Aufrufe
vor 5 Jahren

PT-Magazin 01 2019

  • Text
  • Unternehmen
  • Wirtschaft
  • Goethe
  • Schweiz
  • Mittelstand
  • Menschen
  • Zeit
  • Mitarbeiter
  • Kommunikation
  • Stiftung
Magazin für Wirtschaft und Gesellschaft. Offizielles Informationsmagazin des Wettbewerbs "Großer Preis des Mittelstandes" der Oskar-Patzelt-Stiftung

PT-MAGAZIN 1/2019 Wirtschaft 28 Reisen zu Zeiten Goethes Wie reiste man eigentlich vor 200 Jahren, als es weder Auto noch Zug oder Flugzeug gab? 3.September 1786. Ein nebelumhangener Morgen lag über Zwota, Vogtland. Gegen halb Acht fingen die Hunde an zu kläffen. Ratternd fuhr die Postkutsche in das Dörfchen ein. Auf der Passagierliste ein gewisser Kunstmaler Möller, der wenige Stunden zuvor im knapp 50 Reisekilometer entfernten Karlsbad, nur mit leichtem Gepäck, einem „Mantelsack“ und einem „Dachsranzen“, ausgerüstet, eingestiegen war. Tatsächlich handelte es sich um Johann Wolfgang von Goethe, der sich unter dem Pseudonym Johann Philipp Möller soeben auf die Reise seines Lebens begeben hatte. „Früh 3 Uhr stahl ich mich aus dem Carlsbad weg, man hätte mich sonst nicht fortgelassen“, hielt er am Beginn des Tagebuchs seiner Italienischen Reise fest. Eilig hatte es Goethe auf dem Weg von Karlsbad über Venedig nach Rom nicht. Goethe brauchte dafür 57 Tage - etwa 16 Tage wären möglich gewesen. Spätere Reiseabschnitte führten ihn hinunter bis Neapel und Sizilien. Goethe sollte erst im Mai 1788 nach Weimar

© hajotthu Goethes Kutsche in Weimar zurückkehren. 653 Tage war er unterwegs und brachte rund 5.000 Kilometer hinter sich. Reisen vor 200 Jahren, zu Lebzeiten Goethes, wie war das eigentlich, vor Erfindung von Auto, Zug und Flugzeug? Welche Transportmittel standen zur Verfügung? Wie sahen damals die Verkehrswege aus? Die üblichste, preiswerteste, aber wegen des mitzuschleppenden Gepäcks auch anstrengendste Art sich fortzubewegen, war zu Fuß. Das soziale Prestige war dabei gering, was sich u.a. bei der wenig bevorzugten Behandlung in Gasthöfen und Unterkünften zeigte. Am schnellsten kam man mit dem Pferd vorwärts. Die Möglichkeit Gepäck mitzunehmen war auch hier beschränkt. Größere Distanzen erforderten zudem große körperliche Fitness. Futter und Stall waren teuer, die Unfallgefahr hoch. Wer es sich leisten konnte fuhr in der Regel mit der Kutsche, so auch Goethe, zumindest in seinen reiferen Jahren. Goethe der Weitgereiste „Für Naturen wie die meine, die sich gerne festsetzen und die Dinge festhalten, ist eine Reise unschätzbar, sie belebt, berichtigt, belehrt und bildet“ - „Das ist das Angenehme auf Reisen, dass auch das Gewöhnliche durch Neuheit und Überraschung das Ansehen eines Abenteuers gewinnt, waren Mottos des Dichters. Als sich Goethe zu seiner italienischen Reise aufmachte, war er für die damalige Zeit schon weit herumgekommen. Bereits 1775 war er von Frankfurt aus zu seiner ersten Schweizreise aufgebrochen, eine zweite Schweizreise folgte in den Jahren 1779/80. Auch drei Harzexkursionen, jeweils mit Besteigung des Brocken, in den Jahren 1777, 1783 und 1784 fallen in die Zeit vor Goethes großer italienischen Reise. Straßen und Chausseen Goethe kannte Straßen vor allem ungepflastert, nach heutigem Verständnis waren es Feldwege. Längs der Route waren entsprechend der Trassenbreite Gräben ausgehoben und der Aushub auf die zukünftige Fahrbahn geschaufelt worden. Nach Möglichkeit wurde mit Sand, Kies oder Steinen nachverdichtet. Die historischen Straßen für Handel und für Heeresbewegungen, bevor der Chausseebau begann, werden als Altstraßen bezeichnet. Zu großen Teilen waren es unbefestigte Naturwege. Auch die Römerstraßen werden den Altstraßen zugerechnet. Vielfach wurde der Verlauf der Altstraßen der Topografie und den geologischen Formationen der Landschaft angepasst. Die Routen folgten bevorzugt Höhenrücken (Wasserscheiden) oder verliefen parallel mäßig steiler Hänge. Nach Möglichkeit vermieden die Straßenbauer überschwemmungsgefährdete und sumpfige Flussauen. Gefahren konnten von einem gehobenen Standpunkt außerdem früher ausgemacht werden. Häufig waren die Altstraßen verkehrsmittelspezifisch mehrspurig. Auf einer Trasse fuhren Reisegespanne, auf dem daneben verlaufenden „Kohlenweg“ Brennholztransporte, es folgte der „Reiterweg“, der „Huckepackweg“ war für Wanderer reserviert. Ein Beispiel für solch ein System ist der „Senner Hellweg“. Gruben sich die Rillen zu tief ein, wurde längs der ausgefahrenen Bahn oft eine neue angelegt. Auch um den Wegezoll zu umgehen bildeten sich immer wieder parallele Schleichwege. Die verschiedenen Spuren konnten dabei mehrere hundert Meter auseinander liegen. Zwei traditionell wichtige alte Handelsverbindungen führten durch Thüringen, wobei auch der Staat von Herzog Carl-August, Sachsen-Eisenach-Weimar berührt wurde. Die „Hohe Straße“ in Ost- West Orientierung, führte aus Schlesien nach Eisenach. Die „Nürnberger Straße“ führte von Nord nach Süd aus Nürnberg kommend über Magdeburg nach Danzig. Erfurt lag am Kreuzungspunkt. Die Feudalherren des Hochmittelalters waren für die Sicherheit der Reisenden auf den Straßen ihres Territoriums verantwortlich. Daraus entstand im Mittelalter das Geleitwesen. An besonders schwierigen Wegstellen lauerten nicht selten Straßenräuber. Vor allem den Kaufleute wurden bewaffnete Reiter zum Schutz vor Raubüberfällen zur Seite gestellt. Das Schutzgeld dafür wurde Geleit genannt, die Reisenden zogen unter Geleit. An der Grenze wechselte das Geleit, was mehrfach am Tag vorkommen konnte, und es musste erneut gezahlt werden. Kam es trotz Geleitschutzes zu einem Überfall, war der Fürst verpflichtet den Schaden zu ersetzen. Auch für Herzog Carl August von Weimar war das Geleit eine wichtige Steuer. Der Straßenbau wurde zunächst in Südwest- und Mitteldeutschland ˘ 29 PT-MAGAZIN 1/2019 Wirtschaft

Jahrgänge