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P.T. MAGAZIN 01/2012

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Magazin für Wirtschaft und Gesellschaft. Offizielles Informationsmagazin des Wettbewerbs "Großer Preis des Mittelstandes" der Oskar-Patzelt-Stiftung

Kaiser ohne Kleider Die

Kaiser ohne Kleider Die Erosion von Fiskalstaat, Rechtsstaat und Demokratie in der Finanzkrise (Grafik: OPS Netzwerk GmbH, Janine Huber) Gesellschaft Immer mehr Vertrauenslöcher im Euro. Mit Pflaster kleben kommt die Politik nicht hinterher. Unter dem Etikett der „Rettung“ des Euro, Europas und der ganzen Welt wurde bekanntlich ein gehebeltes Modell des vorläufigen Rettungsschirms EFSF mit einem Volumen von 1 Billion Euro beschlossen. Für 2012 droht das nächste Monster mit dem Namen ESM, der Vertrag zur Einrichtung des europäischen Stabilitätsmechanismus. Danach darf ein Gouverneursrat weisungsfrei über neue Rettungsgelder in beliebiger Höhe entscheiden. Der ESM unterliegt keinem Recht eines europäischen Staates und genießt sogenannte umfassende gerichtliche Immunität. Er unterliegt keiner Bankenaufsicht, keinem Gesetzgebungsorgan und gewährt Kredite ohne Sicherheiten. Er entscheidet mit Mehrheit derjenigen Staaten, die Geld wollen. Zahlen Staaten nicht ein, erhöht sich deren Zahlpflicht um die Quoten der Nichtzahler. Dieses surreale Gebilde ist die vorerst letzte Stufe von Handlungen der Eurozone, die direkt in die umfassende Enteignung der zahlungsfähigen Bürger führen. Es soll versucht werden, diese Geschehnisse und ihre Konsequenzen zu analysieren. Das Abdanken des Fiskalstaates Seit den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts ist die Rolle des Staates Thema der Debatten und Handlungen in Makroökonomie und Politik. Nach der Legende führte die Anwendung der Lehren von Lord John Maynard Keynes nach der Weltwirtschaftskrise 1929 zur globalen Erholung. Die Ideen des studierten Philosophen und Ökonomen, wonach sich der Staat als Investor, Geldgeber, etc. engagieren muss, um gleichsam in Regionen mit wenig Regen Wasser zu leiten, fanden auch in der Finanzkrise Anwendung. Staaten, deren Banken sich verzockt hatten, griffen mit gigantischen Finanzmitteln ein, um die Wirtschaft zu retten. Seit Amtsantritt von Bundeskanzlerin Merkel stieg die offizielle Staatsverschuldung um 500 Milliarden Euro auf mehr als 2 Billionen Euro. Hinzu treten nicht bilanzierte Verbindlichkeiten in Höhe von 4,8 Billionen Euro für Pensionszusagen, etc... Der Fiskalstaat der Länder der Nordhalbkugel ist nachhaltig nicht mehr leistungsfähig, Falschbilanzierung und Irreführung sind kein Problem von „Greek Statistics“, sondern von allen EU-Staaten. Die Angaben zum Bruttosozialprodukt tragen ebenso einen Teil zur Verschleierung bei. Sinnlose Subventionsruinen (Stadien für nur eine Olympiade oder Fußballmeisterschaft, Fabriken, Straßen und Kanäle ohne Nutzer, Bürgerhäuser ohne Bürger) und Personalkosten, denen keine Schaffung von Mehrwert gegen- 10 P.T. MAGAZIN 1/2012

übersteht, pumpen die Leistungsbilanzen ebenso auf wie Sozialgeschenke. Die absolute Verschuldung aller Industriestaaten kennt so nur eine Richtung, nach oben. Nuklearoption Die Debatte um Schäden aus der Steuerflucht vernebelt diese Erkenntnis, ebenso politische Forderungen nach einer Vermögenssteuer. Ohne verwegen zu sein, kann man behaupten, dass (hypothetische) Nachzahlungen aller Steuersünder und die Wiedereinführung der Vermögenssteuer keine 100 Milliarden Euro einbrächten, also nicht mal 5 % der offiziellen Staatsverschuldung oder 1,3 % der Gesamtstaatsverschuldung beseitigen könnten. Die Befürworter der sogenannten „Nuklearoption“ (Artikel Lawrence Boone im Handelsblatt vom 25.10.2011, S. 56) wollen offen eine staatliche Allmacht, d.h. ein Bekenntnis der EU- Staaten, allen Staaten und deren Banken unbegrenzt zu helfen. Dass und wie diese Zeitbombe, mit der man bildlich gesprochen innerstädtisch experimentiert, hochgehen könnte, wird ignoriert. Die Bürger unserer Nachbarländer schaffen zwischenzeitlich ihr Geld noch schneller beiseite als Deutsche, damit Deutschland die von Italien, Frankreich, etc. nicht ausgefüllte Zahlquote der Rettungsschirme übernimmt. Das muss scheitern und führt zum Big Bang, dem Kollaps der Euro-Zone als größtem Wirtschaftsraum der Welt. Der Rechtsstaat Nicht nur der Fiskalstaat hat abgewirtschaftet, auch vom Rechtsstaat ist dank der Fehlkonstruktion der EU nicht mehr viel übrig. So war bereits ein früheres Hilfsgesetz zur Bereitstellung von Sanierungshilfen in der Finanzkrise als „Ermächtigungsgesetz“ bezeichnet worden. Der neue Entwurf zu dem dauerhaften Rettungsschirm ESM zeigt wieder die Elemente eines solchen Gesetzes. Eine diktatorische Gruppe kann unter Ausschaltung der Legislative, der Exekutive und der Judikative zu Lasten der Untertanen Gelder ausgeben wie sie Bald Enteignung aller zahlungsfähigen Bürger? (Foto: Gerd Altmann/pixelio.de) will. Dies passt zu dem Vorgehen in der Finanzkrise. Der ursprüngliche Vertrag von Maastricht, der die Quersubvention von maroden Staaten nicht erlaubte, wurde völlig ignoriert. Die Europäische Zentralbank, als zweite Bundesbank konzipiert, wird bei jeder Gelegenheit politisch instrumentiert. Sie verzerrt als Aufkäufer und Händler von Staatsanleihen die Marktpreise auf dem Anleihemarkt. Sie realisiert die Transfersunion zu Lasten Deutschlands entgegen der Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts. Auch verfassungsrechtliche Grundregeln wie das Rückwirkungsverbot gelten nicht mehr. Das Rückwirkungsverbot beruht auf dem Grundsatz, dass der Bürger nur für die Verletzung von Gesetzen haftbar gemacht werden kann, die er kennt und daher befolgen kann. Mit 1/2012 P.T. MAGAZIN 11

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