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P.T. MAGAZIN 01/2014

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Magazin für Wirtschaft und Gesellschaft. Offizielles Informationsmagazin des Wettbewerbs "Großer Preis des Mittelstandes" der Oskar-Patzelt-Stiftung

Der Glaube an das Geld

Der Glaube an das Geld Über theologische Termini und monetäre Ersatzreligionen Wirtschaft 56 (Foto: Lupo/pixelio.de) Bankentürme, die Kathedralen des Geldes, haben auch architektonisch das gesellschaftliche Zentrum erobert. Warum glauben wir an das Geld? Warum ist das Geld unsere Lebensmitte geworden? Diese Fragen stellen wir uns angesichts der Macht des Geldes. Die Begründung liegt schmunzelnd gesagt in der Wortbedeutung der Begrifflichkeiten der Banken. Banken haben einen theologischen Fachtermini. Borgt man sich Geld, ist die Bank der Gläubiger und man selbst der Schuldner. Banken sprechen von Wertschöpfung und von Offenbarungseid. Die Etymologie leistet hier Parallelen zur Bibel. Das Wort Credit kommt aus dem Lateinischen (credere) und bedeutet so viel wie glauben, vertrauen. Banken reden also biblisch und da wir in unserer Gesellschaft den Glauben an das Geld haben, behandeln wir auch dieses Thema lebenszentral. Wir messen unsere eigene Zufriedenheit und das Glück anderer an den Geldmengen, die jeder für sich zur Verfügung hat. Wir machen uns Sorgen, wenn das Geld an Staaten verborgt wird, die nicht zu unserer Glaubensgemeinschaft gehören. Das macht den Euro und den internationalen Umgang mit diesem Geld besonders schwierig. Man hört nicht selten Banker von unorthodoxen Methoden sprechen, wenn es um Kreditvergaben nach Griechenland geht. Schuld und Sühne Wenn früher ein Stadtteil oder eine Gemeinde gegründet wurde, baute man zugleich eine Kirche mittenhinein. Heute nimmt die zentrale Stelle einer Urbanisierung das Bankgebäude ein und die Gläubigen entrichten Ihren Tribut in Form von Kontoführungs- und Kreditkartengebühren. Die Verführung heißt Kredit und Überziehungsdarlehen und bindet die Schuldner an die Gläubigerbank. Statt Sünden zu beichten offenbaren wir uns der Bank über unsere Verhältnisse, den Verlust des Jobs oder die Gefahr einer Verschuldung erfährt der Banker weit vor dem Pfarrer. Der Banker ist aber auch in der Lage Absolution zu erteilen, wenn die Schulden entsprechend zurückgeführt werden können. Die Bank spricht einen frei von Schulden, das kommt der biblischen Vergebung gleich. Bleiben wir Schuldner, kommt die Vollstreckung durch Zwang. Der Schuldner wird geläutert und in einer Schuldnerkartei erfasst. Die Schufa (Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung) führt das Strafbuch der Geldsünder und nur der kann sich reinwaschen, der sich auslösen kann. Das Streben nach Erlösung endet mit der Tilgung der Schuld. Das ist dann Gnade. Gläubige werden gerettet. Das lesen wir in der Bibel. Wer rettet die Banken? Wir, die Gemeinschaft der Gläubigen, drücken dafür Steuern ab und glauben mit der Rettung der Banken an das Seelenheil des Geldmarktes. Ein Ketzer, der nicht an die Weisheit der Zentralbank und an die Unfehlbarkeit der Eurozentralbank glaubt. Unser täglich Brot Interessant ist in diesem Zusammenhang auch Frankfurt am Main. Früher waren die Münster, die Kirchen die Gebäude mit den höchsten Türmen. Das beste Beispiel ist der Kölner Dom. Heute ragen Bankentürme in den Himmel wie mahnende Finger, die jeden Abtrünnigen vom Geldglauben daran erinnern, dass auch er zur Glaubensgemeinschaft gehört und er ohne das tägliche Geldbrot nichts auszurichten vermag. Gern besuchen wir Veranstaltungen, in denen Prediger uns die Vermehrung des Geldes durch gutes Anlegen und Spekulationen nahe bringen und wir feiern die Geldgurus, die uns Wohlstand und Reichtum weißsagen. Der Einzug der D-Mark hat die Glaubensbekenntnisse in den neuen Bundesländern verändert und hat diese begehrte Mark in einen Mythos geführt, dem die spielgeldhafte Buntheit des Euros nichts entgegenzusetzen vermag. Unser täglich Euro gib uns heute und vergib uns unsre Schulden wie auch wir vergeben unseren Gläubigern, denn Dein ist die Macht, der Glanz und das Ansehen. n Prof. Arnd Joachim Garth Über den Autor n Prof. Arnd Joachim Garth ist Leiter der Ideenfabrik und des Instituts für Marken- und Kommunikations- Psychologie Berlin (Foto: wikimedia) Die Tempelreinigung von Rembrandt (1606-1669): Jesus schmeißt die Händler und Geldwechsler aus dem Jerusalemer Tempel. Occupy im Neuen Testament sozusagen. Die Führungsschichten Jerusalems verstanden die Tempelreinigung jedenfalls als offenen Angriff auf ihre Autorität – und beschlossen daraufhin den Tod Jesu. Nicht ganz so drastisch, aber mit ähnlicher Entschlossenheit drängt die Stadt Hamburg derzeit auf die Beseitigung des Occupy-Camps auf dem Getrudenkirchhof. P.T. MAGAZIN 1/2014

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