben“ (Generation X, R. Scholz). Ja, sofern auszeichnende Führungsfunktionen (verbunden also mit besonderen Befugnissen, Aufgaben) unvermeidlich sind und weder technisch exekutiert noch „auf alle Schultern“ verteilt werden. Ja auch eingedenk verinnerlichter (meist: entlastender) Funktionen von Führung, die sich im Reden über Führung ebenso zeigen wie im Zuschreiben von Verantwortung und Pflichten. Erwähnenswert in diesem Kontext ist: Nach wie vor werden vornehmlich Führungskräfte adressiert, wenn es um Interaktionskultur mit Beschäftigten sowie um Verantwortungs- bzw. „Schuld“attribution geht. Die Listen mit dem Tenor: „Führungskräfte müssen….“, „Führungskräfte sollen….“ und „Führungskräfte sind verantwortlich für….“ sind Legion. Führungskräften wird nach wie vor mit erhobenem Zeigefinger begegnet. Allem Reden über postheroisches, demokratisches Führen zum Trotz werden weiterhin Führungskräfte adressiert, „zur Verantwortung“ gezogen und fungieren als Projektionsflächen für sogenannte Verbesserungsvorschläge in Miteinander und Zusammenarbeit, die in Sollens- Sätze, in Normen und Gebote verpackt werden und Führungskräfte gegenüber Mitarbeitern in eine Fürsorgeverantwortung stecken. Die viel geforderte symmetrische Beziehung bleibt programmatisch und praktisch eine asymmetrische. (Siehe mein Buch: Unternehmen in der Psychofalle. Business Village Verlag.) Dazu passt, dass im Reden und Schreiben über Führung noch immer Darstellungen von Führungsstilen, -modellen, -methoden dominieren, die Führungskräfte ins Zentrum stellen und die Unterscheidung von Führung und Geführt voraussetzen, notwendig mittransportieren und zementieren. Ein Analogon für Mitarbeiter ist mir nicht bekannt. Das Beharren auf dieser Unterscheidung deutet auf einen hohen Internalisierungsgrad hin sowie darauf, dass die Notwendigkeit der Unterscheidung grundsätzlich akzeptiert und praktisch unverzichtbar ist. Und dies, obgleich Führen und Geführt-Werden seit Jahren als dialogischer, wechselseitiger Prozess beschrieben (normiert) wird. Führungskräfte werden weiterhin exponiert und dafür zuständig gehalten, dass Unternehmens- und Mitarbeiterführung den jeweils definierten Anforderungen und Bedarfen genügen. Ein aktueller Fund illustriert dies: In der Wirtschaftswoche vom 17.08.2018 findet sich auf S. 94 ein Kurzartikel von Kristin Schmidt mit dem Titel „Visionär statt Diktator“. (Dass der Titel sprachlich schief ist, soll hier nicht interessieren.) Im Zentrum: Führungskräfte und ihr – gemessen an Einschätzungen und Wünschen von Mitarbeitern – fehlerhaftes Selbstbild in Bezug auf ihren Führungsstil, was deshalb als gravierend und verbesserungsbedürftig herausgestellt wird, weil Mitarbeiter nach einem „Chef“ verlangen. Die Wortwahl der Autorin des Artikels stellt nicht in Frage, dass formale Führung nötig ist und wählt neben dem Begriff „Angestellte“, der nichts über Hierarchie aussagt, Begriffe, die gleichwohl den Status Quo bestätigen. „Führungskräfte“ sind „Chefs“, „Mitarbeiter“ sind „Mitarbeiter“ und „Untergebene“. Haupteinflussmacht und Gesamtverantwortung liegen bei der Führungskraft, beim „Chef“. Die Asymmetrie der Beziehung, die herausragende Funktion von Führung und Rangverhältnis werden bestätigt, und zwar mit dem vertrauten Paradigma individualisierter Führung, der besonderen Fürsorgeverantwortung von Führungskräften gegenüber jedem einzelnen Mitarbeiter, und der Täterschaft (Sender), die bei Führungskräften liegt, während Mitarbeiter als Opfer (Empfänger) erscheinen, die dem Führungseinfluss ausgesetzt sind. Dieses Muster und „Narrativ“ ist offenkundig derartig verinnerlicht, dass Führung auch weiterhin personal besetzt und Führungskräfte die Adresse von „Verbesserungen“ bleiben. Um das Selbstbild den Fremdbildern anzupassen und eine „gesunde Selbsteinschätzung“ zu erlangen, die „der erste Schritt zu besserer Führung“ sei, wird Sebastian Dettmers, Geschäftsführer von Stepstone zitiert, sollten Führungskräfte (nicht: Mitarbeiter!) aus verschiedenen Kreisen Feedback einholen: „Die Studienautoren empfehlen den Führungskräften deshalb, sich regelmäßig von Mitarbeitern, Kollegen und Kunden bewerten zu lassen.“ Es sei erwähnt, dass die Ausführungen, die sich in dem Gros der Publikationen zu Führung wiederfinden lassen, konträr zur Gleichheits-, Gleichberechtigungs-, Autonomierhetorik stehen, die sich v.a. an dem selbstverantwortlichen und unternehmerisch tätigen Mitarbeiter als regulative Idee orientiert. Fazit Unternehmens- und Mitarbeiterführung befinden sich im Wandel. Vielleicht befinden wir uns in einem Übergangsstadium, das an seinem Ende Hierarchie aufhebt. Noch allerdings braucht es offenkundig „Leitsätze“, die in der konkreten Führungsarbeit Orientierung geben. An Listen dazu herrscht kein Mangel, und Führungskräfte sind gut beraten, sie auf Passung zu den konkreten Anforderungen und auf persönliche Leitbarkeit zu überprüfen. ó Über die Autorin Dr. Regina Mahlmann bietet Unternehmen Führungs- und HR-Unterstützung, damit diese nachhaltig erfolgreich sein können. Ferner ist sie aktiv als Coach, Speaker und Textcoach/ Ghostwriter sowie Autorin zahlreicher Bücher. www.dr-mahlmann.de

© Dada Lin Wunsch und Wirklichkeit PT-MAGAZIN 1/2019 Nicht nur Mess- und Regeltechniker denken ganz wesentlich in den Kategorien von Ist- und Soll-Werten. Auch Ökonomen oder Mediziner skalieren betrachtete Ausschnitte der Realität und überlegen, ob ihnen das erkannte Ergebnis gefällt. Widerspricht der erhobene Wert den Erwartungen, greift der Experte ein. Ist alles «im Lot», wie man sagt, so kann er untätig bleiben. Was bei alledem passiert, ist das Vergleichen von Fakten mit Normen. Die reale, tatsächliche Welt wird mit dem Wünschenswerten in eine Relation gesetzt. Erfüllt die Wirklichkeit nicht die Erwartungen des Betrachters, justiert er die Welt nach. Hinter dem Ganzen steht also im Kern die Zweiheit aus subjektiver Vorstellung und objektiver Außenwelt. Der Wunsch des Akteurs soll Wirklichkeit werden, um sein Bild der Welt zu gestalten. Mess- und regeltechnische Streitschlichtung oder: Wie man sich als Dritter klug heraushält Je weniger man weiß, desto besser lässt sich zanken. Anders als in der Humanmedizin, bei der eine Körpertemperatur von 37° Celsius nach unbestrittener Auffassung dem Individuum dienlich ist, gibt es andere Disziplinen menschlichen Forschens und Handelns, bei denen der «richtige» Wert alles andere als unumstritten ist. Kann den Ökonomen schon eine «schwarze Null» erfreuen? Ist eine Inflationsrate von 2% p.a. für Volkswirtschaften das Maß aller Dinge? Wie warm muss eine Mietwohnung beheizt sein und wieviel Schadstoffe darf ein Motor ausstoßen? Es liegt auf der Hand, dass die Möglichkeit des Streites über jeden einzelnen derartiger Werte insbesondere mit seiner Unbestimmtheit ins schier Grenzenlose wachsen kann. Je weniger man weiß, desto besser lässt sich zanken. Hat man das Streiten unter Menschen einmal als Ausprägung des Konfliktes zwischen subjektiven Soll- und Ist-Vorstellungen erkannt, dann bleibt dies nicht ohne Konsequenzen für das Verhalten im eigenen Disput. Mehr noch: Auch Debatten unter anderen, an denen man gar nicht beteiligt ist, betrachtet man unter dieser Perspektive anders. Meinungskonflikte mit anderen und Konfrontationen unter Dritten lassen sich dann nämlich plötzlich als Widerstreit von Ordnungsvorstellungen verstehen. Einigkeit schützt nicht vor Streit Weicht der von meinem Gegenüber als gegeben angenommene Ist-Zustand der Welt von dem Zustand ab, den er sich als Soll-Zustand vorstellt, dann sieht er – selbstverständlich – Handlungsbedarf. Und dieses Handeln ist in seiner konkreten Ausprägung wiederum nur eine Ableitung aus dem von ihm gesehenen Unterschied zwischen Ist und Soll. Genau wie meinem Gegenüber geht es aber auch mir selbst im Disput. Gefällt mir ein im Raum stehender Handlungsplan des anderen nicht, so bin ich gut beraten, vorerst gar nicht über diese Handlungen mit ihm zu sprechen, sondern vordringlich darüber, was die beiden Ist-Diagnosen und die beiden Soll- Zustände der Beteiligten voneinander unterscheidet. Ein solches Differenzieren der einzelnen Streitelemente löst manchen Konflikt wie von Zauberhand ins Nichts auf. Denn nicht selten streiten Menschen mehr über ihre Worte als über die Gegenstände, die sie mit ihnen zu beschreiben glaubten. Anders gesagt: Selbst wenn zwei sich über die gegebene und die wünschenswerte Lage tatsächlich einig sind, so können sie – bei Verwendung unterschiedlicher Bezeichnungen – noch immer in wilde Auseinandersetzungen miteinander geraten. Doch mit dieser Erkenntnis endet jene mess- und regeltechnische Betrachtung des menschlichen Diskursverhaltens noch nicht. Sie gewinnt weitere Komplexität in solchen Fällen, in denen man als selbst – zunächst – Unbeteiligter vom Debattieren anderer erfährt: Zwei streiten sich und man empfindet das Bedürfnis, befriedend eingreifen zu wollen. Wer hätte noch nicht erlebt, dass die beiden anderen sich plötzlich verbünden und den Schlichtungsversuch brüsk zurückweisen? Des Rätsels Lösung hier ist oft, dass in derlei Konstellationen neben die ursprünglich zwei Bestandsaufnahmen, die zwei Zielvorstellungen und die zwei Handlungsoptionen der Streitparteien nun noch mindestens je eine dritte Variante hinzutritt, die – weil sie ja vermitteln will – mit keinem der ursprünglichen Elemente übereinstimmt. An die Stelle einer Lageberuhigung tritt eine zusätzliche Verkomplizierung. Was also tun, als Dritter? Reden, sagt man, ist Silber – Schweigen Gold. Mindestens so lange, bis man weiß, was die anderen für wahr halten und was für wünschenswert. ó (erschien zuerst auf www.liechtenstein-academy.com) Zum Gesprächspartner Carlos A. Gebauer ist seit 1994 Rechtsanwalt für Versicherungsrecht und Krankenhausrecht und viel gefragter Autor, Referent und Moderator. www.make-love-not-law.com 47 Wirtschaft

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