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P.T. MAGAZIN 01/2015

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Magazin für Wirtschaft und Gesellschaft. Offizielles Informationsmagazin des Wettbewerbs "Großer Preis des Mittelstandes" der Oskar-Patzelt-Stiftung

Foto: © Andrey Kiselev

Foto: © Andrey Kiselev / fotolia.com Über den Autor Wirtschaft 32 Experiment gescheitert EZB-Präsident Mario Draghi lässt die Zinsen im Keller, damit oberirdisch die Landschaften blühen. Finanzpolitisch tritt er damit in die Fußstapfen Japans und die EU näher an den Abgrund Die weltweiten Aktienindizes laufen von Höchststand zu Höchststand, die Zinsen sinken auf Rekordtiefs und die Verschuldung der Staaten, Unternehmen und Privatleute steigt ins Unermessliche. Doch die Wirtschaft springt kaum an. Nach der Logik der „Gelddrucker“ unter Ökonomen, Politikern und Zentralbankern müssten die, die am meisten Geld ausgeben – für Bildung, Infrastruktur und überhaupt – ökonomisch am erfolgreichsten sein. Das sind sie aber nicht, sinnlose Prachtbauten, Regional-und Hauptstadtflughäfen sowie Heerscharen arbeitsloser Akademiker beweisen das Gegenteil. Dennoch marschieren die Gelddrucker um den EZB-Präsidenten Draghi, die japanische Zentralbank und die Politiker, die sich mit der Geldschwemme ihrer Zentralbanken Ruhe und Stimmen kaufen wollen, stur weiter, Genies oder Lemminge Japan verzockt sich Es scheint, als verstünde niemand mehr, was funktioniert und was nicht. Versteht er es, scheint er auf der Payroll derjenigen zu stehen, die als Einzige wirklich aus der Situation Kapital schlagen, der Händler an den Wertpapiermärkten. Sie halten die Investoren in Bewegung, niemand hält mehr Aktien oder andere Wertpapiere, Währungen oder Rohstoffe dauerhaft im Bestand. Der Handel macht die Geschäfte, die Ergebnisse der Realwirtschaft sind nebensächlich. Früher, zuletzt 2007/2008, zogen Zentralbanken das billige Geld wieder ein, mit steigenden Zinsen, dann kam immer der Crash. Jetzt ist das ausgeschlossen und damit, so scheint es, ist auch der absehbare gigantische Crash ausgeschlossen, aufgehalten mit immer neuem Geld. Japans Aktienindex Nikkei fiel von 40.000 auf unter 10.000 Punkte, doch Japan zockt weiter, wie der ehemalige Chairman von Goldman Sachs Kenneth Courtis neulich bemerkte (Handelsblatt vom 19.11.2014), der Nikkei steigt, der Yen fällt. Fügsame Zentralbanker kündigen an, den seit 2001 in großem Stil praktizierten Kauf von Staatsanleihen zu steigern, von jetzt 70 % auf 85 % aller Staatsanleihen Japans. Doch der Konsum brach zeitgleich mit den neuesten Maßnahmen um 5,6% ein, die Haushaltseinkommen gingen um 6 % zurück (aaO). Wenn die Reallöhne sinken, kann kein Wachstum entstehen, aus dem die Schulden zurückgeführt werden. Lähmendes Kunstgeld Wenn Courtis schreibt, Japan setze naiv auf die geldpolitische Karte, gilt das auch für Draghi, der Japans Beispiel folgen will, Mongolenherrscher Kublai Khan führte das erste Papiergeld ein. Ob seine Vorstellung von Geld auch dieselbe wie Draghis war Bild: Wikimedia Commons/gemeinfrei doch wir sind nicht beim Pokerspiel: Seit dem Mongolenherrscher Kublai Khan, der das erste Papiergeld als allgemeines Zahlmittel einführte und den Gegenwert in Schätzen aufbewahrte, oszilliert Geld zwischen zwei Polen: dem Geld der Juristen, geschaffen durch Gesetz, primitiv in Noten gedruckt oder virtuell in den Kreislauf eingeführt, und dem Geld der Kaufleute, ein echter Gegenwert für Waren und Dienstleistungen. Das Geld der Kaufleute wird im Falle der Panik dem Markt entzogen, wodurch auch gesunde Unternehmen leiden oder gar kaputtgehen können. Die künstliche Bewässerung des Geldkreislaufes durch den Staat kann dem entgegenwirken. Bleibt das Staatsgeld aber im Markt, wird der Staat, der für sein Geld nichts erwirtschaftet oder aus Erwirtschaftetem angespart hat, dem gleichgestellt, der für sein Geld hart arbeiten muss. Nachhaltig wächst Wirtschaft nur aus Letzterem. Das Juristengeld verwässert dagegen den Wert des erarbeiteten Geldes. Da die Zentralbanken ihr Kunstgeld jetzt nur der Finanzwirtschaft geben, P.T. MAGAZIN 1/2015 Montage: J. Schulz / OPS Netzwerk GmbH Bild: OpenClips/pixabay.com/CC0 Public Domain tritt es im Gegensatz zum gedruckten Banknotengeld der 20er Jahre nicht in Konkurrenz zum Einkommen des hart Arbeitenden. Aber das billige Geld der Finanzwirtschaft der Händler, Banken und Investoren tritt in toto in Konkurrenz zum hart erarbeiteten Geld der Realwirtschaft. Es ist für die Finanzwirtschaft lohnender, mit fast kostenlosen Krediten zu zocken als der Realwirtschaft Geld zu geben. Dieser Vampirismus lähmt. Es lohnt sich objektiv betrachtet nicht, zu arbeiten, zu studieren, zu forschen, zu investieren. Mit dem Bewusstsein vom kommenden großen Knall sowieso nicht. Shinzo Abe, amtierender Premierminister Japans, versucht Japans Wirtschaft mit den nach ihm benannten „Abenomics“ zu stärken. Inhaltlich an die Wirtschaftspolitik Ronald Reagans angelehnt, versucht Japan derzeit mit immensen Wertpapierkäufen seiner Notenbank die umlaufende Geldmenge zu verdoppeln. Das 100 Mrd. Euro teure Konjunkturprogramm soll so die in Japan seit Jahren herrschende Deflation beseitigen. Ein riskanter Schritt. Japan hat schon heute die höchste Staatsverschuldung aller Industrienationen und das mit Abstand. Greifen die Abenomics nicht mit nachhaltigem Erfolg, droht sich die Schuldenspirale drastisch zu verschärfen. Im dritten Quartal 2014 schrumpfte die japanische Wirtschaft überraschend um 0,4 Prozent – trotz Abenomics. Bild: Chuck Hagel / Flickr.com / CC BY 2.0 „Big in Japan“, das war mal. Womöglich singt man bald „bEg in Japan“, denn die Finanzpolitik in Fernost fruchtet nicht. Draghi findet’s trotzdem nachahmenswert. Keine rollenden Köpfe, stattdessen Flachbildschirm und Internet Historisch betrachtet haben alle Herrschaftssysteme, die den Gegenwert des Geldes minderten – durch Senkung des Gold-oder Silbergehalts in Münzen, der Währungs- und Goldreserven der Zentralbank (USA nach dem Vietnamkrieg) etc. –, ihre Währungen entwertet und die Bürger enteignet. Doch ist diesmal nicht alles anders Kann es nicht sein, dass es immer so weiter geht, wenn die Zentralbanken das billige Geld nicht mehr einziehen und dadurch Crashs auslösen Wen stören Schulden, wenn sie quasi zinslos nichts kosten Notfalls muss die Zentralbank eben nach dem Prinzip Münchhausen den Fiskalstaat aus dem Sumpf ziehen, indem sie alle Staatsanleihen aufkauft. Kann das klappen Eher nicht! Alle Systeme, die sich in nicht nachhaltiges Wirtschaften flüchteten, das heißt keinen merkantilen Gegenwert für Währung erschufen, sind gescheitert, unabhängig davon, wo sie ihre zentrale Fehlallokation schufen. Das gilt für alle Zentralverwaltungswirtschaften des früheren Ostblocks, Staaten mit zu viel Prachtbauten, Rüstung, Kriegen usw. Doch warum kracht nicht alles sofort zusammen Das könnte an der Komplexität des Systems liegen. Lenin wird der Satz zugeschrieben: „Revolution kommt, wenn die oben nicht mehr können und die unten nicht mehr wollen“. Japan dümpelt seit 1990 starrsinnig und reformunfähig vor sich hin, ohne dass Dr. Volker Gallandi (www.gallandi.de) ist seit 1986 im Wirtschafts-und Finanzsektor (Immobilien-und Wertpapierkapitalanlagen) als Rechtsanwalt tätig, ebenso als Autor und teilnehmender Beobachter im Bereich Recht und Wirtschaft. die Köpfe der Regierenden auf Spießen durch die Straßen getragen werden. Das bedeutet, das System funktioniert insofern, dass breites Elend ausbleibt und das römische Modell „Brot und Spiele“ funktioniert. Wem der Staat wie auch immer Geld und Wohnung bezahlt und wer sich auf Raten Internet und Flachbildschirm leisten kann, dem kann die nächste Finanzkrise ziemlich egal sein, es sei denn, man kommt auf die klassische Idee, sich aufhäufende Schulden durch die Bürger bezahlen zu lassen. Alles hat ein Ende… Superreiche entschlüpfen jedoch einem solchen Szenario ebenso wie Konzerne und bis der Mittelstand in den ebenfalls nicht (mehr) reformwilligen Ländern Frankreich, Italien, Deutschland usw. ausgeblutet ist, vergeht viel Zeit. Risiken entstehen jedoch aus der so genannten Dritten Welt, die durch die Kartelle der Wirtschaftsgroßmächte in Handel und Entwicklung benachteiligt ist und mit Kriegs- und Armutsemigration reagiert. Die Nordhalbkugel reagiert polizeistaatlich, also nur auf Symptome, nicht auf Ursachen. Das heißt, die oben können schon lange nicht mehr, aber die unten wollen noch. Irgendwann kommt der Umschlag von Quantität in Qualität, aber niemand weiß, wann und in welcher Gestalt. Möglicherweise ist das Ende mit Schrecken besser als der Dämmerschlaf unter Finanzdrogen ohne Ende. Aber auch das Ende will gemanagt sein. Hierzu fehlt es an jeglicher Vorbereitung in Wirtschaft und Politik. • Volker Gallandi

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