Aufrufe
vor 9 Jahren

P.T. MAGAZIN 01/2015

  • Text
  • Unternehmen
  • Geld
  • Magazin
  • Wirtschaft
  • Mittelstand
  • Deutschen
  • Menschen
  • Deutschland
  • Deutsche
  • Pakistan
  • Stolz
Magazin für Wirtschaft und Gesellschaft. Offizielles Informationsmagazin des Wettbewerbs "Großer Preis des Mittelstandes" der Oskar-Patzelt-Stiftung

Gesellschaft 14

Gesellschaft 14 Kopfüber in die Dummheit Das deutsche Bildungssystem tritt seit Jahren auf der Stelle. Die Rechnung bezahlen Schüler, Ausbildungsbetriebe und letztlich wir alle gemeinsam. Bild: OpenClips/pixabay.com CC0 Public Domain Herbst 2014, eine Hauptschule irgendwo in Sachsen. Während das bereits etwas fahle Herbstlicht sich in das weitgehend nüchterne Klassenzimmer einer 9.Klasse mogelt, muss die 15-jährige Sina (Name geändert) nach vorn, um den Mitschülern ihren Vortag zum Thema „Berufe“ im Fachunterricht Deutsch zu präsentieren. Alle Schüler der Klasse müssen in diesem Schuljahr so einen Vortrag halten, er wird benotet und soll die Fähigkeiten der Schüler im Begreifen, Strukturieren und Präsentieren eines Themas bewerten. Sina ist etwas nervös, was nicht weiter schlimm ist, selbst erfahrende Bühnenprofis sind das oft. Sie faltet ihren Zettel auseinander, beginnt die einfachen Sätze vorzulesen, stockend, kaum den Sinn erfassend. Die allgegenwärtige Unruhe wird nochmals deutlich nach oben geschraubt, Sina kämpft schon gar nicht mehr mit ihrem Vortrag oder einer ansprechenden Präsentation, sie hat zu tun, ihre Sätze stolperfrei abzulesen. Was ihr nicht gelingt. Nach drei Minuten ist ihr Vortag vorbei, dankbar entlassen von der Lehrerin. Sie wird Sina eine drei minus geben, mit „Augenzudrücken“. Sina darf sich setzen und wird heute nicht erfahren, dass die Benotung (eine drei bedeutet „befriedigend“) ihrer tatsächlichen Leistung absolut nicht entsprochen hat. Dass sie die Aufgabenstellung eigentlich verfehlt hat. Vielleicht wird sie es in ein paar Monaten, wenn sie auf Lehrstellensuche geht. Es soll hier gar nicht so sehr um die Benotungssysteme gehen, darüber streiten sich die Bundesländer in schöner Regelmäßigkeit schon selbst. Vielmehr geht es um den bedenklichen Kern der Episode: Nämlich dass inzwischen nicht wenige deutsche Schüler, kurz vor dem Abschluss der Berufsreife, nicht vernünftig lesen, schreiben oder rechnen können. Und dass von Smartphone, Internet, „Null Bock“ bis „schlechtem Elternhaus“ die Gründe dafür gern anderswo gesucht werden, nur nicht in den Verwaltungstrakten von Schulbehörden und Kultusministerien. Rückwärts immer, vorwärts nimmer Einer der größten Irrtümer in der deutschen Bildungsdiskussion lässt sich so umschreiben: „Was früher gut und erfolgreich war, kann heute so falsch nicht sein!“. Früher, also kurz nach 1945, wurde seitens der alliierten Besatzungsmächte versucht, ein Schulsystem zu errichten, in dem Schüler über eine lange Zeit, etwa bis zur neunten Klasse, gemeinsam eine Schule besuchen. Durchsetzen konnte sich diese Form der Gesamtschule nur in der späteren DDR, im westdeutschen Länderföderalismus besann man sich lieber auf die Ständeschule des 19. Jahrhunderts. Die Aufteilung der Gesellschaft in drei klare Berufsgruppen spiegelte sich in der Dreigliedrigkeit der Schule wieder: Volksschule (später Hauptschule), Realschule und Gymnasium standen synonym für Arbeiter, Angestellte und die Eliten des Landes. Der Arbeitsmarkt der 60er Jahre fragte dann auch tatsächlich den Nachwuchs aus allen Schulformen nach, berufliche Chancen waren für alle mehr oder minder vorhanden. Das System erweckte den Anschein, erfolgreich zu sein. Nur haben sich die Bedingungen heute grundlegend gewandelt. Das Volksschulniveau war für die damaligen Verhältnisse recht hoch, doch mit der fortschreitenden sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung wurde aus der Volksschule die Hauptschule und zunehmend eine Restschule für schwächer Lernende. Zudem verurteilt die frühe Selektion in die verschiedenen Schulformen bis heute Kinder bereits ab dem 10. Lebensjahr zu einer Schul- und damit verbundenen Arbeitsbiografie, die für die unteren Glieder des Schulsystems allzu oft P.T. MAGAZIN 1/2015 P.T. MAGAZIN 1/2015 in bildungsmäßige Sackgassen führt. Während weltweit in der Regel bis zur neunten Klasse in nur einer Schulform unterrichtet wird, sind die deutschen Schüler hinsichtlich der Durchlässigkeit stark benachteiligt, sprich: Spätentwickler oder Krisen im Jugendalter können sich kaum vom schlechten Niveau insbesondere der Haupt- und Sonderschulen lösen, sie verharren in der Dequalifikation. Das ist auch einer der Gründe, weshalb in Deutschland die höheren Schulabschlüsse und die Anzahl der Studierenden pro Jahr deutlich niedriger ausfallen als in anderen Industrieländern. Akademisierung schadet eh, könnte man jetzt in die Runde werfen, schließlich gibt es die – nach wie vor gute – berufliche Bildung, die eben nicht nach den Akademikern sucht. Leistungsvergleiche mit anderen Industrienationen haben aber gezeigt, dass das deutsche Bildungssystem vor allem in Hinblick auf die minder Qualifizierten große Schwächen aufweist: Zu viele Schüler erbringen nur durchschnittliche oder schlechte Leistungen auf zentralen Gebieten wie Lesen, Mathematik oder Naturwissenschaften. Und nirgendwo sonst entscheidet die sozial-ökonomische Herkunft so sehr über den Schulerfolg wie in Deutschland. Wir haben also auf der einen Seite viel zu wenig höhere Bildungsabschlüsse gemessen an der Breite der Schülerschaft, dafür aber viel zu viel Dequalifizierte, Schulabbrecher und Schüler ohne qualifizierte Schulabschlüsse. Die Zahl der Schüler ohne Schulabschluss lag 2011 bei 11 Prozent. Diese Situation rächt sich bitter: Etwa 7 Millionen funktionale Analphabeten (das sind 14 Prozent der erwerbstätigen Bevölkerung!) hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung im Jahr 2011 gezählt. Etwa 13 Millionen Erwachsenen wird attestiert, dass sie kaum über die elementaren Kompetenzen des Grundschulniveaus hinausgelangen. Der Sozialwissenschaftler Prof. Kersten Foto: PublicDomainPictures/pixabay.com CC0 Public Domain Reich weist in diesem Zusammenhang auf das Problem hin, dass die deutsche Bildungspolitik sehr stark auf kurzfristigen Nutzen und eine beschränkte Einsicht in langfristige Folgen orientiert ist. Die enormen Folgekosten, die durch den hohen Anteil an Dequalifizierten und den vergleichsweise niedrigen Anteil an Hochschulzugangsberechtigungen entstehen, werden gerne übersehen. PISA und kein Ende: Teure Untaten Bei Schulleistungstests wie PISA schneiden die deutschen Schüler regelmäßig Die Liebe zum geschriebenen Wort stößt an Grenzen: Etwa 7 Millionen funktionale Analphabeten zählte das Bundesministerium für Bildung und Forschung im Jahr 2011. eher bescheiden ab, der jüngste Test untersuchte 2014 die Problemlösungsfähigkeit von 15-jährigen. Das Ergebnis: Deutschlands Schüler liegen knapp über dem OECD-Durchschnitt, bleiben aber deutlich hinter den Erwartungen zurück. Vor allem schwächere Schüler werden vernachlässigt, 20 Prozent der deutschen Schüler erreichten im Test nicht das Basisniveau, können also nur sehr einfache Aufgaben ohne vorauszudenken bewältigen. Wie teuer uns diese Nicht-Bildung zu stehen kommt, haben OECD-Experten versucht, in Zahlen zu fassen: Wie würde sich das volkswirtschaftliche BIP ändern, wenn die Staaten durch Reformen und Investitionen das Niveau des PISA-Siegerlandes Finnland erreichen würden ➤ INDIVIDUELLE SYSTEMLÖSUNGEN FÜR PHARMAZEUTISCHE PRIMÄRPACKMITTEL Remy & Geiser ist ein zukunftsorientiertes, traditionsreiches, mittelständiges Unternehmen, das an insgesamt drei Standorten deutschlandweit pharmazeutische Primär- Verpackungen herstellt. An den Thüringer Standorten in Altenfeld und Hinternah werden von ca. 220 Mitarbeitern hochwertige Produkte aus Glas und Kunststoff hergestellt. www.remy-geiser.de Remy & Geiser GmbH Remy & Geiser Straße 1 56584 Anhausen Telefon: 02639/9311-0 | Fax: 02639/1230 info@remy-geiser.de Die Schwerpunkte der Produktion bilden Verschlüsse aus Kunststoff und Dosierhilfen in verschiedenen Durchmessern, die aus bis zu vier Einzelteilen bestehen können, Pipettenmonturen aus Glas und Kunststoff sowie Flaschen aus Glas. Engagierte und motivierte Mitarbeiter arbeiten an modernen Maschinen und Anlagen – auch unter Reinraumbedingungen. Grafik: OPS Netzwerk GmbH/Remo Eichner-Ernst PREISTRÄGER Großer Preis des MITTELSTANDES

Jahrgänge